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Wir werden uns also an Stelle des heutigen Anbaues ursprünglich ein vielleicht einstöckiges, vielleicht auch nur aus Holz aufgeführtes Brunnenhaus zu denken haben, in dem sich größere und kleinere Schalen für die vorgeschriebenen Waschungen befanden. Im Winter war die Küche nahe genug, daß mau ohne Schwierigkeiten von dort heißes Wasser herbeischaffen konnte.
Aber ein solches Brunnenhaus hatte nicht nur den täglichen Waschungen zu dienen; es war daneben zugleich Scheerhaus uud war als solches natürlich für Nonnen ebenso notwendig wie für Mönche. Im Prämonstratenserkloster in Magdeburg, das aus dem 12. Jahrhundert stammt, findet sich an der Ostseite des Kreuzganges das sogenannte „Tonsurhaus". Hier hat sich in dem Namen die Nebenbestimmung, der das Brunnenhaus zu dienen hatte, noch erhalten. Regel war, daß alle drei Wochen den Mönchen die Tonsur neugeschoren, beziehungsweise den Nonnen die Haare frisch beschnitten wurden. Endlich aber gab es in den Klöstern noch eine andere Pflicht zu erfüllen, es mußten die Gestorbenen vor ihrer Bestattung gewaschen werden. In dem schon erwähnten Prämonstratenserkloster in Magdeburg befand sich für diesen Zweck noch neben dem Brunnenhaus das sogenannte Lavatorium. Eine solche doppelte Anlage werden nur sehr reiche Klöster sich haben leisten können. Ob Heiligengrabe zu ihnen gehörte? Der stattliche steinerne Anbau muß ausgeführt sein, als das Kloster schon über bedeutende Mittel verfügte, und hat Wohl gesteigerten Ansprüchen gerecht werden sollen. In den Kunstdenkmälern wird angenommen, der Anbau habe zu profanen Zwecken gedient und sei vermutlich von vornherein zur Unterbringung des Archivs und der Bücherei bestimmt gewesen. Das muß doch sehr in Frage gezogen werden. Die Urkunden des Klosters werden leicht in einer kleinen Truhe unterzubringen gewesen sein, und da die Zisterzienser niemals der Gelehrsamkeit dienten, werden sie auch keinen wesentlichen Bücherbestand gehabt haben. Der hart an die Kirche angeschlossene Bau, an dessen beiden oberen Räumen vorüber der Weg der Nonnen zum Chor führte, dessen unterer Raum in den Friedhof sprang und von dem Kreuzgang begrenzt ward, in dem die Nonnen zu erbaulichen Betrachtungen wandelten, — dieser Bau wird doch wohl für besondere, zum Kult mitgehörende Verrichtungen gedacht worden sein.
Ob in dem mittleren, niedrigen Raum die Toten aufgebahrt wurden, wozu der stattliche obere Raum diente? — darüber schweigen die alten Berichte. Der untere Raum aber muß der ganzen Anlage nach das Brunnenhaus gewesen sein,