Zwar wird sich nicht jeder Ausdruck der Weidmannssprache (wie auch anderer Handwerkssprachen) willig in unsere Umgangssprache einfügen oder übernehmen lassen, doch gibt es andererseits eine so große Zahl von Ausdrücken aus allen Handwerkssprachen, die schon längst zu unserem allgemeinen Sprachschatz gehören, wie zum Beispiel der aus der Bergmannssprache stammende Ausdrück „schürfen“; Wieviel „tiefschürfende“ Untersuchungen stellen wir doch dauernd an. Laßt mich nun also aus der Weidmannssprache einiges herausschürfen, das ich des Herausschürfens für die Sprachbereicherung für Wert erachte, ohne dabei auch nur annähernd erschöpfend sein zu können oder zu wollen.
Daß nicht nur Hirsche „durch die Lappen“- gehen können, dürfte wohl bereits hinlänglich bekannt sein. Diese „Lappen“ sind an lange Schnüre geknüpfte bunte Fähnchen, mit denen man früher Waldteile „einlappte“, damit das Wild, vor diesen flatternden Fähnchen zurückschreckend, den betreffenden Revierteil nicht verließ. Dennoch ist es immer wieder geschehen, daß das Wild diese Lappen nicht respektierte und dann eben „durch die Lappen“ ging, wobei es „flüchtig wurde“, Gräben und Zäune „überfiel“ oder „überfloh“. In dem panischen Schrecken, der dabei besonders „krankgeschossenes“ Wild ergriff, konnte es auch Vorkommen, daß es auf seiner Flucht Bäume und dergleichen „anfloh“. Häufig flüchtet das Wild auch, wenn es vom Jäger „Wind bekommt“, ein Ausdruck, der ebenfalls bereits allgemein gebräuchlich geworden ist. Ist das Wild solchermaßen über Berg und Tal davon, so kann man wohl getrost die Jagd „abblasen“, wie es hin und wieder auch mit anderen Veranstaltungen geschehen soll, wenn zum Beispiel der Referent nicht erschienen ist.
Oder ein anderes Beispiel: Ein Vogel fliegt fort. Welche Möglichkeiten bietet uns nun die Weidmannssprache, um diesen einfachen Vorgang zu schildern? Der Jäger kann zum Beispiel sagen: Von einem Gewässer „stehen die Enten auf“ oder aus einem Rübenschlag die Rebhühner. Größere Vögel, wie Adler, Birk- und Auerhähne, Reiher usw., „streichen ab“, „reiten ab“ oder „schwingen sich aus“, letzteres, wenn sie auf Bäumen „gefußt“ hatten. Fliegt ein Vogel fort, ohne an seinen gewohnten Aufenthaltsort zurückzukehren, so „verstreicht“ er. Tut er es schließlich doch, dann „schwingt er sich ein“, der Auerhahn „steigt zu Baume“ oder „tritt zu Baume“, Raubvögel „haken auf“ (ein sehr treffender Ausdruck, wenn man an die scharfen „Fänge“ denkt), Enten und Rebhühner „fallen ein“. Läßt sich ein Raubvogel jedoch nicht auf einem Baume sondern auf Fels und Stein nieder, dann sagt der Weidmann, er „blockt auf“.
Sind dies nicht alles recht bildhafte Ausdrücke, die durchaus nicht nur von Jägern verwandt zu werden brauchen? Nehmen wir aber weitere Bewegungsarten des Wildes. Wenn das Wild, meinethalben ein Rudel Hirsche oder eine Rotte Schwarzwild, von seinen Äsungsplätzen auf den Feldern wieder in den Wald „zurückwechselt“, sagt der Jäger, es „zieht zu Holze“.
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