Störwirkungen von Geräuschen auf die unmittelbare Lernleistung 221
Aussagen über„educable mental retardates‘“(IQ 50/55—70/75, IQ bei 60 und niedriger) gleichermaßen für deutsche Lernbehinderte(IQ 70/75—90/95, IQ bei 80/85) Gültigkeit haben. Aufgabe dieser Studie ist es, Aussagen über Lärm und Lernen bei„retardates‘‘ zwar als Arbeitshypothesen zu übernehmen, aber bei deutschen Lernbehinderten im Besonderen zu überprüfen. Impliziert ist ein differentielles Konzept der Lernbehinderung, in welchem gefragt wird, ob bei leichter Intelligenzminderung zugleich zahlreiche physische und psychische Verhaltens- bzw. Funktionsminderungen vorhanden sind.
Überdies hat die Untersuchung einen praxisbezogenen Aspekt. Sie setzt die Reihe bisheriger Studien über Störwirkungen von Geräuschen in Unterricht und Schulraum fort. Meister et al.(1966) messen die Schallbelastung von Unterrichtsräumen durch Verkehrsgeräusche, stellen Sprachverständlichkeitsverlust von 15%-—20% und eine verbale Mindestlautstärke von 29 dB bis 58 dB je nach Lärmstörung fest. Floss(1964) mißt Veränderungen physiologischer Funktionen bei lärmexponierten, geistig arbeitenden Schülergruppen; mit steigender Lärmbelastung verändern sich diastolischer Blutdruck, Pulsschlag, Körpertemperatur, Fingertremor. Die Messung von Veränderungen der Schulleistung bei lärmexponierten, unterschiedlich intelligenten Schülergruppen ist Aufgabe dieser Studie. Als Kurzzeitstudie erfaßt sie die kurzfristige Lärmwirkung und die unmittelbare Lernleistung. Wenn es gelänge, neben den physiologischen auch psychisch wirkende Stressoren im Unterricht aufzudecken, dann wäre für das künftige Lehren/Lernen, das solche Stressoren berücksichtigt, ein Beitrag geleistet.
2. Ableitung von Hypothesen
Ellis(1963) präsentiert mit dem„stimulus trace‘“-Faktor eine Theorie zur Erklärung des Kurzzeitgedächtnisses. Darin wird angenommen, daß Stärke und Dauer einer Reizspur um so mehr abnehmen, je jünger und je minderintelligent die Vpn sind(Ellis 1963, 140). Validiert ist die Theorie durch den Nachweis von Minderleistungen minderintelligenter Gruppen in zahlreichen Aufgaben, wie z.B. Reaktionszeit, Paarassoziationslernen, unmittelbares Behalten(short-term-retention). Daher wohl erhebt die Theorie nach Scott(1968, 140) den Anspruch, für alle Stimulusarten zu gelten, also auch für Lärmreizung. In der Tat führt E/lis Aussagen zum Zusammenhang Intelligenz-Lärm/Lernen an. Ist der Anspruch real, dann müssen intelligentere Kinder bei Lärmreizung in ihren unmittelbaren Lernleistungen besser sein als weniger intelligente, gleichaltrige Vergleichspersonen. Die Unterschiede müssen in verschiedenen Aufgabenbereichen auftreten. Auf die Prüfung dieser Fragestellung wird noch abgehoben werden.
In weitergehender Abstraktion postuliert Ellis(1963, 138) Zusammenhänge zwischen Höhe der Intelligenz/des„stimulus trace‘ und Intaktheit der zentralnervösen Funktionskreise(„central nervous system integrity“ nj). Schärfer noch als dieser Autor formulieren Carter(1966) und besonders Spitz(1963, 29—30) in der„neural theory‘ die Zusammenhänge zwischen Effizienz/Defizienz des ZNS und normaler/retardierter Intelligenz. Die empi