Aber warum sollen nicht auch Bauern, Waldarbeiter oder Förster „zu Holze ziehen“, wenn sie dort zu tun haben? Warum soll nur der gesunde, kräftige Hirsch „gut auf den Läufen“ sein und nicht auch der alte Krause von gegenüber, der erst kürzlich seinen neunzigsten Geburtstag gefeiert hat und immer noch recht rüstig ist, also noch ganz „gut auf den Läufen“? Oder ist er doch schon etwas „lauflahm“?
Wer von uns hat nicht schon die Spur eines Fuchses im frischgefallenen Schnee (bei der „Neue“) gesehen, deren einzelne Tritte sich wie auf eine Schnur gezogen aneinanderreihen? Ja, der Fuchs „schnürte“ dort entlang. Anderes Wild, dessen einzelne „Trittsiegel“ mehr oder weniger von einer gedachten Mittellinie nach links und rechts abweichen, „schränkt“ mehr oder weniger stark, was meist von der Schwere des Wildkörpers abhängt. Ein Gewässer „durchrinnt“ der Hirsch, das Reh, die Sau und alles andere Wild, das „Schalen“ an den „Läufen“ hat. Und wenn das Wild sich zur Ruhe niederlegt, dann „tut es sich nieder“, die Sau „schiebt sich ein“ in einen Kessel oder ein Lager. Ist für das Wild jedoch Gefahr im Verzüge, dann „wird es hoch“, es „sichert“, „wirft auf“ oder „verhofft“ im Weiterschreiten, der Hase „fährt aus der Sasse“ und „schlägt Haken“, um seinen bedrohten Balg zu retten, der Fuchs „fährt ein“ in seinen Bau, und der Dachs „verklüftet sich“ dort, wenn ihn die Dackel bedrängen, der Marder „holzt auf“ und „bäumt weiter“, Rehe „springen ab“ und „schrecken“ dabei, womit ich bereits bei den Lautäußerungen des Wildes angelangt bin.
Wenn balzende Birkhähne „kullern“, warum nicht auch der Truthahn? Wenn der im Eisen festsitzende oder ausweglos in die Enge getriebene Fuchs böse „keckert“, warum sollte man diesen Ausdruck nicht auch auf eine ähnliche Lautäußerung eines Menschen übertragen können, etwa auf ein boshaftes Gekicher, woher der Ausdruck zweifelsohne abgeleitet ist. Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Tätigkeit des Weidmannes. Er „hängt einer Fährte nach“, wenn er dem Hunde an der langen Leine folgt, und er „schnallt“ den Hund, wenn er ihn frei suchen oder hetzen läßt. Der Jäger „vergrämt“ das Wild, wenn er ^ich unvorsichtig oder ungeschickt benimmt und dadurch das Wild verscheucht. Nun, wie oft wurde nicht auch ein Mensch durch ein entsprechendes Verhalten seiner Mitmenschen „vergrämt“. Und wer hätte nicht schon selbst einmal „einer Fährte nachgehangen“, vor allem wir Schriftsteller, wenn wir ein Wort, einen Ausdruck, ein Bild suchten?
Abschließend noch einige Beispiele, die die besondere Schönheit der Weidmannssprache wie auch die große Liebe des Weidmannes zu aller lebenden Kreatur deutlich machen. Der Jäger kennt kein Maul und keine Schnauze, sondern einen „Fang“, ein „Geäse“ oder selbst beim Wildschwein ein „Gebrech“. Der Hirsch säuft auch nicht, sondern „schöpft“. Ja, selbst für die unaussprechlichsten Tätigkeiten des Tieres hat der Weidmann noch weit appetitlichere Bezeichnungen als sie mancher Mensch sogar auf seine Mit-
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