Heft 
(1.1.2019) 04
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Nr. 4/94 - Seite 6

ZENTRUM

Offizielle Konstituierung erfolgt

Obwohl das Interdisziplinäre Zentrum für Lern- und Lehrfor­schung bereits am 27. Oktober vergangenen Jahres seine Ar­beit aufnahm, erfolgte nun des­sen Konstituierung. Zu diesem Zweck fanden sich am 9. Febru­ar 1994 im kleinen Konferenz­saal des Universitätskomplexes Golm interessierte Wissen­schaftler, zumeist Pädagogen, Psychologen und Didaktiker ein.

Auf der Tagesordnung standen die Diskussion und Beschluß­fassung über die Satzung, die Wahl des Direktoriums sowie die Beratung der anstehenden Aufgaben für 1994.

Mit einigen wenigen Änderun­gen erhielt der Satzungsentwurf die Zustimmung der Anwesen­den. Dieser Vorschlag wird dem Senat vorgelegt. Er wird letzt­lich über die endgültige Fas­sung entscheiden, auch einge­denk der Tatsache, daß eine Notwendigkeit der Schaffung ähnlicher Ordnungen für alle anderen Zentren besteht.

Die Diskussion, und das scheint mir wesentlich, führte noch ein­mal zu einer Auseinanderset­zung über das Selbstverständnis des Interdisziplinären Zen­

trums. Ein Kristallisations- und Sammelpunkt für interdiszipli­näre Lern- und Lehrforschung wolle man werden, die Erfor­schung didaktischer Prozesse müsse im Vordergrund stehen, so die Grundsentenz. Keine pflichtgemäße Teilnahme, viel­mehr ein freiwilliger Zusam­menschluß in gewisser Weise Gleichgesinnter über Fachgren­zen hinweg-, in etwa lautete so die Definition des Grundanlie­gens. Einig schien man sich dar­in, neben den vorhandenen In­stitutsstrukturen keine feste, formalistische Zentrumsstruk­tur entstehen zu lassen. Die Ge­fahr des Erstarrens in Gremien­arbeit sei gegeben, die gewollte Produktivität könnte dabei auf der Strecke bleiben. Koopera­tion und Koordination müßten angestrebt werden.

Nicht Konkurrenz, wohl aber Abstimmung mit anderen Zen­tren, insbesondere dem für ko­gnitive Studien und dem für pädagogische Forschung und Lehrerbildung, sei geboten. Letzteres wird sich vor allem der Koordination schulprakti­scher Studien sowie der Organi­sation von Fort- und Weiterbil­dung der Lehrer widmen.

Fürsprache fand die Vorlage der Aufgabenplanung für dieses Kalenderjahr. Als wesentliche Schwerpunktaufgaben wurden festgelegt:

- die Erarbeitung eines komple­xen Forschungsprojektes zu Wechselbeziehungen zwi­schen Aneignungsweisen und Lehrstrategien für zunächst fünf Jahre und die Beantra­gung eines DFG-Sonderfor- schungsbereiches gemeinsam mit anderen Bildungsfor­schungsgruppen,

-die Vorbereitung eines von der DFG oder einer anderen Einrichtung geförderten Sym­posiums oder Workshops zu Lernprozessen bei Erwachse­nen und Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Lehre an der Universität Potsdam, (voraussichtlich im Novem­ber dieses Jahres),

-die Vorplanung für ein Sym­posium 1995,

-die Planung und Durchfüh­rung monatlicher Kolloquien, -die Vorbereitung und Druck­legung von ca. 4-5 Nummern der LLF-Berichte,

-die Erarbeitung eines Antra­ges zur Schaffung eines For­schungslabors des Zentrums

für Klassen-, Kleingruppen- und Einzeluntersuchungen an einer oder zwei Potsdamer Schulen sowie

-die langfristige Planung von Auslandsbeziehungen (Ge­winnung von Gastprofesso­ren, Organisation von Stu­dienreisen, speziell auch für Nachwuchswissenschaft­ler, Entwicklung der interna­tionalen Forschungskoopera­tion).

Endgültig arbeitsfähig ist das Interdisziplinäre Zentrum für Lern- und Lehrforschung - vorbehaltlich der Bestätigung durch den Senat - mit der Wahl seines für drei Jahre amtieren­den Direktoriums. Die 13 einge­schriebenen Mitglieder gaben ihre Stimme für Frau Prof. Dag­mar Klose (Lehrstuhlinhaberin Didaktik der Geschichte) und Herrn Prof. Diether Hopf (z. Z. noch Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, For­

schungsbereich Schule und Un­terricht). Die geschäftsführende Leitung hat Herr Prof. Joachim Lompscher (Lehrstuhlinhaber für psychologische Didaktik) übernommen.

P. Görlich

Mit Universitäten und ihren Re­präsentanten haben alle drei zu empfehlenden Publikationen zu tun. Der zeitliche Bogen reicht von 1945 bis in die Gegenwart und spiegelt auch deutsche Uni­versitätsgeschichte wider. Diese Aussage gilt vor allem für die von Gert Ueding herausgegebe­nen Tübinger Reden aus fünf Jahrzehnten und die Analyse des Geschehens an der Hum­boldt-Universität seit dem Fall der Mauer von Mechthild Küp­per. Das schmale Bändchen Hans Jonas im Gespräch. Wis­senschaft und Verantwortung - Wiedergabe eines Podiums­gesprächs an der Bremer Uni­versität 1990 - diskutiert die Grundfrage nach der Moralität

Buchtips

menschlichen und wissen­schaftlichen Handelns. Der in­zwischen verstorbene Hans Jo­nas hat sich Jahrzehnte mit der Philosophie der Biologie und den ethischen Aspekten der Technologie befaßt. Nicht aus­genommen von seinen kriti­schen Fragestellungen blieben zeitlebens die Demokratie und die Voraussetzungen für ihr Ge­deihen.

Aufgabe und Verantwortung der Universität nach 1945, die Krise der Hochschule, die Tren­nung von Geistes- und Natur­wissenschaften und mögliche Orientierungsbilder gehören zu den Themen der Reden, die an der Universität Tübingen gehal­

ten wurden. Namen wie Emst Bloch, Walter Jens, Hans May­er, Eduard Spranger und Carlo Schmid bürgen für rhetorische Meisterwerke, deren Lesen Ge­nuß bereitet.

Die älteste Berliner Universität hat seit der Wende einschnei­dende substantielle Verände­rungen erlebt und erlitten. In vielem steht sie stellvertretend für das Schicksal der Hochschu­len in den neuen Ländern. Ge­nauer Chronist dieser Prozesse ist die ehemalige Tagesspiegel- Redakteurin Mechthild Küpper, die sich durch hervorragende Kenntnis der Berliner Hoch­schullandschaft auszeichnet. Geschrieben hat sie die sehr le­

senswerte politische Geschichte einer Universität, die ihre neu gewonnene Freiheit gegen inne­re und äußere Widerstände ver­teidigen muß(te).

Regine Derdack

Zutrauen zur Wahrheit

Große Tübinger Reden aus fünf Jahrzehnten Attempto Verlag Tübingen 1993 44,00 DM

Mechthild Küpper

Die Humboldt-Universität

Einheitsschmerzen zwischen Abwicklung und Selbstreform Rotbuch Verlag 1993 15,90 DM

Hans Jonas im Gespräch

Wissenschaft und Verantwortung (zu beziehen über die Pressestel­le der Universität Bremen)