Heft 
(2020) 27
Seite
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116 Otis 27(2020) Eine dem Fall 1 vergleichbare Situation beschrieb T. Pfeiffer: Er kontrollierte 2015 im Kreis Weimarer Land eine erfolgreiche Rotmilanbrut mit drei Jung­vögeln in einer Rotbuche. Im folgenden Jahr brütete im selben Baum wieder ein Rotmilanpaar. Sie nutz­ten jedoch nicht den noch vorhandenen Horst aus dem Vorjahr, sondern bauten einen weiteren Horst etwa 2 m darüber.Auch hier wurden wieder drei Jun­ge flügge. Da die Altvögel nicht individuell markiert waren, ist nicht bekannt, ob es sich in beiden Jahren um dasselbe Paar gehandelt haben könnte. Der sehr gute Bruterfolg im zweiten Jahr spricht jedoch für ein eingespieltes Paar. In den Folgejahren bis 2020 brüteten die Rotmilane immer im oberen Horst. Der alte, untere Horst war 2017 nur noch in Resten vor­handen und ab 2018 nicht mehr zu sehen. B.-U. Meyburg kannte einen viele Jahre lang hintereinander genutzten Schreiadlerhorst in einer Rotbuche in Nordost-Brandenburg. Er hatte die Grö­ße eines Seeadlerhorstes erreicht. Im Frühling 2003 blieb dieses langjährige Revier verwaist, was nur durch Verlust eines oder beider Altvögel auf dem Zug oder im Überwinterungsgebiet erklärbar ist.Auch in den Folgejahren wurde dieser optimal erscheinende Brutplatz nicht wieder besiedelt. Der Horst nahm über die Jahre allmählich an Größe ab. Da es keiner­lei Hinweise mehr auf Revierbesetzung gab, wurde er nur noch unregelmäßig kontrolliert. Bei einer sol­chen Kontrolle im Jahr 2008 ließ sich deutlich tiefer als der noch vorhandene Schreiadlerhorst auf einem Seitenast ein neu gebauter Schwarzstorchhorst mit Jungvögeln nachweisen. Zufällig genau in demselben größeren Waldgebiet kontrollierte U. Kraatz von 2013 bis 2016 eine starke Rotbuche mit zwei Horsten. Sie befanden sich in etwa einem Meter Abstand, der eine 18 m hoch in einer Gabelung, der andere auf einem Seitenast darüber. Beide Nester waren allerdings nicht von Greifvögeln, sondern von Kolkraben gebaut und zur Brut benutzt worden – erst der eine, später der neu gebaute. Der äl­tere zerfiel daraufhin allmählich, und es gab dann nur noch ein Rabennest in dieser Buche. W. Bednarek berichtete über einen beflogenen Sperberhorst im Kreis Coesfeld(Nordrhein-Westfa­len), der ca. 1 m oberhalb des vorjährigen angelegt wurde. Wie beim Sperber üblich, hatten die Vö­gel dort über Jahre immer neue Horste in jeweils anderen Bäumen gebaut, so dass in dem kleinen Fichtenstangenbestand schon mehrere alte Nester vorhanden waren. Als mögliche Erklärung für die zwei Nester in einem Baum wurde die geringe Größe des Bestandes inmitten von Buchenaltholz angese­hen – die nächstmöglichen Stangenhölzer waren von anderen Sperbern besetzt, so dass alle potenziellen Horstplatz-Möglichkeiten in dem kleinen Wald aus­geschöpft waren. Die beiden von uns geschilderten Fälle zeigen Zusammenhänge, die bei flüchtiger oder einmaliger Kontrolle eines Brutplatzes unbemerkt geblieben wären. In diesen Fällen waren es Nebenbefunde, die zu einer Aufklärung der Situation führten. So können aus diesen und den anderen beschriebenen Fällen zumindest zwei Schlussfolgerungen gezogen werden. Die erste ist: Man kann gar nicht genau genug beobachten, muss alle Indizien sammeln, werten und darf nicht voreilig urteilen. Die zweite Schlussfolgerung ist, dass sich leider dennoch nicht immer alles bis ins Letzte aufklären lässt. Vor allem die Motivation der Vögel bleibt in vielen Fällen im Dunkeln. Danksagung Vielen Dank an Walter Bednarek, Ulf Kraatz, Dr. Bernd-Ulrich Meyburg und Thomas Pfeiffer für die Übermittlung zusätzlicher Fallbeschreibungen, ebenso an weitere Greifvogelaktivisten für Negativ­meldungen. Literatur F ischer ,W.(1984): Die Seeadler.Neue Brehm-Bücherei 221, A. Ziemsen Verlag,Wittenberg. H ansen , G., P. H auff & W. S pillner (2004): Seeadler gestern und heute.Verlag Erich Hoyer, Galenbeck. O ehme , G.(1961): Die Bestandsentwicklung des Seeadlers, Haliaeëtus albicilla (L.), in Deutschland mit Untersu­chungen zur Wahl seiner Brutbiotope. In: S childmacher , H.(Hrsg.): Beiträge zur Kenntnis deutscher Vögel: 1– 61. O rtlieb , R.(1989): Der Rotmilan. Neue Brehm-Bücherei 532,A. Ziemsen Verlag,Wittenberg.