Heft 
(1956) 5
Seite
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WILLI WESTERMANN

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Lange Zeit ist es her, da lebte in dem Dorfe Lanz ein armer Kätner so recht und schlecht mit seiner Familie. Während der Woche leisteten er und seine Frau Hand- und Spanndienste für den Grundherrn. Fleißig waren die beiden, sie rackerten und schufteten den ganzen Tag. Am Abend waren sie müde und abgespannt, doch da hieß es, noch den eigenen kargen Boden zu bestellen. Die Kinder waren noch klein, und das älteste Mädchen mußte während der Abwesenheit der Eltern für die Kleinsten sorgen. Jahrelang ging alles gut. Alle waren trotz ihres harten Loses zufrieden, denn sie waren gesund und munter. Doch eines Tages wurde plötzlich die Mutter schwer krank. Einen Wundarzt, der auch Heilmittel herstellte, gab es zwar in Lenzen; aber wer sollte ihn und seine Arznei bezahlen? In seiner großen Verzweiflung ging der Mann zu seinem Grundherrn nach Lenzen, bat ihn um Unterstützung, damit er den Arzt bezahlen könne, er wolle ihm hierfür stets dankbar sein und seine Hilfe durch doppelten Fleiß wieder abgelten. Der Grundherr jedoch war hart und mitleidlos und wies ihn zurück. Große Not war nun bei dem Kätner eingekehrt, denn nur der Arzt und ein Heil­mittel konnten seiner Frau helfen. Bitter und traurig, mutlos, in Gedanken versunken, zog er den Spukweg von Lenzen nach Lanz zurück. Der Mond leuchtete zwischen den Kiefern. Die faulenden Stämme flimmerten ge­spenstig, in der Weite der Sümpfe tanzten die lockenden Irrlichter, der markerschütternde Klageruf eines Wolfes ertönte von ferne, in der Nähe rief der Waldkauz. Da gleitet der Totenvogel aus dem Waldesdunkel über den Weg. Lautlos schwebt er dahin, umkreist eine niedrige Kiefer und reißt mit seinen scharfen Fängen eine schlafende Drossel. Der jammernde Todesschrei gellt über das Dickicht. Dem Kätner läuft es warm und kalt über den Leib, der Schweiß bricht ihm aus allen Poren. Von fern hört er noch den Waldkauz rufen:huhu huhu. Unheimlich ist es dem Kätner, die Spukgeschichten seiner Großmutter rumoren in seinem Kopfe.Sollte das mit der Riesenwildsau an diesem Weg doch stimmen? denkt er. Da, es mußte Punkt zwölf Uhr sein. Mitternacht! Ein Rascheln ganz in der Nähe, dann ein Grunzen, der Mond kommt aus der Wolke hervor. Sein Herz bleibt fast stehen. Er sieht eine riesige Wildsau im Boden wühlen. Jetzt heißt es, so hatte die Großmutter erzählt, ein Herz gefaßt, den Schwanz der Wildsau gepackt und nicht losgelassen. Sie weiß den Weg zum

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