Heft 
(1956) 5
Seite
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Einhalt gebot. Die Vorgeschichtswissenschaft lehrt uns, daß diese Gräber aus der Steinzeit stammen, daß ihre Entstehung eine Auswirkung keltischer Kultur war und daß sie durchweg ein Alter von 5000 und mehr Jahren haben. Im Gegensatz zu dem vorgeschichtlichen Seddiner Grab, das ja 2000 Jahre jünger ist und um dessen Hügel aus der Entstehungszeit die in der Gegenwart bestätigte Sage vom dreifachen Sarg lebendig blieb, rankt sich um das Mellener Grab, wenn man von der Handtmannschen Deutung und Belebung als altheidnische Opferstätte absehen will, keinerlei Erzäh­lung, die in die Urzeit und in das Dunkel dieser Grabschöpfung zurückgeht. Denn um eine Grabanlage handelte es sich, wie Grabungen bei ähnlichen Dolmengräbern und gleichartigenHünenbetten an anderen Orten mehr westwärts, vornehmlich bei denSteinhäusern von Fallingbostel und den besonders in der Normandie dichtgehäuften steinzeitlichen Grabanlagen einwandfrei ergeben haben. Beim Mellener Grab selbst ist bisher eine solche systematische Grabung noch nicht durchgeführt worden.

Die Geschichten, die dieses Grabmal umgeistern, sind jüngeren Datums. Sie stammen wahrscheinlich aus der Zeit der endgültigen Christianisierung unserer Heimat, sind also wohl um 1200 oder später entstanden.

Die eine Sage, die im Volksmunde überliefert wurde, berichtet davon, daß einst in unserer Heimat gewaltige Riesen hausten. Der stärkste von ihnen lebte jenseits der Elbe auf dem hochragenden Höhbeck. Um seine Kraft zu üben und unter Beweis zu stellen, warf er vom Höhbeck über die Elbe hinweg und über die langgestreckte Senke des Rudower und Rambower Sees mächtige Findlingsblöcke in unsere Prignitz hinein. Eine ansehnliche sportliche Leistung. Eine andere Überlieferung berichtet, daß er dies aus Ärger über die ersten im unserer Heimat auftauchenden Kirchtürme tat, und daß er sie damit vernichten wollte. Seine Treffgenauigkeit muß dabei nicht sehr groß gewesen sein, denn der stumpfe Turm von Boberow steht mit dem schlankeren Bruder von Rambow noch heute als Wahrzeichen der Landschaft hoch über dem Rambower See. Als aber der Riese starb, sind seine Kollegen gekommen, legten diese herübergeschleuderten Steine zu einer Grabkammer zusammen und betteten den Toten hinein. Er muß fürwahr ein prächtiges Gardemaß gehabt haben, denn sein Grab ist immerhin 22 m lang. Und auch seine Kraft muß nicht von Pappe gewesen sein, denn der größte Stein, den er über 10 km weit warf, und der unter den 58 Findlingsblöcken des Grabes der krönende Deckstein ist, wiegt über 200 Zentner.

Die zweite Sage, die am Mellener Grab lebendig ist, berichtet nicht von muskelbepackten, riesigen Athleten, sondern ist eine Angelegenheit des Gemüts und hat als Kern eine zarte, innige Liebe, die leider einen tragischen Ausgang nahm. Ulrici, der Lenzener Chronist und Sagensammler des vorigen Jahrhunderts, hat sie als erster auf geschrieben, und er soll sie hier erzählen:

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