ULRICH KOMM, SPIEGELHAGEN
Auf neuen Fährten
Eine Betrachtung zur Erneuerung unserer Sprache
Mein Deutschlehrer sagte einmal zu meiner Mutter: „Nun ja, Ihr Sohn schreibt sehr gute Aufsätze, vor allem über selbstgewählte Themen, Erlebnisse, Beobachtungen, aber sonst —Dieses ,Sonst“ bezog sich auf die üblichen Analysen literarischer Werke, die wir in der Schule lasen. Aber darauf will ich nicht hinaus. Ich will nür sagen, daß mir das Niederschreiben der zuerst genannten Themen nicht sonderlich schwerfiel. Dann trat ich in meinen selbstgewählten Beruf und war von da ab mehr als zwanzig Jahre lang Förster und Jäger — und Soldat, bis es mich vor einigen Jahren wieder danach drängte zu schreiben. Ich erinnerte mich meiner guten Schulaufsätze über die „selbstgewählten Themen“ und begann.
Doch die ersten Versuche mißlangen kläglich. Warum? Ja, das habe ich mich auch gefragt. Hatte ich meine damaligen Fähigkeiten inzwischen verloren? Oder hatte das gar nicht gestimmt, was der Deutschlehrer damals sagte? Das letztere glaubte ich nicht. Leider besitze ich heute keinen mehr von meinen angeblich so guten Schulaufsätzen, aber wahrscheinlich hatte ich damals urtümlicher geschrieben, Ausdrücke verwandt, die ich den Gesprächen meines Vaters, des Großvaters und der anderen Verwandten abgelauscht hatte, die sämtlich Förster und Jäger waren und bei ihren Erzählungen auf alles andere aus waren, nur nicht auf eine „Literatursprache“. Nach dieser Erkenntnis begann für mich ein ununterbrochenes Ringen mit dem so widerspenstig gewordenen Werkstoff des künstlerischen Schaffens und der dichterischen Aussage, der Sprache.
Mit großem Interesse las ich daher Günter E b e r t s Beitrag „Zum Sprachstil Erwin Strittmatters“ in Nummer 1/56 der „Neuen Deutschen Literatur“, und ich muß Günter Ebert recht geben, wenn er dort sagt: „Die Sprache einer jungen Welt wächst mit dem Wort im eigentlichen Sinne: dem Verbum“. Wie sehr die Sprache mit dem Verbum wachsen kann, zeigt uns ja Erwin Strittmatter in geradezu frappierender Weise, wobei er, wie Günter Ebert sagt, „zum sprachlichen Fundament zurückgräbt“ und „mit dem Einfachen, Ursprünglichen, Naturverbundenen zaubert“.
Nachdem ich Günter Eberts Artikel einigermaßen verdaut hatte, unternahm ich folgendes Experiment:
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