Heft 
(2020) 27
Seite
143
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Nachruf 143 Lebensziel erhob. Er wurde kein examinierter Biolo­ge und hatte sich für ein Arbeitsleben entschieden, das ihm maximale Freiheiten für das Erleben der Vielfalt der Vogelwelt sichern konnte. Bald kamen zahllose Reisen nach Südeuropa und in den Nahen Osten hinzu. Ab Mitte der 1970er Jahre begleitete ihn seine Frau Gizela auf diesen Reisen. Nun hat­te er jemand an seiner Seite, der das Erlebte exakt dokumentierte. Im Gespräch in vertrauter Runde beförderte er seine Frau scherzhaft, aber liebevoll zu seinerOrnithologisch-Technische(n)-Asistentin, verschlüsselt für Außenstehendemeine OTA.Wenn es die familiäre Reisekasse zuließ, wurde auch mehr­fach in einem Jahr zielgerichteter Urlaub gemacht. Bereits als Jugendlicher erwarb er sich Anerken­nung und Vertrauen in denetablierten Westberli­ner Ornithologenkreisen. Dies ist z. B. auch dadurch manifestiert, dass er bereits als Zwanzigjähriger ab 1965 zu den ersten Herausgebern desOrnitholo­gischen Berichts für Berlin(West) gehörte. Kai war keinSchreibtischmensch und so gab er die­se Arbeit nach Erscheinen der Nr. 5 desOrnitho­logischen Berichts für Berlin(West) wieder auf. Den Fortgang und die Entwicklung der Zeitschrift verfolgte er aber intensiv weiter. Als 1980 Christi­an Pohl aus dem Bearbeiterteam des Berichts aus­schied, zögerte Kai Lüddecke nicht, diese Lücke zu schließen und übernahm für weitere neun Jahre Verantwortung. Als 1999 die Redaktion für die neue Avifauna Brandenburgs und Berlin Priorität erlang­te, war es notwendig, das AKBB-Gründungsmitglied Wolfgang Mädlow für diese federführende Arbeit freizustellen. Von der Berliner Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft wurde Kai Lüddecke für diese Arbeit ausgewählt und berufen. Für die nächsten zehn Jahre arbeite er in diesem Gremium aktiv mit der von ihm gewohnten Akribie und Sachlichkeit mit. Als sein Wunsch in ihm gereift war, sich wieder einmal frei vonVerpflichtungen zu fühlen, ließ er es sich aber nicht nehmen, die Mitglieder der AKBB zu sich nach Berlin einzuladen, um persönlich seine Gründe für sein Ausscheiden darzulegen- ein Bei­spiel für seine charakterlichen Eigenschaften. Wer Kai näher kannte, erlebte ihn als humorvollen, im Gespräch unterhaltsamen, fröhlichen und nie hek­tischen, eher sehr ausgeglichenen Menschen. Durch seine sehr guten feldornithologischen Kenntnisse verdankt die Artenliste der Vögel Berlins mehrere Erstnachweise(u. a. Rosenstar, Zwergadler, Blass­spötter und Fischmöwe). Legendär sind seine Beob­achtungen im Bereich des Taxistandes am Flughafen Tegel(z. B. der o. g. Blassspötter als damals erst 3. Nachweis für Deutschland). Die feldornithologische Auseinandersetzung mit schwierigen Artengruppen von Kleinvögeln war für ihn stets eine gewollte und entspannende Herausforderung. Stets selbstkritisch und respektvoll dem Beobachtungsobjekt gegen­über, konnte er auch den einen oder anderen nicht sicher erkannten Vogel ohne Gram fliegen lassen. Vogelbestimmung und Zugvogelbeobachtung waren seine Schwerpunkttätigkeiten im Gelände. Der wis­senschaftlichen Vogelberingung stand er wegen der Stressaussetzung auf Vögel kritisch gegenüber und ist mit dieser seiner Meinung sicherlich nicht allein. Im Feld verstand er es, jüngeren noch unerfahrenen Beobachtern hilfreich zur Seite zu stehen und sie durch seine große Artenkenntnis für die Feldorni­thologie zu begeistern. Wir alle,insbesondere die Berliner Ornithologen, trauern um Kai Lüddecke als erfahrenen Mitstreiter und Feldornithologen, guten Freund und Förderer der Avifaunistik. Die Lücke, die er im Ornithologen­kreis hinterlässt, wird schwer zu schließen sein. Sei­ne Passion der kritischen, exakten Vogelbestimmung auf Grundlage neuester Arten- und Bestimmungs­kenntnisse aufzugreifen und ernsthaft fortzuführen, sollte unser aller Vorbild sein. Ronald Beschow& Christian Pohl