Doch Weisen ließ sich irren nicht,
Und endlich ging man vor Gericht.
Der Richter diesen Ausspruch tat:
„Es gebe einer aus dem Rat Am streit’gen Orte eidlich kund,
Er steh’ auf Perleberger Grund.“
Da ward die Sache kritisch sehr, denn, daß ich heimlich euch belehr’,
■ Man war des Rechtes nicht gewiß,
Das gab zum Schwur ein Hindernis.
Doch fand ein Ratmann sich bereit,
Zu schwören bei der Seligkeit.
Bevor er hin zu schwören ging,
In seine Stiefel streut’ er flink Vom Perleberger Gartenland Mit eigner Hand ein wenig Sand,
Und darauf tat er eidlich kund:
„Ich steh’ auf Perleberger Grund!“
Da wies der Richter Weisen fort.
Und heute? — Heute wandelt dort Ein ruheloser Geist und klagt,
Daß ihm der Himmel ist versagt. —
Drum, Nachbarn, führt ihr einmal Streit,
So führet ihn in Redlichkeit!
Dieses Gedicht ist auch im die vorerwähnte Wendt’sche Chronik aufgenommen, deren Verfasser ihm als örtliche Überlieferung hinzufügt: Die Klageworte aber, welche dieser ruhelose Geist dem einsamen Wanderer zur Nachtzeit zuruft, sind: „Reimer schwur und ich schwur auch.“ Nun werden in einem sehr ausführlichen Grenzvertrag von 1514 zwischen Perleberg einerseits und Weisen und Breese andererseits als Schwurzeugen der Grenzziehung benannt: für die Stadt die beiden Bürgermeister, die Rat- marnnen und der Stadtschreiber, für die Gegenseite neben anderen ein Reimer Platen zu Quitzow als der Bevollmächtigte des Jaspar von Redstorff, des Grundherrn von Weisen. Damit ist erwiesen, daß in dieser Sage wie in so vielen anderen ein geschichtlich beglaubigter Kern steckt. (Die im vorigen Heft behandelte Sage vom Seddiner Königsgrab ist ja ein anderes großartiges Beispiel dieser Art). Außerdem lebt der Perleberg-Weisener Grenzstreit in einem Flurnamen fort. Das strittige Landstück, heute ein Teil des Jagens 93 der Stadtforst zwischen Wittenberger Chaussee und Stepenitz, heißt bis auf diesen Tag Geschworenenland oder Abgeschworenes Land.
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