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FAKULTATSEROFFNUNG
Eröffnung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
Mit einem würdigen Festakt hat sich am 15. Juni in Babelsberg die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Potsdamer Universität gegründet. Damit konnte der wichtigste Teil der Aufbauphase dieser zweiten großen Fakultät in der August- Bebel-Straße abgeschlossen werden. Aus Anlaß dieser offiziellen Eröffnung verlieh der Dekan, Prof. Dr. Wilhelm Bürklin, den beiden Gründungsbeauftragten Prof. Dr. Josef Molsberger und Prof. Dr. Karl Rohe die Ehrendoktorwürde - als Dank und Anerkennung für ihre geleistete Aufbauarbeit und die Würdigung herausragender wissenschaftlicher Leistungen.
Eröffnet wurde der zweistündige Festakt durch Prorektor Wolfgang Loschelder, der in seiner Ansprache besonders auf die Probleme, aber auch auf Chancen hinwies, wenn eine Universität „nicht auf der grünen Wiese“ gebaut wird, sondern Vorläufereinrichtungen hat, in diesem Falle die „Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR“ und die Pädagogische Hochschule Potsdam.
Forschungs- und Wissenschafts- Minister Hinrich Enderlein erinnerte aus der Sicht der Landesregierung an die gute Zusammenarbeit mit den beiden Gründungsbeauftragten in der Aufbauphase. Er erneuerte seine Zusage für den Aufbau des Diplomstudienganges Betriebswirtschaftslehre, dem seinen Worten zufolge nichts mehr im Wege steht. Gleichzeitig hob Enderlein die Bedeutung der geplanten integra- tiven Studiengänge der Fakultät hervor.
Darauf eingehend, stellte der Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Wilhelm Bürklin, den Entwicklungsstand und die Perspektiven der Fakultät vor. Er
verwies auf den Standortvorteil im neuen Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum Berlin- Brandenburg, zu dem allerdings ein eigenständiges Profil der Fakultät gehört. Schon allein deshalb, „um im Konzert der deutschen Universitäten unterscheidbarzu werden“, wie Bürklin betonte. Dieses Profil sei einerseits geprägt durch eine anwendungsorientierte Volkswirtschaftslehre und eine stark praxisbezogene betriebswirtschaftliche Ausbildung mit vielen Kontakten zu außeruniversitären Organisationen. Hinzu kommt eine starke Sozialwissenschaft, die „empirisch orientiert, praxisnah gestaltet ist und auf einem hohen Niveau der Methodenausbildung basiert“.
Nach einem Überblick über den guten Stand der über 40 Forschungsschwerpunkte und -pro- jekte verwies Professor Bürklin auch auf die immer noch vorhandenen Probleme beim Aufbau derFakultät. Dies seien zum einen die noch zu besetzenden Lehrstühle. Zum anderen bereiten die Verzögerungen bei der Besetzung der C1 - und C2-Stel- len und die Ausweitung der 80 Prozent-Bezahlung auf alle Berufsanfänger im Mittelbau noch Sorgen.
„Wir sind entschlossen und bereit, uns dem Wettbewerb zu stellen, aber wir werden dabei nur erfolgreich sein, wenn unsere Landesregierung die Wettbewerbsnachteile beseitigt“, richtete Bürklin seine Forderung an den Wissenschaftsminister.
Aus einer anderen Perspektive betrachtete die Studentenvertreterin im Fakultätsrat, Viktoria Kaina, die Gründung der Fakultät. In einer sehr eindringlichen und ausdrucksstarken Rede erinnerte sie an die bitteren Erfahrungen der Studentinnen und Studenten des abgewickelten
Studienganges Sozialwissenschaften und machte die Ängste und Fragezeichen vieler Studierender deutlich, die im Hinblick auf die lange Zeit ungewisse Frage des Studienganges Betriebswirtschaftslehre und die personellen und perspektivischen Probleme im Bereich des Studienschwerpunktes Internationale Beziehungen auftreten. „Viele dieser Studentinnen und Studenten haben sich lange in Geduld geübt und damit dem Universitätsstandort einen Vertrauenskredit gegeben, den es nun langsam, aber sicher zurückzuzahlen gilt“, appellierte Viktoria Kaina an die anwesenden Vertreter der Universität. Andererseits machte die Studentin auf die, .Potsdamer Traum- bedingungen“ aufmerksam, „wo Seminare mit mehr als zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher die Seltenheit sind, wo einen die Profs beim Namen kennen“. Besonderen Dank richtete Viktoria Kaina im Namen der Studierenden abschließend an Frau Dr. Renate Schmidt und Frau Dr. In- geborg Garz für ihre Arbeit beim Fakultätsaufbau.
Anschließend wurden die beiden Gründungsbeauftragten der Fakultät geehrt. Prof. Dr. Norbert Eikhof wies in seiner Laudatio für Prof. Dr. Molsberger, neben der Würdigung seiner wissenschaftlichen Erfolge, besonders auf Molsbergers Leistungen und den großen persönlichen Einsatz beim Aufbau der Wirtschaftswissenschaften in Potsdam hin.
Für den Gründungsbeauftragten Prof. Dr. Karl Rohe, der in Potsdam die Sozialwissenschaften aufbaute, hielt Prof. Dr. Herbert Döring die Laudatio. Nach einer Übersicht über das bisherige breitgefächerte Werk des angesehenen Politikwissenschaftlers erinnerte Döring an die neuen Lehr- und Lemmethoden, die Rohe auch in Potsdam erfolgreich einführte.
Nach der Verlesung der Urkunden und Verleihung der Ehrendoktorwürden durch den Dekan drückten die Gewürdigten in kurzen Ansprachen ihren Dank für diese Ehrung aus und erinnerten in sehr persönlichen Worten an ihre Arbeit in Potsdam, wobei beide ihre positiven menschlichen Erfahrungen, die sie in Brandenburg gewonnen haben, hervorhoben. Aufgelockert durch ein klassisches Musikprogramm von Studierenden des Fachbereiches Musik lauschte das Publikum dem mit Spannung erwarteten Festvortrag von Prof. Dr. Rainer Lepsius, der sich mit „Institutionenordnungen und Verhaltensstrukturierung“ beschäftigte. Lepsius, der das Publikum durch seine glänzende Rhetorik und seinen intellektuellen Scharfsinn trotz der vorgerückten Stunde zu fesseln vermochte, sparte dann auch nicht mit Provokationen hinsichtlich der Ost-West-Pro- blematik, die sich jedoch bei genauerem Zuhören als tiefgründige Analysen gegenseitiger Ressentiments entpuppten und viel Stoff für anschließende Diskussionen übrig ließen.
Dafür bot sich der Empfang an, der im Anschluß an den Festakt in der Mensa gegeben wurde. Festakt und Empfang konnten durch die großzügige Spende eines der Universitätsgesellschaft verbundenen Mäzens realisiert werden, dem Prof. Dr. Wilhelm Bürklin ausdrücklich dankte und darin ein Vorbild für die Entstehung eines Mäzenatentums sah, „ohne das eine Universität viel ärmer“ wäre.
Den meisten Gästen gefiel es so gut, daß sie auch noch zu dem von den Fachschaften der Fakultät organisierten Studentenfest blieben und den Tag mit Live- Bands, Tombola und Diskothek ausklingen ließen.