Heft 
(1957) 5
Seite
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vom Rapporteur vorgelesen wurde. Nach der Verlesung sagte der Dol­metscher: ,Sie, Schräder und Krüger, sind freigesprochen und Sie, Schulze und Kersten, sind zum Tode verurteilt. Die Verurteilten haben das Urteil nicht verstanden und müssen wohl auch die Worte des Dolmetschers über­hört haben, sie gingen voller Zuversicht ab und meinten, man werde sie zu weiteren Verhandlungen nach Perleberg bringen.

Vor dem Rathause bildeten Nassau-Usinger ein großes Viereck, dahinter ritten Dragoner hin und her, und in den Straßen patroullierten weitere Infanteristen und trieben jeden, der sich sehen ließ, ins Haus zurück. Der Bäckermeister Balzer und der Ackerbürger Kohse waren für 3 Uhr mit Pferden und Wagen vor das Rathaus bestellt, man hatte ihnen gesagt, sie würden nach Perleberg fahren müssen. Jetzt ließ man Kohse seine Pferde noch vor Balzers Wagen spannen, auch er selber mußte sich mit auf diesen Wagen setzen.

Die Verurteilten wurden herausgeführt und stiegen ruhig auf den Wagen. Schulze hatte schon am Abend vorher nach seinem Mantel geschieht. Der Mantel war einem der Wachsoldaten übergeben worden, der Kämmerer hat ihn aber nie erhalten. Als der Sohn nun nochmals um den Mantel bat, lieh seine Mutter von der Frau des Bäckermeisters Schäfer einen anderen Mantel und eilte damit zum Marktplatz. Sie drängte sich durch die Reihe der Soldaten und wollte dem Sohne den Mantel geben, man stieß sie aber zurück mit den Worten:Er braucht keinen Mantel, er wird bald ganz warm zugedeckt. Dann fuhr der Wagen ab. Als man in die heutige Wilhelm-Pieck-Straße einbog, sah Schulze die drei nächtlichen Gesell­schafter vor dem Hause des Schwarz stehen, er stand auf, winkte mit dem Hute und rief:Kinder, lebt wohl!

Der Wagen verließ die Stadt durch das Hamburger Tor. Die jetzige Chaussee nach Hamburg gab es damals noch nicht, die Straße nach Perle­berg führte damals über Rüdow, sie ist heute noch als Feldweg erhalten. Man fuhr also die heutige Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft entlang. Nach einigen hundert Metern zwangen die Dragoner den Kutscher Balzer, rechts in einen Nebenweg einzubiegen, als er sich weigerte, schlug man ihm über den Kopf. Man war auf den sogenannten Teichstücken an­gekommen, einem Acker, den Schulze einem auswärts wohnenden Freufide gern abkaufen wollte.

Fortsetzung folgt

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