CAMPUS 1
INTERDISZIPLINÄRES FORSCHUNGSZENTRUM
GEGRÜNDET
Ein auch äußerlich sichtbares Zeichen dafür, daß die verschiedenen Disziplinen an der Potsdamer Universität über ihre Fachgrenzen hinweg Zusammenarbeiten, sind die interdisziplinären Forschungszentren. In ihnen vereinen sich Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen, um Projekte gemeinsam von ihren unterschiedlichen Aspekten her zu untersuchen. Die Zentren sind deshalb auch nicht einer bestimmten Fakultät zugeordnet, sondern unterstehen direkt dem Senat. Ihre Arbeit bürgt für das Hinausschauen über den eigenen „Tellerrand" als einem der Markenzeichen der Universität Potsdam. Den bereits bestehenden Forschungszentren ganz unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche konnte nun ein weiteres hinzugefügt werden: Es nennt sich interdisziplinäres Zentrum für „Dünne Organische und Biochemische Schichten“, wird geleitet von dem Physiker Professor Dr. Ludwig Brehmer, dem Mathematiker Professor Dr. Helmut Kaiser und dem Biochemiker Professor Dr. Frieder Scheller und vereint folglich auch Physiker, Mathematiker, Chemiker und Biochemiker unter seinem „Dach“.
Als Plattform des Austausches verschiedener Disziplinen, die sich allerdings nicht nur innerhalb der Universität orientiert und Brük- ken nach außen schlägt, charakterisierte denn auch Prorektor Professor Dr. Wolfgang Loschelder bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung das neue Zentrum. Er nannte als einige der bereits kooperierenden außeruniversitären Forschungsinstitute das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung und das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Seine Freude über das gute Funktionieren dieser Zusammenarbeiten brachte auch Hauke Krüger als Vertreter des Ministeriums für
Wissenschaft, Forschung und Kultur zum Ausdruck: Er übersandte die Grüße und guten Wünsche des neuen Wissenschaftsministers Steffen Reiche und betonte die Notwendigkeit solch grenzüberschreitenden Forschens.
Als Sprecher des Direktoriums stellte im Anschluß an die Begrüßungsworte Professor Dr. Ludwig Brehmer die Inhalte, Ziele und Aufgaben des Zentrums dar, mit Hilfe dessen vor allem auf dem Gebiet neuer Strukturen im molekularen Bereich gearbeitet werden soll. So möchte man neue Werkstoffe herstellen, deren Struktur-Abmessungen sich im Nanometer-Bereich bewege, und damit auch einen Beitrag zur Erforschung der Nanotechnik leisten (siehe auch den Bericht „In der Umweltanalytik ganz vorn“ an anderer Stelle dieser Ausgabe). Den beteiligten Wissenschaftlern geht es dabei um eine quantitative Beschreibung der molekularen und übermolekularen Struktur von Schichten, mit deren Hilfe die optischen und elektrischen Eigenschaften der jeweiligen Oberflächen besser genutzt werden sollen. Für den Erfolg dieser Bemühungen spricht, daß es bereits vor der Gründung des Zentrums zu zahlreichen Zusammenarbeiten mit der Industrie kam, in deren Folge nun bereits Prototypen ausprobiert werden und Patente angemeldet werden konnten.
Einen kleinen Einblick in die Komplexheit des Arbeitsgebietes gewährte mit Professor Dr. Wolfgang Knoll der Direktor des Max-Planck- Instituts für Polymerforschung in Mainz. Knoll sprach im Rahmen der offiziellen Zentrumseröffnung über „Grenzflächen und dünne Schichten im Lichte evaneszierender Wellen“ und stellte damit eine Form der Spektroskopie vor (also eine Form der Bestimmung und Beobachtung von Spektren und Erscheinungen), mit deren Hilfe man mehr über dünne bis sehr dünne Schichten lernen könne. Dies wiederum ist für alle Mit-
Freuen sich über die offizielle Eröffnung des interdisziplinären Forschungszentrums „Dünne Organische und Biochemische Schichten“ an der Universität Potsdam: Prof. Dr. Frieder Scheller aus dem Institut für Biochemie und Molekulare Physiologie, Prof. Dr. Heinz Zimmermann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung, Prof. Dr. Wolfgang Knoll vom Max- Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz, Prof. Dr. Ludwig Brehmer aus dem Institut für Festkörperphysik und Prof Dr. Burkhart Philipp vom Max- Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (von links nach rechts). Foto: Rüffert
glieder des Zentmms eine Frage von elementarer Wichtigkeit, ist doch jeder von ihnen in dem ihm eigenen Bereich darum bemüht, die Strukturen von Oberflächen im molekularen bzw. im Nanometer-Bereich zu erforschen sowie Rückschlüsse auf deren Reaktionen unter bestimmten Umwelteinflüssen ziehen zu können.
Wolfgang Knoll war mit seinem Vortrag gleichzeitig der erste Referent in einer geplanten Kolloquiumsreihe des Zentrums, die künftig monatlich über einzelne Aspekte und Neuigkeiten im Zuge der Forschungen informieren soll. Hg.
Antrittsvorlesung von Prof. Kötz
1 Foto: Tribukeit
Seine Antrittsvorlesung zur Physikalischen Kolloidchemie hielt im Oktober Prof. Dr. Joachim Kötz vor Chemiestudenten, Gästen und Mitarbeitern des Instituts für Physikalische und Theoretische Chemie. Vorwiegend durch die Beschreibung von Phänomenen und Experimenten aus sehr verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften und des menschlichen Alltags entstand das fesselnde Bild eines schwer zu systematisierenden Stoffgebietes. Der Vortragende zeigte, wie erst durch die Zusammenfassung und Verallgemeinerung der in vielen Jahrzehnten gesammelten Beobachtungen an farbigen Gläsern, schimmernden Halbedelsteinen, von trüben Wässern und Nebeln, von Dispersionen und Adsorptionseffekten ein Wissenschaftsgebiet der Chemie entstand, das heute mit exakten physikalischen Meßmethoden erfaßt und erklärt wird. Der sehr praxis- und lebensnahe Vortrag ließ erkennen, wie die klassische, historisch gewachsene Einteilung der Chemie sich auflöst und wandelt. Vielleicht werden sich ja auch nach diesen Einblicken in die strengen Gesetze der kristallinen Stoffwelt den Potsdamer Chemiestudenten künftig die neuen Dimensionen der kolloiden Systeme eröffnen. R.D.
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PUZ 15/94