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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
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238 Adolf Joksch

Arbeit ist unterschiedlich. Der Arbeiter bevorzugt ökonomische Werte, ande­

rerseits ist ihm das Geld ein Mittel, um sich Anerkennung zu verschaffen. In

der oberen Mittelschicht und in der Oberschicht nimmt man einen finanziel­len Nachteil, um einen höheren Rang zu erreichen, in Kauf, man verzichtet ja auch länger auf einen finanziellen Verdienst, um dann auf Grund eines abgeschlossenen Studiums mehr Ansehen zu erlangen. Wahrscheinlich liegt der schichtspezifische Unterschied darin, daß man sich in der Unterschicht durch Geld, in den oberen Schichten durch Bildung, Anerkennung erwerben will. Setzt man dies in Beziehung zum cerebralgeschädigten Kind, so ergibt dies, daß es sich in der Unterschicht leichter anpassen kann, da es oft durch­aus fähig ist, ein durchschnittliches Monatseinkommen zu erreichen, während es, falls es aus der Oberschicht stammt, der schichtspezifischen Erwartung,

Bildung zu erwerben eine Erwartung, die nicht nur dem Denken seiner

Eltern entspricht, sondern auf Grund der in der Erziehung übermittelten

Werte öfter seinem eigenen Denken nicht gerecht werden kann. Ebenso

ist das Verständnis für die manuelle Arbeit in den Oberschichten nicht immer

sehr gut. Einerseits wird der Intellektuelle weniger mit dieser konfrontiert, kennt sie also aus Erfahrung weniger. Andererseits distanziert er sich von der manuellen Arbeit und deklariert sie als minderwertig, um seine eigene Lei­stung zu betonen. Er kann also seinem Kind schwer das richtige Verständnis für die manuelle Arbeit vermitteln. Das Kind aus den unteren Schichten

hat über seinen Vater ein besseres Verständnis für jene Arbeitswelt, in die

es einmal eintreten muß. Es bekommt auch eher jene Verhaltensformen mit,

die von ihm am Arbeitsplatz erwartet werden. Weiters sollte auch berück­

sichtigt werden, daß Eltern aus der Oberschicht oft aus Prestigegründen sich gegen den Arbeitseinsatz ihres Kindes als Arbeiter stellen und es lieber bei sich zu Hause behalten.

Es zeigt sich also, daß es mehrere Faktoren gibt, die die Entwicklung des cerebralgeschädigten Kindes der Oberschicht ungünstig beeinflussen, während das cerebralgeschädigte Kind der Unterschicht diesen nicht oder nicht in diesem Ausmaß ausgesetzt ist. Natürlich gibt es auch Faktoren, die das ge­schädigte Kind der Unterschicht isoliert treffen, so finden sich hier häufiger geringere finanzielle Mittel und ungünstigere Wohnverhältnisse. Die These, daß zwischen einer Gruppe hirngeschädigter Kinder der Oberschicht und einer Gruppe hirngeschädigter Kinder der Unterschicht auf Grund des sozio­kulturellen Familienmilieus ein Unterschied hinsichtlich ihrer Berufsbewäh­rung besteht, soll durch die nachstehende Untersuchung bewiesen werden.

Zusammenfassend folgen nun nochmals die Faktoren, die die Berufsbewäh­rung des Cerebralgeschädigten aus höherem Milieu ungünstig beeinflussen.

1. Die Diskrepanz zwischenIdeal-Bild eines Kindes und den gegebenen Fähigkeiten des geschädigten Kindes ist bei Eltern der Oberschicht größer, sie sind deshalb stärker frustriert.

2. Der Abstand zwischen der Schicht der Eltern und jener Schicht, der das Kind angehören wird, ist bei der Oberschichtgruppe größer als bei der Unterschichtgruppe. Auch daraus ergibt sich eine stärkere Frustrierung der Eltern aus der Oberschicht.

3. Die beruflichen Erwartungen der Eltern der Unterschicht ausreichend Geld zu verdienen sind gegenüber jenen der Oberschicht höhere