Nr. 4/94 - Seite 6
ZENTRUM
Offizielle Konstituierung erfolgt
Obwohl das Interdisziplinäre Zentrum für Lern- und Lehrforschung bereits am 27. Oktober vergangenen Jahres seine Arbeit aufnahm, erfolgte nun dessen Konstituierung. Zu diesem Zweck fanden sich am 9. Februar 1994 im kleinen Konferenzsaal des Universitätskomplexes Golm interessierte Wissenschaftler, zumeist Pädagogen, Psychologen und Didaktiker ein.
Auf der Tagesordnung standen die Diskussion und Beschlußfassung über die Satzung, die Wahl des Direktoriums sowie die Beratung der anstehenden Aufgaben für 1994.
Mit einigen wenigen Änderungen erhielt der Satzungsentwurf die Zustimmung der Anwesenden. Dieser Vorschlag wird dem Senat vorgelegt. Er wird letztlich über die endgültige Fassung entscheiden, auch eingedenk der Tatsache, daß eine Notwendigkeit der Schaffung ähnlicher Ordnungen für alle anderen Zentren besteht.
Die Diskussion, und das scheint mir wesentlich, führte noch einmal zu einer Auseinandersetzung über das Selbstverständnis des Interdisziplinären Zen
trums. Ein Kristallisations- und Sammelpunkt für interdisziplinäre Lern- und Lehrforschung wolle man werden, die Erforschung didaktischer Prozesse müsse im Vordergrund stehen, so die Grundsentenz. Keine pflichtgemäße Teilnahme, vielmehr ein freiwilliger Zusammenschluß in gewisser Weise Gleichgesinnter über Fachgrenzen hinweg-, in etwa lautete so die Definition des Grundanliegens. Einig schien man sich darin, neben den vorhandenen Institutsstrukturen keine feste, formalistische Zentrumsstruktur entstehen zu lassen. Die Gefahr des Erstarrens in Gremienarbeit sei gegeben, die gewollte Produktivität könnte dabei auf der Strecke bleiben. Kooperation und Koordination müßten angestrebt werden.
Nicht Konkurrenz, wohl aber Abstimmung mit anderen Zentren, insbesondere dem für kognitive Studien und dem für pädagogische Forschung und Lehrerbildung, sei geboten. Letzteres wird sich vor allem der Koordination schulpraktischer Studien sowie der Organisation von Fort- und Weiterbildung der Lehrer widmen.
Fürsprache fand die Vorlage der Aufgabenplanung für dieses Kalenderjahr. Als wesentliche Schwerpunktaufgaben wurden festgelegt:
- die Erarbeitung eines komplexen Forschungsprojektes zu Wechselbeziehungen zwischen Aneignungsweisen und Lehrstrategien für zunächst fünf Jahre und die Beantragung eines DFG-Sonderfor- schungsbereiches gemeinsam mit anderen Bildungsforschungsgruppen,
-die Vorbereitung eines von der DFG oder einer anderen Einrichtung geförderten Symposiums oder Workshops zu Lernprozessen bei Erwachsenen und Konsequenzen für die Weiterentwicklung der Lehre an der Universität Potsdam, (voraussichtlich im November dieses Jahres),
-die Vorplanung für ein Symposium 1995,
-die Planung und Durchführung monatlicher Kolloquien, -die Vorbereitung und Drucklegung von ca. 4-5 Nummern der LLF-Berichte,
-die Erarbeitung eines Antrages zur Schaffung eines Forschungslabors des Zentrums
für Klassen-, Kleingruppen- und Einzeluntersuchungen an einer oder zwei Potsdamer Schulen sowie
-die langfristige Planung von Auslandsbeziehungen (Gewinnung von Gastprofessoren, Organisation von Studienreisen, speziell auch für Nachwuchswissenschaftler, Entwicklung der internationalen Forschungskooperation).
Endgültig arbeitsfähig ist das Interdisziplinäre Zentrum für Lern- und Lehrforschung - vorbehaltlich der Bestätigung durch den Senat - mit der Wahl seines für drei Jahre amtierenden Direktoriums. Die 13 eingeschriebenen Mitglieder gaben ihre Stimme für Frau Prof. Dagmar Klose (Lehrstuhlinhaberin Didaktik der Geschichte) und Herrn Prof. Diether Hopf (z. Z. noch Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, For
schungsbereich Schule und Unterricht). Die geschäftsführende Leitung hat Herr Prof. Joachim Lompscher (Lehrstuhlinhaber für psychologische Didaktik) übernommen.
P. Görlich
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ten wurden. Namen wie Emst Bloch, Walter Jens, Hans Mayer, Eduard Spranger und Carlo Schmid bürgen für rhetorische Meisterwerke, deren Lesen Genuß bereitet.
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Hans Jonas im Gespräch
Wissenschaft und Verantwortung (zu beziehen über die Pressestelle der Universität Bremen)