Heft 
(1926) 3/4
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wohlerhalteneHolsteinische Nadel" gefertigt, deren massiver, konischer Kopf mit feinen Horizontalriefen geziert ist (Abb. 8). Den Namen hat dieser Nadel­typus daher, daß er in Holstein in großer Zahl gefunden ist und man dort seinen allmählichen Werdegang verfolgen kann. Und schließlich seien noch die Reste eines Kettchens erwähnt, dessen Glieder zum Teil ans Eisen, zum Teil aus Bronze bestehen (Abb. 7).

Zeitstellung. Die Beigaben erweisen eindeutig, daß das Urnenfeld der entwickelten Eisenzeit angehört. Die Formen der Fibeln, die Gürtelhaken und andere Fundstücke sind charakteristisch für die lluTene-Periode, die nach dem keltischen Fundplatzlla Vene" am Neuenburger See benannt ist und noch vor Ehristi Geburt liegt. Es ist eine Zeit, in der das Volkstum der Kelten, die damals auch in Süddeutschland wohnten, eine eigenartige Blütezeit erlebt und auf dem Gebiete der Kunst und des Handwerks anregend auf andere Völker gewirkt hat. Auch die Fibeln und der Halsring von Pritzwalk gehen, wenn man ihren Entwicklungsgang verfolgt, letzten Endes auf Formen des keltischen Knlturkreises zurück. Eine nähere Zeitbestimmung erlaubt uns der Vergleich mit anderen norddeutschen Friedhöfen. In der Provinz Brandenburg ist frei­lich die vorchristliche Eisenzeit leider noch nicht Gegenstand einer umfassenden und eingehenden Untersuchung geworden, sodaß wir kein chronologisches System besitzen, in das wir die Pritzwalker Funde einordnen könnten. Doch andere Landschaften sind schon besser bearbeitet. So hat Schmantes*) die osthannöver- schen Friedhöfe der vorrömischen Eisenzeit (800 vor Christus bis Christi Geburt) ans ihre Zeitstellung hin eingehend untersucht und vier Perioden in ihrer Ent­wicklung beobachten können, die er nach charakteristischen Fundorten als Wessen­stedt-Stufe, Jastorf-Stufe, Ripdorf-Stufe und Seedorf-Stuse bezeichnet. In der Jastorf-Stufe stellt er drei Stadien fest, welche er Jastorf a, b und c nennt. Nun gleichen von den Pritzwalker Funden sowohl die Urnen wie die Beigaben den osthannöverschen Friedhöfen der Ripdorf-Stufe bis in die Einzelheiten hin­ein. Solche übereinstiminenden Typen sind die Ripdorfer Terrine, das hohe, bauchige Gefäß mit zwei Henkeln und enger Mündung, der gewulstete Halsring, der Gürtelhaken mit Haftarmen, die Fibeln vom Mittel-llatene-Schema und auch die Holsteinische Nadel. Die hohen Gefäße, die unter dem engen Rande einen Wulst oder schmalen, abgesetzten Streifen haben, weisen noch aus den vor­hergehenden Abschnitt, die Stufe Jastorf c. Nach den Forschungen von Schmantes gehört die Stufe Jastorf c in das 4. vorchristliche Jahrhundert, die Ripdorfer Stufe in die Zeit zwischen 300 und 150 vor Christus. Das Pritzwalker Urnen­feld ist demnach vom 4. bis zum 2. vorchristlichen Jahrhundert benutzt worden (rund 400 -160 vor Ehr.).

Volkszugehörigkeit. Oben wurde schon angedentet, daß die einzelnen Völker der Vorzeit sich durch die Art und den Inhalt ihrer Friedhöfe von ein­ander unterscheiden und somit auf Grund geschlossener Formengruppen Schlüsse ans die Verbreitung und Wohnsitze der vorgeschichtlichen Völker und Stämme gezogen werden können. So ist auch für unser Pritzwalker Urnenfeld die Frage zu erörtern, welches Volk, oder gar welcher Stamm hier seine Toten bestattet hat. Die Frage nach der Volkszugehörigkeit ist leicht beantwortet. Es ist ja durch historische Quellen bezeugt, daß Norddeutschland in den ersten Jahr­hunderten nach Christi Geburt von germanischen Stämmen bewohnt war. Anderer­seits kann als gesichertes Ergebnis der Bodenforschung gelten, daß schon viele Jahrhunderte vorher die Vorfahren der historisch bezeugten Germanen etwa das gleiche Gebiet inne gehabt haben. Da das Pritzwalker Urnenfeld sich völlig in den Rahmen der andern norddeutschen Friedhöfe einfügt, ist es als germanisch zu betrachten. Und in dein germanischen Kulturkreise gehört es einer Gruppe von Urnenfeldern an, die sich von den andern (etwa in Ostdeutschland) durch die Formen der Urnen und Beigaben deutlich scheidet und das Siedlungsgebiet eines Stammesverbandes erkennen läßt, welcher seinen Schwerpunkt an der unteren Elbe hat. Knorr, der die holsteinischen Friedhöfe dieser Zeit untersucht hat,

*) Gustav Schantes, Die ältesten Urnenfriedhöfe bei Uelzen und Lüneburg, Hannover 1911.