Heft 
(1930) 1
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schon vor Jahrtausenden waren dort Stadtkulturen erblüht, wo man Schätze anhäufte, Reichtümer sammelte, die heute, wenn wir sie ausgraben, unser Erstaunen Hervorrufen. In unserer Heimat dagegen wohnte zu dieser Zeit ein urwüchsiges Bauern­volk, das vor 6000 Jahren bereits in seinem Kunstgewerbe einen ausgezeichneten Geschmack und Feinheiten zeigte, nur daß die Kleinfunde dieser Bauernkulturen nach außen nicht dieses Aufsehen erregen können. Was waren doch die letzten Sensa­tionen aus Mesopotamien? Von dort kamen Nachrichten über Ausgrabungen in der Heimatstadt Abrahams, nämlich Ur in Chaldäa, bei denen sich der Beweis fand, daß vor nicht ganz 0000 Jahren über Mesopotamien eine gigantische Naturkata­strophe hereingebrochen war in Form einer riesigen Ueber- schwemmung, deren Ursache zwar unbekannt, deren Wirkung aber ungeheuerlich gewesen sein muß, denn die Schwemmschichten sind überall nieterdick. Im engen Kreise der Gelehrten erregten besonders Aufsehen aber andere Dinge, so vor allein die Dar­stellungen von Streitwagen mit Maultieren bespannt. Das Maultier ist ein Züchtungsprodukt aus Esel und Pferd, das sich selbst nicht fortpflanzt. Es wurde aus dem Norden durch Händler nach Mesopotamien importiert, ein Fingerzeig, daß vielleicht auch der Wagen selbst von außerhalb zu den Sumerern, den.Vorfahren der Babylonier, gekommen war oder von diesen selbst mit nach dort bei der Wanderung in die neue Heimat gebracht worden ist, nach der sie in der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Ehr. zugewandert waren.

In Deutschland arbeitet die Ausgrabungswissenschaft völlig im Stillen, so daß ihre Ergebnisse nicht viel von der Oeffent- lichkeit beachtet werden. Darum staunt man, zu hören, daß wir in Deutschland Darstellungen von Wagen gefunden haben, die im Alter denen in Mesopotamien nicht nur nachstehen, sondern wahrscheinlich sogar älter sind, jedenfalls mindestens ein Alter von 5000 Jahren aufweisen. Man kann fragen, ist dies denn so wichtig? Nun, vergessen Sie nicht, welche Bedeutung der Wagen durch die Umwandlung zum Automobil auch die Tat Deutscher heute genommen hat. Beinahe eine neue Epoche des Weltverkehrs hat dies hervorgerufen, um so größer unser Interesse nach der Vorstufe des Automobils, dem Wagen selbst. Wie in vielen für die Kultur ausschlaggebenden Erfindungen hat die Menschheit Jahrtausende an ihnen geformt und geschaffen, und rückblickend werden wir bescheidener, denn wir staunen über die Leistungen unserer Vorfahren aus der Steinzeit oder Bronze­zeit, Leistungen, die wir im Zeitalter der Technik gar zu gern vergessen möchten.