Heft 
(1957) 6
Seite
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ULRICH KOMM, SPIEGELHAGEN

Auf neuen Fährten

Eine Betrachtung zur Erneuerung unserer Sprache

Mein Deutschlehrer sagte einmal zu meiner Mutter:Nun ja, Ihr Sohn schreibt sehr gute Aufsätze, vor allem über selbstgewählte Themen, Er­lebnisse, Beobachtungen, aber sonstDieses ,Sonst bezog sich auf die üblichen Analysen literarischer Werke, die wir in der Schule lasen. Aber darauf will ich nicht hinaus. Ich will nür sagen, daß mir das Niederschrei­ben der zuerst genannten Themen nicht sonderlich schwerfiel. Dann trat ich in meinen selbstgewählten Beruf und war von da ab mehr als zwanzig Jahre lang Förster und Jäger und Soldat, bis es mich vor einigen Jahren wieder danach drängte zu schreiben. Ich erinnerte mich meiner guten Schulaufsätze über dieselbstgewählten Themen und begann.

Doch die ersten Versuche mißlangen kläglich. Warum? Ja, das habe ich mich auch gefragt. Hatte ich meine damaligen Fähigkeiten inzwischen ver­loren? Oder hatte das gar nicht gestimmt, was der Deutschlehrer damals sagte? Das letztere glaubte ich nicht. Leider besitze ich heute keinen mehr von meinen angeblich so guten Schulaufsätzen, aber wahrscheinlich hatte ich damals urtümlicher geschrieben, Ausdrücke verwandt, die ich den Ge­sprächen meines Vaters, des Großvaters und der anderen Verwandten ab­gelauscht hatte, die sämtlich Förster und Jäger waren und bei ihren Er­zählungen auf alles andere aus waren, nur nicht auf eineLiteratur­sprache. Nach dieser Erkenntnis begann für mich ein ununterbrochenes Ringen mit dem so widerspenstig gewordenen Werkstoff des künstlerischen Schaffens und der dichterischen Aussage, der Sprache.

Mit großem Interesse las ich daher Günter E b e r t s BeitragZum Sprach­stil Erwin Strittmatters in Nummer 1/56 derNeuen Deutschen Literatur, und ich muß Günter Ebert recht geben, wenn er dort sagt:Die Sprache einer jungen Welt wächst mit dem Wort im eigentlichen Sinne: dem Ver­bum. Wie sehr die Sprache mit dem Verbum wachsen kann, zeigt uns ja Erwin Strittmatter in geradezu frappierender Weise, wobei er, wie Günter Ebert sagt,zum sprachlichen Fundament zurückgräbt undmit dem Ein­fachen, Ursprünglichen, Naturverbundenen zaubert.

Nachdem ich Günter Eberts Artikel einigermaßen verdaut hatte, unter­nahm ich folgendes Experiment:

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