Langgemach& Dürr:„Doppelhorstbäume“ im Havelland 115 noch nicht flüggen Geschwisters,der etwa 14 Tage zuvor, das heißt um den 11. Juli abgestürzt war.Am Boden wurde er von den Eltern nicht mehr versorgt und verhungerte letztlich. Der Zeitpunkt des Flüggewerdens der Jungvögel fiel etwa auf den 19. Juli. Bei einer Nestlingszeit von ca. 48 Tagen lag der Schlupfbeginn um den 2. Juni. Nimmt man eine Bebrütungsdauer von 31 Tagen an( O rtlieb 1989), fiel der Legebeginn zwischen den 30.April und 2.Mai, Das bedeutet,dass der Nestbau der Rotmilane vermutlich in der 3.Aprildekade begonnen hatte. Zu dieser Zeit befanden sich im Kolkrabenhorst definitiv Nestlinge. Der gefundene Jungrabe war zwischen dem 22. und 26. Mai gestorben und wäre ohne Handicap zwischen dem 13. und 17. Mai ausgeflogen. Bei einer Nestlingszeit von etwa 40 Tagen fällt der Schlupf zwischen den 4. und 8.April. Die jungen Raben waren ca. 2 Wochen alt, als die Milane drei Meter schräg unter ihnen ihren neuen Horst errichteten. Beide Bruten waren erfolgreich. Welche Faktoren letztlich zu dieser unmittelbaren Brutnachbarschaft führten, obwohl in der Umgebung eine Vielzahl anderer Horste(vor allem der Graureiher) bzw. potenzieller Horstbäume verfügbar waren, muss offen bleiben. Relativ dichte Brutnachbarschaft beider Arten wurde in diesem Feldgehölz schon mehrfach nachgewiesen, so dass anzunehmen ist, dass die konkreten Individuen bereits vertraut miteinander waren. 3 Diskussion In der Literatur wurden mehrfach Fotos von Doppelhorsten bei Seeadlern gezeigt, ohne die Ursachen von deren Entstehung zu diskutieren( O ehme 1961, F ischer 1984, H ansen et al. 2004). Teils wurde direkt schräg auf einem alten Horst aufsitzend ein neuer gebaut, teils mit kleinem Abstand über dem alten Horst. Ursächlich könnte sein, dass der weitere Horstaufbau nach oben durch Äste räumlich beschränkt ist. Ob auch ein neuer Brutpartner eher dazu führt, dass zwar ein gut geeigneter Horstbaum übernommen, aber nicht direkt am alten Nest weitergebaut wird, bleibt Spekulation. Bei den hier beschriebenen Fällen wurde abweichend davon jeweils separat ein völlig neuer Horst im selben Baum gebaut, wobei es einmal ein(und wohl dasselbe) Rotmilanpaar war und einmal ein Rotmilanpaar, das unmittelbar unter einem aktiven Abb. 2: Zwei zeitgleich belegte und“erfolgreiche” Horste des Rotmilans(unten, aufgebaut auf den Resten eines vorjährigen Rabenhorstes) und des Kolkraben(rechts oben) auf einer Kiefer. Two active eyries in the same pine tree: below, the nest of a Red Kite on the remnants of a Raven’s nest from the previous year; above, an active Raven’s nest. Both broods were successful. Foto: T. Dürr. Kolkrabenhorst brütete. Dass im letzteren Fall beide Paare erfolgreich waren, ist bemerkenswert und zeugt nicht nur von einer enormen Toleranz,sondern geradezu von Vertrautheit der Vögel miteinander. Um den Blickwinkel etwas zu erweitern, wurde über das E-Mail-Forum Greifvoegel@yahoogroups. de nach weiteren Fällen von„Doppelhorstbäumen“ bei Greifvögeln gefragt. Das Forum wird von einem großen Teil der deutschsprachigen Greifvogelkenner genutzt, die teils über Jahrzehnte hinweg Greifvogelhorste suchen. Gleichwohl lag die Zahl der positiven Rückmeldungen nur bei vier und umfasst dabei über Greifvögel hinaus auch Schwarzstorch- und Kolkrabennester. Selbst wenn wir nicht von Vollständigkeit dieser kleinen Umfrage ausgehen können, sind zwei Horste in einem Baum bei nicht in Kolonien brütenden Arten demnach ein recht seltenes Phänomen. Da die übermittelten Beschreibungen weitere, recht unterschiedliche Konstellationen zeigen, werden sie hier kurz wiedergegeben:
Heft
(2020) 27
Seite
115
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten