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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Intelligenz und Hirnschädigung 201

5. Diskussion>

Unsere Befunde können nicht ohne weiteres generalisiert werden. Die Vpn sind vorselegiert, da es sich ausschließlich um a) verhaltensauffällige und b) unterdurchschnittlich oder durchschnittlich intelligente Kinder han­delt. Diese Jungen und Mädchen könnten sich in einer Reihe leistungsrele­vanter Variablen wie z.B. Leistungsmotivation, Testangst, Anstrengungsbe­reitschaft von unausgelesenen Pbn unterscheiden. Der Zusammenhang zwi­schenIntelligenz und Hirnstatus einerseits und derLernfähigkeit* ande­rerseits wurde mittels spezifischer Intelligenz- und Lernmaße erfaßt. Nach den theoretischen Erörterungen im Einleitungsabschnitt ist damit zu rech­nen, daß bei Verwendung anderer Intelligenz- und Lernverfahren andere Beziehungen auftreten werden. Wie u.a. die Ergebnisse von Schmidt(1969) und Jeromin(1974) nahelegen, dürfte auch die Länge des Zeitintervalls zwi­schen den Testungen das Lernverhalten beeinflussen.

Eine Schwierigkeit ergibt sich, wenn man von den beobachteten Leistungs­veränderungen auf ein zugrundeliegendes KonstruktLernfähigkeit schlie­ßen möchte. Die Leistung eines Schülers im Raven-Test zu einem bestimm­ten Testzeitpunkt ist nicht nur eine Funktion kognitiver Variablen wie Denk-, Lern- und Erinnerungsfähigkeiten, sondern sie hängt auch von nicht­intellektuellen Faktoren ab. Unsere Daten gestatten es nicht, eine Reihe alternativer Erklärungshypothesen zu verwerfen, nämlich, daß sich die unter­suchten Gruppen bzgl. ihrer Anstrengungsbereitschaft oder ihrer Testangst und evtl. weiterer Variablen unterscheiden und daß diese Faktoren alleine oder in Kombination mit den kognitiven Leistungsbedingungen die differen­tiellen Effekte verursachten(vgl. Lowell, 1952; Weinert, 1964).

Ergebnisse von Schmidt(1969) und Guthke(1972) stützen allerdings unsere Hypothese, daß gruppenspezifische Leistungsverläufe in unserem Experiment Unterschiede im Hinblick auf die(intellektuelle) Lernfähigkeit widerspiegeln. Schmidt(1969), der in einem vergleichbaren mehrfaktoriellen Versuchsplan u.a. den Einfluß der Motivation auf die Leistungssteigerungen in HAWIK-Subtests überprüfte, gelangte zu folgendem Ergebnis(S. 474): Die Testbedingung ist weitgehend ohne signifikante Effekte geblieben. Dies mag auf die gute Motivation der Pbn unter Standardbedingungen zurück­gehen. Eine im Vergleich zur Standardbedingung signifikante Leistungssteige­rung ist in keiner Experimentalgruppe aufgetreten. Guthke(1972, S. 174 ff.) berechnete Korrelationen zwischen einer Reihe von Persönlichkeitsmerk­malen(Leistungsmotivation, Extraversion, Neurotizismus, Ängstlichkeit, Aus­dauer, Lerneinstellung) sowie dem Lernzuwachs im Analogien-Test und Zahlenfolgen-Test und fand jeweils nicht signifikante Beziehungen.

Behält man den in Abschnitt 1 a) erläuterten engen Begriff derLern­fähigkeit bei, so bleibt es nachfolgenden Arbeiten vorbehalten, ihn bzgl. seiner Funktionskomponenten aufzuschlüsseln. Es gilt, Fragen der folgenden Art zu beantworten: In welchen kognitiven Prozessen unterscheiden sich Individuen mit unterschiedlicherLernfähigkeit? Vermögen sie Informatio­nen besser zu speichern und abzurufen? Gelingt ihnen leichter ein Transfer von einer Problemstellung auf die andere? Treten bei ihnen in geringerem Umfang Hemmungs- und Interferenzprozesse auf? Sind sie flexibler in der