236 Adolf Joksch
malen‘ Leistungen zu bringen, andererseits überbefürsorgen sie auf Grund der Schuldgefühle oft das behinderte Kind. Die geschilderte Situation ist allerdings nicht schichtspezifisch festgelegt, wenn auch von Roos erwähnt wurde, daß hochintelligente Eltern besonders betroffen sind, da sie dazu neigen, Menschsein mit Besitz von Intelligenz ohne Berücksichtigung anderer Faktoren gleichzusetzen?!).
Hier soll auf die Unterscheidung Kanners zwischen absolutem und relativem Schwachsinn hingewiesen sein. Denn so wie der relative Schwachsinn in seiner Ausformung je nach der Gesellschaft, in der er auftritt, verschieden stark auffällt, so ist auch das Auffallen des Schwachsinns in den einzelnen Schichten verschieden. Denn in den unteren Schichten wird nicht dieselbe intellektuelle Leistung von seinen Angehörigen gefordert wie in den höheren Schichten. Es entspricht dem Heterostereotyp des Zugehörigen höherer Schichten, intelligente Kinder zu haben, die in der Schicht ihrer Eltern bestehen können, so wie es dem Heterostereotyp des Angehörigen von Unterschichten entspricht, weniger begabte beziehungsweise mehr praktisch begabte Kinder zu haben. Dadurch ist auch eine unterschiedliche Erwartung dafür, was das Kind leisten soll, gegeben. Die Diskrepanz zwischen dem, was vom Kind erwartet wird, und dem, was das Kind erreichen kann, ist bei den einzelnen Schichten bei angenommen gleicher Behinderungsart und Behinderungsstärke verschieden. Denn Angehörige einer Oberschicht, die z.B. mit der akademischen Bildung des Kindes gerechnet haben, sind in ihren Erwartungen schwerer enttäuscht, wenn ihr Kind dann als Hilfsarbeiter arbeitet, als ein Facharbeiter, der seinem Kind eine akademische Ausbildung sowieso nicht bieten wollte, da er die dazu nötigen Fähigkeiten seinem Kind nicht zutraut.
Müller-Küppers setzt sich ebenfalls mit der Rolle des„Sonderkindes‘“‘ (nach Ross) auseinander. Er findet allerdings, daß die Situation des hirngeschädigten schwachbegabten Kindes nicht in einer Gruppe zusammengefaßt werden kann, sondern daß je nach Verhaltenseigenschaften der Eltern verschiedene Reaktionstypen(auf die Behinderung) unterschieden werden müssen. Er zeigt dabei das Verhalten der sozial indolenten Familie, der Familien mit familiärem Schwachsinn, der am Sozialprestige orientierten Familie, der überkritischen, auf Perfektion eingestellten Familie, der überprotektiven Familie und von ärztlich vorgebildeten Eltern. Er bringt außerdem ein Kapitel über das leicht cerebral geschädigte Kind in der Ersatzfamilie und in der Heimerziehung. Die einzelnen Punkte der Einteilung sind nicht gleichwertig und deshalb auch nur schwer vergleichbar, vor allem kommt es zu Überschneidungen. Müller-Küppers weist selbst darauf hin und betont, daß es ihm vor allem auf die Heraushebung jeweils eines familiensoziologischen Aspektes ankam, jedoch dies nicht bedeutet,„daß dieser ausschließlich wirksam ist oder immer in uneingeschränkter Ausprägung vorliegt‘22).
Da für unsere Problemstellung weder das indolente Familienmilieu noch das Familienmilieu bei familiärem Schwachsinn relevant sind, werden jene Familiensituationen nicht genauer erörtert. Bei Angehörigen der oberen Schichten sind vor allem am Sozialprestige orientierte Familien, vor allem wenn der Aufstieg zur Oberschicht erst in der Elterngeneration gelang, und überkritische, auf Perfektion eingestellte Familien zu finden. Während bei