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264 Heilpädagogische Dokumentation
von Underachievement und Pseudodebilität fest.— Das Kapitel„Hypothetische Ansätze zur Ätiologie des Phänomens Pseudodebilität‘“ spricht über Leistungsstörungen, die im psychischen Bereich liegen können(z. B. Krankheiten, Sinnesschwächen, Sprachstörungen, Ermüdbarkeit), ferner in einer„sozio-kulturellen Deprivation‘‘ sowie in „Trotz, Hemmung, Angst und neurotischen Versagenszuständen‘‘. Sodann werden die bisherigen verschiedenen Untersuchungsansätze zur Diagnose des Phänomens Pseudodebilität dargelegt.
Der zweite Teil des Buches stellt den„eigenen Untersuchungsansatz‘‘ sowohl in bezug auf die„Konkretisierung und Beschreibung der Methode‘‘ als auch auf die„Durchführung der Untersuchung‘‘ dar. Der Verfasser sicht die„Kennzeichen einer Pseudodebilität in drei Gegebenheiten‘‘, im„Schulversagen, im relativ hohen IQ und in der Verhaltensauffälligkeit‘‘. Demgemäß werden die Fragestellungen der Untersuchung wie folgt präzisiert: 1. Wie hoch ist der Prozentsatz der pseudobilen Kinder in den erfaßten Sonderschulen für Lernbehinderte und Erziehungsschwierige?— 2. Welche Faktoren belegen die Pseudodebilität dieser Kinder?- 3. Was läßt sich über die Bedingungsfaktoren, also über die Ätiologie des Phänomens Pseudodebilität aussagen?— 4. Wie sehen die betreffenden Erzieher das Problem der Prophylaxe?— 5. Wie stehen die Vpn zu ihrem Schulversagen?
Zur Anwendung kamen folgende Verfahren und Daten: 1. Analyse der Schülerbögen— Inhalte aus den Einweisungsverfahren in die Sonderschule sowie die Quotienten bereits durchgeführter Testverfahren; 2. Anwendung des„Culture Fair Intelligence Tests‘(von Cattell); 3. Einsatz des Z-Tests(von Zulliger); eine Exploration der Vpn zu ihrem Schulversagen; 5. ein Fragebogen für die Lehrer; 6. eine Befragung der Eltern zu ihren Meinungen über das Schulversagen ihrer Kinder.— Die Durchführung der Untersuchung erstreckte sich auf einen Zeitraum von 7 Monaten. Die Vpn kamen aus 15 Klassen von Sonderschulen für Lernbehinderte(aus Würzburg und Umgebung) und aus 10 Klassen von Sonderschulen für Erziehungsschwierige(aus München und Würzburg). Insgesamt wurden 519 Vpn ausgelesen. Bei Erziehungsschwierigen galt als Schulversagen, wenn sie mindestens einmal eine Klasse wiederholt hatten.
Die Hauptergebnisse der statistisch abgesicherten Untersuchung sind folgende: In der Gesamtheit der Lernbehinderten befinden sich zwischen 4,1 und 9,4% Pseudodebile. In der Gesamtheit der in der Schule völlig versagenden Erziehungsschwierigen befinden sich zwischen 48,6 und 83,3% Pseudodebile. In der Gesamtheit der Lernbehinderten und der in der Schule versagenden Erziehungsschwierigen lassen sich zwischen 8,4 und 14,9% Pseudodebile finden. Die Sicherheitswahrscheinlichkeit beträgt in allen drei Aussagen 95%.— In den Sonderschulen für Lernbehinderte und Erziehungsschwierige befindet sich also eine Anzahl von Schülern, die aufgrund ihres völligen Leistungsversagens in der Volksschule fälschlicherweise als„debil‘‘ bezeichnet werden und als „Schulversager‘‘ in die genannten Sonderschulen eingewiesen werden.— In keinem Fall von Pseudodebilität liegt nur eine Schädigung vor; es kommen immer mehrere Komponenten zusammen.— Bei 82,6% der Vpn wurde als Primärursache eine sozio-kulturelle Deprivation vorgefunden.
Abschließend bemerkt der Verfasser, daß der Begriff„Pseudodebilität‘‘ irreführend ist, wenn er mit einer tatsächlichen Debilität in Verbindung gebracht wird. Es handelt sich vielmehr um eine Störung der Persönlichkeitsentfaltung. Eine Hilfe könnte in einer zusätzlichen Schulform oder in einem neu orientierten gesamtschulähnlichen Schulsystem gefunden werden. Man kann aber auch an Grund- und Hauptschulen mit Förderund Stützunterricht, verbunden mit einer psychologischen Betreuung, die in dringenden Fällen auch eine Therapie bis hin zur Familie einschließt, Abhilfe schaffen.
Richard G. E. Müller, Glinde
Hofmann, Theodor: Medien für geistig behinderte Kinder und Jugendliche(Media for mentally handicapped children and young people) 107 Seiten. 1975. DM 14,80. G. Schindele Verlag, Rheinstetten, Neu.
Die einleitenden Kapitel informieren über„Aspekte der geistigen Behinderung‘ (W. Dittmann) und über„Ansätze einer Rehabilitation Geistigbehinderter durch sonderpädagogische Hilfsmittel‘‘(M. Netzer).— Das 4. Kapitel enthält einen Bericht über „Hilfen für geistig behinderte Kinder und Jugendliche durch traditionelle und moderne