Heft 
(2020) 27
Seite
58
Einzelbild herunterladen

58

schwer zugängliche Vorkommen führte dazu, dass diese Kleineule lange zu den unbekanntesten heimi­schen Vögeln zählte. Obgleich es im 19. Jahrhundert Hinweise auf Bruten in den Kammlagen von Erzge­birge und Thüringer Wald gab, gelang die Wieder­entdeckung des ausgesprochen heimlichen Vogels in den ostdeutschen Mittelgebirgen erst zu Beginn der 1970er Jahre( SCHÖNN 1980). Im norddeutschen Tiefland lagen nur unsichere Meldungen aus der Lüneburger Heide vor, in Westpolen fehlte die Art komplett. Außerhalb der polnischen Gebirge im Sü­den war der Sperlingskauz lediglich im Nordosten ( Białowieża Urwald, vielleicht auch Masuren) selte­ner Brutvogel( TOMIAŁOJĆ 1990). Für Europa postu­lierte man eine weitgehende Übereinstimmung mit den Arealen der Fichte Picea abies( SCHERZINGER in GLUTZ VON BLOTZHEIM& BAUER 1980). Voous( 1962) be­zeichnet den Sperlingskauz neben dem Raufuẞkauz Aegolius funereus als Taigaelement des sibirisch­kanadischen Faunentyps mit nacheiszeitlichen Re­likten in den mitteleuropäischen Gebirgen.

Zu Beginn der 1970er Jahre bezifferte SCHIEMENZ ( 1972) den ostdeutschen Bestand auf höchstens fünf bis acht Paare. Intensive Nachsuche ergab später, dass der kleine Kauz in den borealen Fichtenwäldern häufiger als anfangs angenommen war( MÖCKEL& MÖCKEL 1980, WIESNER et al. 1991). An ein Vorkom­men im nordostdeutschen Tiefland wagte dennoch keiner zu denken( SAEMANN 1977, NICOLAI 1993). Wie beim Raufuẞkauz, einem weiteren boreo- alpinen Faunenelement, beschränkten sich die ermittelten Vorkommen ausnahmslos auf die Mittelgebirge mit den Schwerpunkten im Elbsandsteingebirge, Erzge­birge, Vogtland, Thüringer Schiefergebirge und Thü­ringer Wald.

In RUTSCHKE( 1983) fehlt die Art für Branden­burg, obgleich es einen älteren Hinweis auf Bruten des Sperlingskauzes gab. Die Angabe von STENGEL ( 1877): ,, Der Zwergkauz( Strix passerina- Strix pyg­maea) ist wahrscheinlich übersehen und nicht be­obachtet worden. Im Forstbezirk Wunder bei Baruth horstet alljährlich ein Pärchen. Es legt sechs Eier.", wurde von SCHALOW( 1919) als erdichtete Mitteilung ohne jeden Wert" abgetan.

Die kurze Notiz lässt heute keine nachträgliche Überprüfung zu, ob es sich bei dem aufgeführten Zwergkauz" tatsächlich um den Sperlingskauz( Abb. 1) oder um den Raufußkauz handelte. Letztgenannte

Otis 27( 2020)

Art fehlt in STENGELS Zusammenstellung der bei Zos­sen beobachteten Vogelarten, zählt heute jedoch zu den zwar seltenen, aber regelmäßigen Brutvögeln im südlichen Brandenburg( MÖCKEL& RADEN 2018).

In Brandenburg gelang im Herbst 1994 der Erstnachweis des Sperlingskauzes( MÖCKEL& ILLIG 1995). Im Frühjahr 1996 wurde die erste Brut in der Rochauer Heide bei Luckau gefunden( MÖCKEL& IL­LIG 1997). Dies war der Anlass für eine langjährige Studie. Sie erfolgte in den ausgedehnten Waldungen der Niederlausitz von 1995 bis 2020( 26 Jahre). Un­tersucht wurden Fragen zu Verbreitung, Häufigkeit und Habitatbindung.

2

2.1

Methode

Kontrollfläche in der Rochauer Heide

Die Verfasser begannen mit Unterstützung des Biolo­gischen Arbeitskreises Luckau im Februar 1995 mit den Erhebungen in der Rochauer Heide, dem östli­chen Teil des Forstes Hohenbucko. Die Einsätze zur Bestandsermittlung beschränkten sich zunächst auf eine 2.830 ha große Kontrollfläche. Dazu dienten von Februar bis März jährlich vier Gruppeneinsätze zum Verhören der singenden Männchen. Dies geschah bei ruhigem, niederschlagsfreiem Winterwetter zeit­gleich durch sechs bis zehn Personen. Diese bezogen kurz vor Sonnenuntergang einzeln ihre Positionen. Dies waren höhlenreiche Althölzer der Kiefer Pi­nus sylvestris und Traubeneiche Quercus petraea. Schwerpunkt bildeten dabei die aus den Vorjahren bekannten Reviere der Art. Die Anzahl der beteilig­ten Personen reichte nicht aus, um bei einem Einsatz alle Erfolg versprechenden Bereiche gleichzeitig zu besetzen. Nach der Bestätigung eines Reviers wurde es in der betreffenden Saison nicht mehr aufgesucht, sondern noch ,, unklare" Abschnitte kontrolliert. Zu­weilen gelang es einem Beobachter, an einem Abend durch Wechsel noch ein weiteres Revier zu bestäti­gen. Wurde bis zum Abbruch des Einsatzes gegen 20.00 Uhr kein Männchen gehört, kam es an diesem Standort noch an mindestens einem weiteren Abend, meist sogar an zwei Abenden zu Nachkontrollen. Wurde immer noch kein Sperlingskauz bemerkt, galt das Revier im betreffenden Jahr als unbesetzt. Um eine Verfälschung der Revierverteilung zu Beginn der Brutzeit zu vermeiden, wurde zunächst keine Klangattrappe eingesetzt.