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Landschaftliche Zeugnisse aus der Erdgeschichte der Prignitz.
Von Professor Dr. Z. Solger.
Die Erdgeschichte ist noch eine junge Wissenschaft, und es ist uns noch kaum zuni inneren Besitztum geworden, das; es sich wirklich um geschichtliche Vorgänge handelt, wenn wir von der Eiszeit, der voraufgehenden Braunkohlenzelt, von der Kreideformation oder noch älteren Zeiten sprechen. Wenn wir aber der Heimat gerecht werden wollen, wenn wir uns bewusst werden wollen, welche unabsehbaren Drangsale und Kämpfe des Lebens schließlich die Bedingungen geschaffen haben, unter denen wir uns heute entwickeln, dann müssen wir unser Geschichtsbild in die Vergangenheit hinein ganz außerordentlich erweitern. Die schriftlichen Urkunden führen uns nur wenige Jahrtausende zurück. Die vorgeschichtlichen Ausgrabungen haben uns eine andere Art von Urkunden kennen und lesen gelehrt, die Spuren der Kultur unserer Vorväter, die schon um etliche Jahrtausend weiter in die Vergangenheit zurückreichen. Wollen wir noch weiter rückwärts blicken, dann müssen wir uns mit einer dritten Art von Urkunden beschäftigen, die zu entziffern die Aufgabe des Geologen ist. Die Steine unseres Bodens, die Lagerung seiner Schichten, die darin enthaltenen Spuren früheren Lebens und endlich auch die formen unserer Berge und Täler fangen dann an, eine lebendige Sprache zu sprechen. Von dieser Sprache und dem ganzen Kreise der Ereignisse, von denen sie uns Kunde gibt, wollen wir uns zuerst dadurch eine Anschauung zu bilden suchen, daß wir uns fragen, welche Vorgänge der Gegenwart sich in Bodenschichten und Bodenformen widerspiegeln. Wo entstehen heute in der Heimat neue Bodenformen oder neue Bodenschichten und welche Kräfte sind daran beteiligt?
An der Meeresküste würde uns die Antwort nicht schwer werden. Denn fast jede Sturmflut bricht z. B. an der deutschen Ostseeküste Teile des Ufers herab und schafft dadurch neue Geländeformen. In den ruhigeren Zwischenzeiten aber tragen die Wellen des Meeres den Strandsand Schritt für Schritt weiter und bauen dort, wo sie ihn schließlich als flache Nehrung zur Ruhe kommen lassen, neue Bodenschichten auf. Noch sichtbarer ist dort die Arbeit des Windes, der den Sand vom kahlen Strande ans landeinwärts weht und unter der Mitwirkung der Dünengräser zu Mugsandhügeln aufhäuft. So leicht wird uns die Beobachtung in der Prignitz nicht gemacht. Der Wind ist überall dort außerstande den Boden fortzuwehen, wo die