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darunter strömenden Wassers gehalten worden wäre. In jedem Winter mußte aber dieser Schmelzwasserstrom versiegen oder doch Nachlassen, weil kein neues Schmelzwasser sich bildete. Dann hätte die Eisdecke einbrechen müssen, und die Röhrenform war zerstört. Die Seenkette müßte also als das Werk eines einzigen Sommers aufgefaßt werden, oder man müßte annehmen, daß in jedem Jahre wieder an der gleichen Stelle ein neuer Schmelzwasserlauf unter dem Eise entstand.
Unter einer Eisbedeckung bieten sich aber auch noch andere Möglichkeiten zur Entstehung wannen- und rinnenförmiger Bodenformen, die nach den: Forttauen der Eisdecke sich mit Wasser füllen und Seen bilden konnten. Wie ein Wasserstrom, so kann auch der Eisstrom des Gletschers aus seinein Untergründe Teile losreißen und fortführen. Dann trägt er die Formen des Bodens an solchen Stellen allmählich ab. Tut das ein Fluß, dann ebnet er dabei daS Gelände ein; denn er räumt die hoch liegenden Teile weg, kann sich aber in die tief liegenden Teile nicht eingraben — aus denselben Gründen, aus denen der See im Zuge eines Flußlauses zuge- geschüttet wurde. Diese Einebnung braucht aber nicht stattzufinden, wenn die Abtragung durch einen Eisstrom erfolgt. Das Eis ist so steif, daß es sich auch durch eine flache Vertiefung des Bodens mit gleichbleibender Strömung hindurchdrückt und beim Aufsteigen aus der Vertiefung seine Transportkraft beibehält. So kann es eine Bodensenkung noch weiter austiefen, wenn nur der Boden an dieser Stelle nachgiebiger oder die Eisströmung stärker ist, als in der Umgebung. Vertiefungen, die auf diese Weise entstehen oder sich verstärkeil, werden im allgemeinen ihre Längserstrecknng in der Richtung der Eisströmung haben. Sie können aber auch vorgezeichnet sein durch Linien, auf denen voraufgehende gebirgsbildende Bewegungen den Untergrund stärker erschüttert und dadurch nachgiebiger gemacht haben. Dann würden sich in den Seenketten entweder alte Strömungsrichtungen des Gletschers ausprägen oder ein tektonisches Gefüge des Bodens, das durch die Eiswirkung stärker herausgearbeitet wäre, während es in dem unvereisten Gelände weiter im SW durch Verwehungen und Verschwennmmgen verblaßt wäre.
Die Frage nach der Entstehung unserer Seenrinnen ist also im einzelnen noch keineswegs gelöst, umsomehr als schließlich noch eine dritte Form von Unebenheiten durch die Eisströmung geschaffen werden kann, die sogen. Stauchungserscheinungen. Der Gletscher, der sich über den Boden hinwegbewegt, zieht gleichsam den ganzen Untergrund mit sich, und wenn dieser nachgiebig genug ist, dann kann er langsam in der