LOTTE RACUROW
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Mit Rohrfederzeichnungen von Hans Seiler
„Blumen sind die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns zeigt, wie lieb sie uns hat.“ Goethe
Ein bescheidener Strauß ist es nur, den wir heute auf diesen Seiten unseres Heftes zusammengetragen, und doch sind auch unsere so wenig beachteten Wiesenblumen Schätze der Natur und wert, liebevoll betrachtet und mit Namen gekannt zu werden. Wohl nehmen es unsere Wiesen zur Frühlingszeit nicht mit der strotzenden Pracht der troilblumenübersäten Thüringer Wiesenhänge auf, aber es blüht auch hier unter den vielen zierlichen Blamenkindern manche Kostbarkeit, ehe der Sense Schnitt all die zarten Gestalten dahinsinken läßt.
Der Wind weht über unsere Wiese, über ihrem weiten maigrünen Grund leuchtet silbern und rosa wie ein kostbarer Seidenüberwurf die Blüten- pracht der langen Rispengräser, der roten Kuckuckslichtnelken und das leine Spitzengewebe des Wiesenkerbels und Gierschs. Auf einem schmalen Pfad gehen wir durch das duftende Gewoge zum Fluß hinunter und lassen nun unsern Strauß entstehen.
Wir haben von den Kuckuckslichtnelken gesprochen. Viele Menschen kennen den reizenden Namen dieser so häufigen Wiesenblume, die zu den Nelkengewächsen gehört, nicht. Ihre Kronblätter sind kräftig violett-rosa und tief vierspaltig, so daß sie wie Fransen wirken, die aus dem länglichen dunklen Kelch heraushängen. Der lange Stiel mit den wenigen gegenständigem schmalen Blättern teilt sich in feine Stiele, die mehrere Blüten und Knospen tragen.
Neben ihrer schlanken Schwester hebt eine andere kleinere Wiesenblume sich zur Sonne empor: Das Wiesenschaumkraut. Auf dem Stengel mit wechselständigen, gefiederten spitzen Blättern, sitzt ein Krönchen aus perl- muttfarbenen Blüten. Die Farbe der Blütenblätter spielt von weißen in
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