Das Reversal-Shift-Paradigma bei geistigbehinderten Kindern 211
Nachhinein diskutiert werden kann. Einziges Forschungsziel innerhalb dieses Ansatzes kann die Untersuchung gruppeninterner Differenzen sein. Dahinein gehören etwa Testkonstruktionen, wie sie im deutschen Sprachraum die Entwicklung der Testbatterie für geistig Behinderte(TBGB) von Eggert und Mitarbeitern darstellt. Der Anspruch, kognitive Prozesse unabhängig von einer Orientierung am Normalintelligenten zu untersuchen, erweist sich jedoch im allgemeinen als Selbsttäuschung. Der Verzicht auf eine Anlehnung an die allgemeine Psychologie würde im besten Fall zu einer Verunmöglichung des Veränderungsansatzes führen, im schlimmsten Fall zu einer allgemeinen Orientierungslosigkeit.
2. Die Mediationshypothese
Es ist ein Verdienst der kognitiven Psychologie aufgezeigt zu haben, daß reines Auswendiglernen in experimentalpsychologischen Laboratorien zwar gern und ausgiebig gemessen worden war und noch immer gemessen wird, daß dieses jedoch vom Durchschnittsmenschen in der Alltagssituation nur in seltensten Fällen benötigt und angewendet wird. Es wird sogar etwa die Meinung vertreten, reines Auswendiglernen gebe es überhaupt nicht. Assoziationstheoretisch würden wir beim reinen Auswendiglernen von direkten Assoziationen sprechen im Gegensatz zu den indirekten Assoziationen beim mediatorischen Lernen. Jedes menschliche Lernen bedeutet Stiftung von Sinnzusammenhängen. Es findet statt auf dem Hintergrund der Summe alles früher Gelernten, oder— wie Flammer et al.(1976) in Anlehnung an Ausubel(1974) formulieren— jedes Lernen ist Veränderung und Erweiterung der kognitiven Struktur des Menschen. Alle Neuinformation wird in die aktuelle kognitive Struktur eingebaut; diese wird dadurch verändert, so daß unser gesamtes Wissen nicht nur laufend erweitert, sondern auch mit jeder Neuaufnahme von Information unter neuen Gesichtspunkten geordnet wird. Übertragen auf eine Mikrostruktur verbaler Repräsentation heißt dies, daß jede verbale Sinneinheit vom menschlichen Individuum dadurch angeeignet wird, daß sie mit Hilfe eines Mediators einer bestimmten Stelle in der kognitiven Struktur zugeordnet wird. Etwas allgemeiner sagen Borkowski und Wanschura, daß kognitiv strukturiertes Lernen dann geschehe, wenn eine direkte Assoziation zwischen zwei Ereignissen zusammen mit einer zusätzlichen, indirekten Assoziation gestiftet werde. Die indirekte Assoziation— vielleicht eine Assoziation aus der natürlichen Sprache— dient als Glied oder Brücke, welche zwei zu lernende Ereignisse zusammenbindet. Diese indirekten Assoziationen werden im allgemeinen als Mediatoren bezeichnet(Borkowski und Wanschura, 1974).
3. Das shift-Paradigma von Kendler und Kendler
Die Umlernversuche von Kendler und Mitarbeitern, an die sich unsere Untersuchungen anlehnen, gehen nach folgendem Grundschema: Vpn lernen eine Diskriminationsaufgabe bis zur Erreichung eines Erfolgskriteriums. Ist