- nun wiederum im Rahmen der makroskopischen, magnetohydrodynamischen Theorie
- weitere Plasmaparameter wie z.B. die Teilchentemperaturen bestimmt. Auch der Einfluß von Plasmaweflen auf die Veränderung der Topologie von Magnetfeldern wird untersucht, insbesondere auf den Prozeß der magnetischen Rekonnexion, der in der Magnetosphäre der Erde, in deren Cusp (CT), Magnetopause (MP) und in Nähe der Neutralschicht (NS) des Schweifes (siehe Abbildung), aber auch in solaren Flares, zur Umwandlung großer Mengen magnetischer Energie in Beschleunigungs- und thermische Energie beizutragen scheint.
So konnte in den vergangenen Jahren in Kooperation mit der Theoretikerin Dr. Tatjana Burinskaya vom Institut für Kosmos - forschung in Moskau zur Klärung des Anregungsmechanismus hochfrequenter Wellen von mehreren hundert Hz beigetragen werden, die in der Plasmagrenzschicht (PSBL) des Schweifes der Erdmagnetosphäre mit den Forschungssatefliten ISEE 1 und 2 nachgewiesen wurden. Bei Berücksichtigung der durch Ionenschallwellen veränderten Wärmeleitfähigkeit der Cusp der Erdmagnetosphäre wurden Temperaturprofile entlang der Magnetfeldlinien modelliert. Die theoretisch erhaltenen Temperaturgradienten stimmen extrem gut mit den Beobachtungen des Satelliten Dynamic Explorer überein. Daraus kann man schließen, daß eine realistische Beschreibung der Cusp ohne Berücksichtigung von Plasmaturbulenz nicht möglich ist. Es sei hier noch bemerkt, daß die Plasmagrenzschicht und die Cusp wie auch die Magnetopause für den Energieaustausch zwischen interplanetarem Raum, Erdmagnetosphäre und Ionosphäre von recht großer Bedeutung sind und deshalb im Zentrum der wissenschaftlichen Forschung stehen.
Seit September 1993 werden in Zusammenarbeit mit Dr. Victor Liperovsky vom Institut für Physik der Erde in Moskau, der im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft drei Monate als Gastwissenschaftler an der Universität Potsdam arbeitete, auch Stromsysteme berechnet, die in nächtlichen ionosphärischen sporadischen E-Schichten mittlerer Breiten (das sind recht häufig auftretende Plasmaschichten aus Teilchen größerer Masse und erhöhter Dichte) und in deren Umgebung etwa 95 km bis 140 km über der Erdoberfläche entstehen. Die Schichten scheinen unter dem Einfluß von Wellen meteorologischen und eventuell sogar anthropogenen Ursprungs generiert zu werden. Auf Grund der Rechenergebnisse konnte auf eine mögliche zusätzliche Anregung von Farley-Bunemann-Wellen in diesen Schichten hingewiesen werden. Und gerade diese Wellen scheinen tatsächlich seit vergangenem Jahr mit kohärenten Radar-Expe
PUZ 15/94
rimenten unter verschiedenen geophysikalischen Bedingungen von Mitarbeitern des Max-Planck-Institutes für Aeronomie Lindau und der Universität Irakleon auf Kreta beobachtet zu werden. Die wissenschaftlichen Arbeiten der Potsdamer Universität zur Dynamik ionosphärischer E-Schichten stießen auf den diesjährigen Tagungen der Europäischen Geophysikalischen Gesellschaft in Grenoble und des Internationalen Komitees für Kosmosforschung in Hamburg auf recht großes Interesse.
Auch erste Resultate zu stochastischen Kräften von Plasmawellen auf Ladungsträger in der Nähe von Rekonnexionsgebieten in solaren Flares konnten in diesem Jahr im Mai während des „Internationalen Arbeits- seminares zu Problemen der Freisetzung Koronaler Magnetischer Energie“ und im September während der Herbsttagung der Astronomischen Gesellschaft (darüber wird in dieser Ausgabe an anderer Stelle berichtet) vorgestellt werden. Aber auf diesem Gebiet gibt es noch sehr viel zu tun. Und auch die Theorie des turbulenten Plasmas ist noch wesentlich zu verbessern. Das komplexe kosmische Plasma stellt die Wissenschaft
ständig vor neue Probleme und Fragen. Deshalb werden in naher Zukunft verschiedene internationale Satellitenexperimente erhöhten Auflösungsvermögens durchgeführt, unter anderem auch zur Untersuchung des räumlichen und zeitlichen Verhaltens von Plasmawellen und -turbulenz sowie zur Erforschung der Kopplung zwischen mikroskopischen und globalen Parametern und Prozessen. Die Universität Potsdam wird mit zur Interpretation der Sateflitendaten beitragen. Mitarbeiter des Projektes „Kosmische Plasmaphysik" erwartet also eine Vielzahl interessanter wissenschaftlicher Aufgaben. Studenten, die sich mit der Thematik des kosmischen Plasmas etwas näher vertraut machen möchten, sollten die Vorlesung „Plasmaphysik" an der Universität Potsdam nicht versäumen. Im Wintersemester 94/95 läuft ein neuer Zyklus der dreisemestrigen Lehrveranstaltung an. Übrigens, die Vorlesung dient der Vermittlung breiter (plasma-) physikalischer Kenntnisse, die nicht nur in der Astrophysik und Kosmosforschung, sondern auch auf den Gebieten der nichtidealen Plasmen sowie bei der Fusions- und Halbleiterforschung anwendbar sind.
Claudia-Veronika Meister
Exzellente Bedingungen
Die Europäische Südsternwarte (ESO: European Southern Observatory) in Chile ist als gemeinsame Forschungseinrichtung von europäischen Staaten im Jahre 1962 gegründet worden. Das Observatorium steht in der Atacamawüste, 600 km nördlich von Santiago de Chile auf einem Berg in 2400 m Höhe und beherbergt ein 15-m-Radioteleskop und vierzehn optische Teleskope. Die moderne technische Ausrüstung und die exzellenten Beobachtungsbedingungen sind bei Astronomen für die Durchführung ihrer Forschungsaufgaben sehr begehrt. So gingen für den Zeitraum 1994/95 beim Programmkomitee der ESO rund 600 Anträge aus aller Welt auf Beobachtungszeit ein. Auch die WIP-Gruppe „Astronomie" der Universität Potsdam kann für die Projekte „Kompakte Galaxiengruppen" und „Sterne mit Magnetfeldern“ nun die Forschungseinrichtung nutzen. Beide Anträge sind vom internationalen Gutachterkomitee positiv evaluiert und genehmigt worden. In der vorhergehenden Beobachtungssaison konnten am 3,6-m-Teleskop zum ersten Mal in der Astronomiegeschichte Magnetfelder bei pekuliaren Sternen mit Überhäufigkeit von Mangan und Quecksilber nachgewiesen werden. H.O.
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