HEINZ MÜLLER
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Wittenberge ist nach Meinung älterer Verfasser sehr alt, blieb aber unbedeutend, bis das 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung und dem modernen Verkehrsweg, dem Schienenstrang, der Stadt eine hervorragende Stellung in der Landschaft gab. So findet der Besucher der Stadt so gut wie keine historischen Bauten, aber auf allen Wegen das Bild einer zu hastig gewachsenen, dadurch oft häßlich aussehenden Industriesiedlung; findet aber auch überall die Zeichen von dem Fleiß und der Schaffenskraft werktätiger Menschen. Ein Gang durch die Stadt mag uns das beweisen.
Der Zug brachte uns nach Wittenberge. Einen Augenblick bleiben wir auf dem Bahnsteig, nehmen das hastige Hin und Her der Reisenden und der Bahn- und Postangestellten in uns auf und lesen die Hinweisschilder. Fünf Linien treffen hier zusammen. Auf der einen Seite des Bahnhofsgebäudes sind die Bahnsteige der Richtungen Schwerin und Hamburg, Berlin und Perleberg und auf der anderen die in Richtung Stendal—Magdeburg und Salzwedel. Durch die Sperre treten wir aus dem Gebäude auf den Bahnhofvorplatz. Der Weg in die Stadt ist nicht zu verfehlen. Links sehen wir in der Reihenfolge das Hauptpostamt, ein langgestrecktes Gebäude mit der Werkküche und den Schlafräumen für das Eisenbahnpersonal und die Schuppen und die Laderampen der Güterabfertigung. Die Straße biegt rechts über die Schienen in die Stadt ein. Wir bleiben einen Moment stehen und sehen rechts und links: rechts ein Gewirr von vielfach verästelten und sich immer mehr verzweigenden Geleisen, links die sich zu zwei Linien zusammenfindenden Schienenwege über die Elbbrücke nach Stendal und Salzwedel.
Vor uns liegt die Bahnstraße, Haupt- und Geschäftsstraße der Stadt Wittenberge. Wir verfolgen sie nur bis zur Rathausstraße, denn wir wollen zuerst das Herz der Stadt, das Industrieviertel besuchen. Wir biegen links von der Bahnstraße ab und gehen durch die Rathaus- und Tivolistraße. In der ersteren sehen wir rechts das Gaswerk, das Wittenberge und Ortschaften in der Altmark mit Gas versorgt, in der zweiten links die Molkerei. Beide Straßen werden durch Schienenwege getrennt; es sind die Verbindungswege zwischen ölwerke und Packhof einerseits und Bahnhof andererseits. Hinter der Molkerei können wir wieder die Eisenbahnstrecke nach Stendal links von uns sehen. Parallel zum Damm folgen wir der Straße, bis wir wieder links einbiegen müssen und unter dem Bahndamm hindurchgehen.
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