Heft 
(1957) 5
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sie war sich also keiner Gefahr für ihren Mann und seine Mitgefangenen bewußt und ging, als ihr Mann um 1 Uhr noch immer nicht gekommen war, zu Bett.

Die Kaufleute Baldenius und Schwarz und der Mühlenmeister Miesner besuchten die Gefangenen in der Wachstube. Man unterhielt sich natürlich über die Verhandlung und stellte sich immer wieder die Frage, was man denn nun eigentlich getan oder unterlassen habe. Auch mit dem nassau- ischen Soldaten entspann sich ein freundliches Gespräch. Fest stand, daß die Stadt in wenigen Stunden 2400 Taler zur Entschädigung des Hirsch und zur Deckung der Kosten des Verfahrens zu zahlen habe. Diese Summe wurde sofort durch Entnahme des Betrages aus Verwahrgeldern gezahlt, auch gab man dem Präsidenten der Untersuchungskommission, Monsieur Le Preux, auf Anraten einDouceur, d. h. ein Bestechungsgeld von 600 Talern. Eine Sammlung der Bürgerschaft erbrachte in wenigen Tagen 1800 Taler, dieses Geld wurde aber nicht verwendet, sondern bald zurück­erstattet. Der Aufenthalt der Militärkommission und der Soldaten kostete die Stadt für zwei Tage nicht weniger als 461 Taler und 3 Groschen.

Die Schwägerin Schräders, Caroline Neumann, ein geistvolles Mädchen, das französisch sprach, besuchte den Präsidenten, um die Entlassung ihres Schwagers aus dem Gefängnis zu erbitten. Es wurde höflich empfangen, aber auch Schräder blieb inhaftiert.

In der Verhandlung, die französisch geführt wurde keiner der An­geklagten verstand diese Sprache, ging es insbesondere um die Fest­stellung, wer für den nicht mehr amtierenden Bürgermeister Steiniger die Polizeigeschäfte zu versehen hatte. Das war der Kämmerer Schulze, und ihm wurde daher der Vorwurf gemacht, er habe nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um den Raub des Geldes zu verhindern. Das war ein völlig unberechtigter Vorwurf, denn die Stadt besaß ja keinerlei Machtmittel. Selbst die wenigen Waffen der Gendarmen hatten dieSchillianer diesen sehr schnell abgenommen.

Mit dem Glockenschlag 4 trat ein Sergeant der Nassau- Usinger in die Wachstube und schickte die Besucher hinaus. Sie setzten sich auf die Bank vor der Türe des Kaufmanns Schwarz gegenüber dem Rathause und hoff­ten, daß ihre Freunde nun auch bald kommen würden und daß man ihre Freilassung gleich ein wenig feiern könne.

Der Bürgermeister Schräder berichtete über den weiteren Verlauf der Er­eignisse in seinem Tagebuch:Mit einem Male erschien der Rapporteur und Dolmetscher auf dem Flur der Hauptwache, wo wir zwischen dichte Glieder usingischer Soldaten gestellt, und uns das Urteil in französischer Sprache

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