Heft 
(1932 - 1933) 1
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üblich gewesen sind? Diese Frage wird man rund bejahen können.

Wir wissen mit Bestimmtheit, daß die Zisterzienserklöster Maulbronn, Heiligenkreuz, Lilienfeld, Neuberg und Zwesel Brunnenhäuser besessen haben, die vom Kreuzgang aus in den Klosterhof, das heißt also in den Friedhof der Mönche hinein­sprangen. Nun ist es aber sicher, daß kaum ein Orden so gleichmäßig und nach denselben inneren Bedingungen seine Klöster erbaute, wie der Orden der Ziesterzienser. Wo also heute ein Brunnenhaus zu fehlen scheint, da werden wir doch wohl annehmen müssen, daß es dennoch ursprünglich vorhanden war. Vielleicht ist es zerstört und sein Unterbau nicht mehr erkennbar; vielleicht war es von vornherein aus vergänglichem Baustoff hergestellt. Handelt es sich also bei dem Heiligengraber Anbau erst um eine spätere bauliche Zutat, wie in den Kunst­denkmälern ausgesprochen ist, so hindert doch nichts die An­nahme, daß dieser neue Bau an Stelle eines alten errichtet wurde, der den gleichen Zwecken diente. Gerade Heiligengrabe bietet ja einen gleichen zweiten Fall: wissen wir doch, daß die Blutkapelle zu den jüngsten Baulichkeiten des Klosters gehört; der stattliche, von heiterer Schönheit erfüllte Bau war aber Nachfolger einer älteren, bescheidenen Kapelle, die an derselben Stelle gestanden hatte.

Daneben aber ist es auch aus den Regeln und Vorschriften der Zisterzienser ersichtlich, daß sie der Brunnenhäuser bedurften. In den Regeln sind bestimmte Waschungen vorgeschrieben. Diese Vorschriften sind in ihrer Art eigentümlich genug; eine Morgenwäsche ist nicht üblich, dagegen ist die Waschung vor der Hauptmahlzeit strenge Vorschrift, und ergänzend wird auch im Sommer nach dem Mittagsschlaf eine verlangt. Für den Winter ist warmes Wasser für die Waschungen vorgesehen. Die vorgeschriebenen Waschungen in den Dormitorien (den Schlafräumen) vorzunehmen, verbot sich von selbst durch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Unmittelbare Nähe des Wassers war notwendig in begünstigten Gegenden gab es Brunnenschalen mit fließendem Wasser, und ebenso war die Nähe des Refektoriums, des Eßsaales, notwendig, da vor dessen Betreten die Waschung zu erfolgen hatte. Beide Be­dingungen treffen in Heiligengrabe zu; denn in dem heutigen Kapitelsaal dürfen wir mit Bestimmtheit das ehemalige Refek­torium vermuten, schon aus dem Grunde, weil unmittelbar daneben eine Küche des Klosters gelegen hat, die vermutlich der Verpflegung der Nonnen diente, während die abseits im Nordflügel gelegene wohl für die Gäste des Klosters zu sorgen hatte.