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Wie wirkungsvoll diese Einrichtungen der Natur sind, lehrt das Beispiel des Weihnachtsbaumes, der, abgeschnitten, wochenlang die überaus trockene Luft unserer winterlich geheizten Stuben aushält, ohne daß die Nadeln welken oder vertrocknen. Oder man lege nur ein paar beliebige Laubblätter und Nadeln von Fichte, Tanne oder Eibe nebeneinander in die warme Sommersonne. Schon nach einigen Stunden werden die nicht geschützten Blätter vollkommen verwelkt, ja vielleicht schon aschendürr getrocknet sein, wogegen die Nadeln kaum eine Gestaltsveränderung zeigen.
Von der Spaltöffnungsbewegung selbst können wir hier nur andeutungsweise sprechen. Wie wir wissen, ist ja, wenn die Spalten geschlossen sind, die Gefahr des Vertrocknens ziemlich gebannt, dafür aber das Blatt in seiner Tätigkeit als Ernährungsorgan so gut wie ausgeschaltet. So muß die Pflanze sehr oft zwischen Hunger und Durst wählen. Es ist demnach zu verstehen, wie zuverlässig und empfindlich die Steuerung der Spaltöffnung sein muß, damit das Gefamtgedeihen der Pflanze nicht fortwährend gefährdet ist; und es ist kaum verwunderlich, daß die Pflanze ihre feinste Lebenschemie aufbietet, um die Spaltöffnungsbewegung zweckdienlich durchzusühren. Sehr alt ist schon die Erkenntnis, daß durch Wasserüberfülle gesteigerter Jnnendruck der Schließzellen die Spalte öffnet, Wassermangel aber ein Schließen der Spalte durch Jnnendruck- Verminderüng auslöst. Damit war allerdings der Mechanismus der Spaltöffnungsbewegung noch lange nicht restlos erklärt. Heute wissen wir, daß es Enzymefl sind, die die eigentlichen Bewegungsvorgänge regeln und steuern. Und zwar geschieht dies unter Verwendung der Stärke so, daß die Schließzellen geschlossener Spaltöffnungen stets mit Stärke überfüllt, die Schließzellen weit geöffneter Spaltöffnungen dagegen stärkefrei sind. Mit Hilfe der bekannten Blaufärbung der Stärke durch Jod läßt sich dieser Vorgang leicht Nachweisen, wie Abbildung 7 zeigt. Im einzelnen spielt er sich so ab, daß die Enzyme die Stärke, die unlöslich und daher auf den Jnnendruck gänzlich unwirksam ist, in einen anderen Stoff umsetzen, und zwar wahrscheinlich in Zucker, der den Flüssigkeitsdruck in den Schließzellen sehr beträchtlich verändern kann. Durch diese
Enzyme nennt man nach Art der bekannten Gärstoffe oder Fermente wirkende chemische Körper von eiweißartiger Zusammensetzung, die schon in allergeringsten Mengen vorhanden, einen bestimmten chemischen Vorgang einleiten oder beschleunigen, ohne indes sich selbst dabei zu beteiligen. Sie spielen im chemischen Haushalte der lebenden Organismen eine außerordentlich vielgestaltige und wichtige Rolle. Ihr Seitenstück im Reiche der anorganischen Chemie bilden die „Katalysatoren".