Heft 
(1956) 5
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es auch unter den Wittenberger Bürgern Menschen gegeben, die nicht mit allem einverstanden waren, was die damalige Ordnung und Obrigkeit gebot. Leider sagen uns auch in diesem Falle die Akten keine Namen und genau­eren Fakten.

Am 24. Juni berichtet der Landrat der Stadt, daß er die Bitte um Waffen weitergeleitet habe und daß die Königliche Regierung über den Antrag entscheiden werde, sobald alle Berichte aus den Kreisen eingegangen seien. Wenige Tage darauf wird der Magistrat der Stadt durch ein Schreiben aus Spandau gebeten, den Bahnhof zu überwachen. Man befürchtet, daßFrei­schärler aus Schleswig-Holstein versuchen könnten, nach Berlin zu kommen. Die Antwort des Magistrats ist bezeichnend und läßt uns Einblick nehmen in die Dürftigkeit Wittenberger Verhältnisse der damaligen Zeit. Der Magistrat lehnte die Kontrolle des Bahnhofs ab, da man nur einen Exekutivbeamten hätte und es dem Bürgermeister nicht zuzumuten wäre, sich neben seinen Verwaltungsgeschäften um die Überwachung des Bahn­hofs zu kümmern. Vielleicht war es auch der Ärger über die noch nicht bewilligten Gewehre, der den Magistrat zu dieser Antwort veranlaßte.

Im August hatte nämlich die Königliche Regierung immer noch nicht auf die Bitte der Wittenberger geantwortet; die Stadt war noch ohne Gewehre. Daraufhin richtete der Magistrat am 26. August ein Schreiben an das Ministerium. In diesem wies man darauf hin, daß die Städte Perleberg, Havelberg, Wilsnack und Lenzen bewaffnete Bürgerwehren hätten, daß Wittenberge aber immer noch eines solchen Schutzes entbehren müsse. Wörtlich heißt es dann weiter:. . . es haben aber seit 10 Tagen die Arbeiten an der großen Brücke wieder ihren Anfang genommen und findet dabei ein bedeutender Zudrang der Arbeiter statt, diese kommen weit und breit her und zählen mehrere Barrikaden Helden unter sich. Auch finden sich leider schon nächtliche Straßenunordnungen von Umfang ein, zufolge es von der hiesigen Amtsbehörde unvorsichtig wäre, würde man nicht auf, den Nothfall an eine gewisse vorräthige Gewalt denken, indem Wittenberge bis 2000 fremde Arbeiter wie früher wieder erlangen kann und durch die Eisenbahn mit Berlin zusammenhängt, von wo Kameraden der Anwesenden leicht zum Beistände hergerufen werden können. Das Schreiben schließt:Hochgeneigt zu befehlen oder zu veranlassen daß unserer Commune unter den bei anderen Aushilfen stattgefundenen Be­dingungen, womöglich 100 Gewehre mit Bajonetten hergesandt werden. Am 16. September antwortete das Ober-Präsidium der Provinz Branden­burg und bewilligte 80 Gewehre aus den Beständen des Artillerie-Depots zu Berlin für Wittenberge. Wer glaubt, daß damit der Krieg um die Bewaffnung der loyalen Wittenberger Bürger abgeschlossen ist, der irrt. Es sei das Folgende nur angedeutet. Am 9. Oktober tagte die Stadtver­ordnetenversammlung und beschloß,ein Wohllöblicher Magistrat wird ersucht, die Überführung der 80 Stück Gewehre für die hiesige Bürgerwehr

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