Ich zählte zunächst die Zahl der Verben auf meinen Manuskriptseiten nach und verglich mit Erwin Strittmatter. Das Ergebnis? Ich hatte Strittmatter gar nicht so selten noch um etliche Verben überflügelt. Zahlenmäßig! Doch als ich meine so überaus stattliche Strecke überschaute und wiederum mit Erwin Strittmatter verglich, da mußte ich neidlos anerkennen, daß am Ende dieses großen Jagens nicht ich der Jagdkönig war, sondern er. Wohl hatte ich neben zahlreichen Hasen und Karnickeln auch gar manchen Bock geschossen, aber Erwins Strecke zierten neben einigen unscheinbar grauen Hasen etliche kapitale Hirsche und wehrhafte Keiler, rotröckige Füchse und buntschillernde Fasanen, blauköpfige Wilderpel und vor allem manch seltsames Getier, das mir zwar auch da und dort auf meiner Pürsch begegnet war, das ich jedoch nicht zu erlegen gewagt hatte, weil ich es nicht für „jagdbar“ hielt. Das aber waren nun gerade die besonderen Glanzstücke seiner reichen Beute. Wo hatte er sie her? Nun, ich sagte schon, auch ich hatte schon dann und wann ihre Fährte gekreuzt. Nur hatte ich den Schuß nicht gewagt. Erwin aber tat es, und ich glaube, wir alle sollten es ihm darin nachtun, sollten zurückgraben zum sprachlichen Fundament, um, „von diesen Quellen gestärkt, dem entkräfteten Sprachleben Impulse zuzusetzen“, wie Günter Ebert sagt.
Wenn wir uns nun fragen, welches diese Quellen sind, die unserem entkräfteten Sprachleben neue Impulse zuzusetzen vermögen, die es uns ermöglichen, unsere Sprache reicher, anschaulicher, bildhafter und farbiger zu machen, dann werden wir durch Goethe auf die Sprache des Volkes hiegewiesen, der diese Sprache sehr kühn in seinen „Götz von Berlichingen“ hineinnahm. Bekanntlich sagte auch Luther in seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“, man solle „den Menschen auf dem Markt aufs Maul sehen“, und Jean Paul schreibt in der „Vorschule der Ästhetik“:
„Unsere Sprache schwimmt in einer so schönen Fülle, daß sie bloß sich selber auszuschöpfen und ihre Schöpferwerke nur in drei reiche Adern zu senken braucht, nämlich der verschiedenen Provinzen, der alten Zeit und der sinnlichen Handwerkssprache.“
Von einer dieser Adern möchte ich sprechen, von der Handwerkssprache, die uns sicherlich einen reichen sprachlichen Vorrat anzubieten hat. Nun sind mir nicht alle Handwerkssprachen gleichermaßen geläufig, daß ich aus jeder genügend Beispiele anzuführen vermag, um zu zeigen, wie unerschöpflich der Quell ist, aus dem unsere Sprache sich immer wieder auffrischen kann und muß. Ich will mich daher auf die mir geläufigste beschränken, die Weidmannssprache, die mit ihren fast 2000 Ausdrücken noch weit reicher ist als beispielsweise die Seemanns- oder die Bergmannssprache, und die mir daher beonders geeignet erscheint, unsere so jämmerlich verarmte Sprache zu bereichern, da sie so überaus plastisch und bilderreich ist.
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