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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Der Einfluß des soziokulturellen Status der Eltern 233

Das Elternhaus und die Schule stellen in ihrem Einfluß auf das Kind exo­gene Faktoren dar, die, je besser sie die Anlagen des Kindes berücksichtigen, die Berufsfähigkeit fördern, je weniger sie die Eigenart des Kindes respektie­ren, die Berufsfähigkeit hemmen®). Dabei ergaben Untersuchungen aus letz­ter Zeit(wie von Beer), Petrat®) und Sperrer?), daß hauptsächlich die Schü­ler aus soziokulturell höherem Milieu eine ausreichende Förderung ihrer Be­gabung erhalten, während Schüler aus niederen soziokulturellen Schichten vielfach keine ihren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung erfahren. Aller­dings beziehen sich diese Untersuchungen auf die Schullaufbahn und sind nur insofern relevant, daß eine höhere Schulbildung einen besseren beruf­lichen Ausgangspunkt bietet.

Die Situation des behinderten Kindes ist jedoch eine andere als die des gesunden Kindes. Denn das behinderte Kind kann den Erwartungen, die in es gesetzt werden, nur im Ausmaß seiner Fähigkeiten, also nur im beschränk­ten Maße gerecht werden. Damit verändert sich das Verhältnis von elter­licher Einflußnahme und Förderung und gebotener Leistung. Es zeitigt, wie aus Fallstudien bekannt ist!®), auch andere Folgen. Ob dieser durch Fall­studien erbrachten Aussage auch umfassenderer Aussagewert zukommt, möchte ich im Rahmen meiner Arbeit untersuchen.

b) Die Berufsfähigkeit als heilpädagogisches Ziel

Berufsbewährung als erbrachte berufliche Eingliederung undBerufs­reife* als die notwendige Voraussetzung für erstere bildeten von jeher Ziele der heilpädagogischen Bestrebungen für den Geistigbehinderten. Schon seit Beginn der heilpädagogischen Bemühungen, die Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzten, versuchte man durch spezielle Förderung der vorhandenen Fähig­keiten des debilen Kindes, es zur Erwerbsfähigkeit zu führen!!). Durch indi­viduelle Hilfen, die dem Geistesschwachen geboten wurden, sollte er zu sei­nem größtmöglichen Leistungsvermögen geführt werden, damit ihm einer­seits die Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglicht wird, andererseits die Sorgepflicht der Umwelt für den Behinderten geringer wird. Der heilpädago­gischen Praxis gelang es so, viele geistigbehinderte Menschen zu einem selb­ständigen, in die Gemeinschaft integrierten Leben zu führen und vor einem lebenslangen Ausgeliefertsein an die Umwelt zu bewahren. Der Umwelt blie­ben durch die zur Verfügung gestellten Mittel zur Förderung des Geistes­schwachen die Unkosten einer lebenslänglichen Befürsorgung erspart.

Trotz ihrer humanitären Bestrebungen und ihrer erwiesenen Erfolge konnte die Heilpädagogik nicht verhindern, daß der Schwachbegabte von der Gesellschaft in eine Außenseiterrolle gedrängt ist. Dies bedeutet aber eine geringe Anerkennung von seiten einer bildungs- und leistungsorientier­ten Gesellschaft, da auf den Gebieten der Bildung und Leistung der Schwach­begabte auf Grund seiner verminderten Fähigkeiten nicht konkurrenzfähig ist. So erwachsen dem Geistesschwachen, der auf Grund seiner Minderbega­bung schon größere Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung hat, auch von seiner Umwelt hierin weitere Erschwernisse.

Zur Anhebung des Prestiges des Schwachbegabten in der Gesellschaft einerseits, anderseits um die Berechtigung des heilpädagogischen Einsatzes