per Eisenbahn recht bald zu veranlassen. Das Artillerie-Depot lehnt wegen Zeitmangel diese Art der Beförderung ab; daraufhin Verhandlungen mit der Speditionsfirma Hoffmann & Roemer. Diese holte dann endlich die Gewehre, und der Schlosser Eichkamp wurde mit ihrer Überprüfung beauftragt.
Die Bürgerwehr ist nun bewaffnet. Den größten „Straßen Unfug“, wie es in einem Schreiben des Landrats heißt, kann sie aber anscheinend doch nicht verhindern. Zwei Schreiben sind es, die auf bedeutende Unruhen am 15. November 1848 hinweisen. Das erste ist das erwähnte des Landrats vom 27. November:
„Mit Bezug auf den im Berichte vom 27. d. Mts. geschilderten Straßen Unfug am 15, d. M., durch den, nach der Anzeige Eines Wohllöblichen Magistrats ein Menschenleben geopfert worden, veranlasse ich einen Wohll. Magistrat, den polizeilichen Untersuchungsverhandlungen möglichste Beschleunigung zu geben und demnächst solche an das Gericht zur weiteren Verfügung gelangen zu lassen, vom Resultate aber hierher seiner Zeit Anzeige zu machen.“ Eine Randbemerkung des Magistrats lautet: „Seither hat weder ein Theilnehmer noch ein Anführer der Excesse ermittelt werden können, weshalb auch keine Verhandlung erforderlich wurde; . . .“. Das zweite ist eine Schadenersatzforderung des Conditors Bischoff. „Einer Wohllöblichen Magistrats Behörde erlaube ich mir ergebenst anzuzeigen, das mir bei dem am 15ten d. M. sattgehabten Tumulte, von der tobenden Menge theils durch Steinwürfe theils durch das Hineinschlagen mit Knitteln, unten verzeichnete Gegenstände ruiniert worden sind, . . .“.
Damit können wir die Akte mit ihrem für frühere Zeiten „anrüchigen“ Titel“ schließen. Nennenswertes teilt sie uns nicht mehr mit. So dürftig die Nachrichten auch sein mögen, lassen sie doch gewisse Schlüsse zu. Zwei Fronten standen sich 1848 in Wittenberge gegenüber: auf der einen Seite die in ihrer Mehrheit königs- und obrigkeitstreuen Wittenberger und auf der anderen Seite das unruhige Element der fremden Arbeiter. Wieweit Wittenberger und in welcher Zahl auf der Seite letzterer standen ist uns nicht übermittelt. Die Haltung der überwiegenden Zahl der Bürger der Stadt findet eine gewisse Erklärung, wenn man weiß, daß es den Wittenbergern erst wenige Jahrzehnte vorher gelungen war, unter großen Opfern ihre Freiheit vom adligen Stadthernn zu erkämpfen. Es mag noch ein Gefühl endlich erreichter „Freiheit“ gewesen sein, das ihre Verständnislosigkeit den wesentlich weiter reichenden Forderungen aus Berlin gegenüber verstehen läßt. Etwas von diesem revolutionären Geist aus Berlin wird von den Arbeitern nach hier getragen. Wir wissen heute noch nicht, ob es Lohnforderungen oder lediglich Auflehnung gegen die muffige Kleinstadtatmosphäre waren, die zu diesen Zusammenstößen führten. Eins dürfte jedenfalls feststehen, mit den Ereignissen des Jahres 1848 beginnt der 4. Stand, die Arbeiterklasse, in unserer Stadt ihre Ansprüche anzumelden.
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