Heft 
(1930) 1
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sorgfältig zusammengelegt und es an dieselbe Stelle getan. Dann wurde es 1911 von P aul Quente, dem Gründer des Heimatmuseums Heiligengrabe dort gefunden und in seiner Bedeutung erkannt. Auf seinen Bericht hin, erwarb es die Aebtissin von Rohr für das Heimatmuseum, leider in einem etwas schadhaften Zustand, der sich durch die ungenügende Aufbewahrung an dem genannten Ort erklärt.

Mit Sicherheit ist anzunehmen, daß die kostbare Arbeit damit an ihren Ursprungsort zurückgekehrt ist. Das Kloster Heiligengrabe ist im Jahre 1287 gegründet und bald, zur Pflege des Heiligtumes der geraubten Hostie, mit Nonnen des Klosters Neuendorf aus der Altmark besetzt worden. Von der alten Heimat werden die Frauen ihre Kunstfertigkeit mitgebracht und in das Neuland verpflanzt haben. Diese in farbiger Seide auf Leinen gestickten Antependien sind rein niederdeutscher Natur, im Westen und Süden Deutschlands kennt mau sie nicht. Wo war die Hauptpflegestätte dieser Kunstübung? Wer waren die Künstler, die die Modeln, nach denen gestickt wurde, zeichneten? Welche Einflüsse machten sich geltend? Wann war die Haupt­blütezeit dieser Nadelarbeit? Das alles sind Fragen, über welche die Kunstgeschichte bisher wohl noch nicht genügend Auf­schlüsse gegeben hat, und doch verdient die schlichte und innige Erzählerkunst dieser Stücke eingehende Beachtung.

Von dem Heiligengraber Hungertuch dürfen wir vermuten, daß seine Entstehung nicht vor den Anfang des 14. Jahrhunderts fällt. Breitenfeld, das schon 1396 in den Besitz des Klosters kam, mag zu seinen ersten Patronaten gehört haben. Noch war in dem neugegründeten Kloster die erste Liebe lebendig und so wurde dem neuen Besitz ein besonders kostbares Stück bestimmt. Viele Jahre mögen über der mühsamen Arbeit hin­gegangen sein. Nicht alle Teile sind gleichwertig: gewandte und weniger geschickte Hände haben daran gearbeitet. Manchmal tritt die vom Künstler gelieferte Borzeichnung mit überraschender Lieblichkeit in Erscheinung. Man betrachte beispielsweise die Gestalt der Maria Magdalena vor dem Auferstandeneu. Dann wieder kommen groteske Zeichnungen heraus, wie das Profil des zweiten Königs in der Anbetung. Alle Gestalten sind mit weiten, schweren Gewändern umhüllt. Das war zweifellos eine große Erleichterung für die Stickerinnen, denn so brauchten nur Füße und Hände bewegter gegeben zu werden.

Die Behandlung eben dieser Gewänder ist mm fast das Interessanteste au der ganzen, reichen Arbeit. Sie sind durchweg groß gemustert. Diese Musterung ist für die zeitliche Bestim­mung nicht unwichtig. In dem Bruchstück einer Leinenstickerei