Heft 
(1.1.2019) 15
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WISSENSCHAFT AKTUELL

IN DER UMWELTANALYTIK GANZ VORN

Die WIP-GruppeDünne organische Schichten" stellt neue Materialien her

Mit der Herstellung neuer Materialien, die sonst nirgendwo auf der Welt exi­stieren, aber beispielsweise zum Nach­weis bestimmter umweltrelevanter, toxischer Stoffe oder Strahlung genutzt werden können, ist an der Universität die GruppeDünne organische Schich­ten im Rahmen des Wissenschaftler- Integrations-Programms (WIP) beschäf­tigt. Als Leiter dieser WIP-Gruppe und Koordinator für fünf weitere fungiert Professor Dr. Ludwig Brehmer, der Di­rektor des Institutes für Festkörperphy­sik. Er ist es auch, der die Zusammen­arbeit mit dem Institut für angewand­te Polymerforschung der Fraunhofer- Gesellschaft und verschiedenen Indus­trieauftraggebern koordiniert. Als an­wendungsorientierte Ergebnisse kön­nen die Mitwirkenden bereits auf eini­ge Labormuster (wie z.B. einen Feuch­tigkeitssensor) verweisen, die sich der­zeit in einer Erprobungsphase in der Praxis befinden und für die Patente an­gemeldet wurden.

Doch über solch ganz konkrete Nützlichkeits­aspekte hinaus liegt die eigentliche Aufga­be der WIP-GruppeDünne organische Schichten" in der Grundlagenforschung. Die elf Forscher kommen allesamt von Instituten der früheren Akademie der Wissenschaften; sie sind im Rahmen des WIP-Programms zumindest bis Ende 1996 fest an der Univer­sität Potsdam angestellt und sollen sich durch ihre Arbeit in die Forschungsland­schaft der vereinten Bundesrepublik integrie­ren. Dabei stehen sie nicht alleine: Am Insti­tut für Festkörperphysik existiert ein ganzer Projekt verbünd von .WIP-Gruppen, der sich dem WissenschaftsfeldFunktionale Schich­ten und Grenzflächen widmet und gegen­wärtig sechs Projekte abgeschlossen hat sowie 28 bestätigte Projekte bearbeitet Den Kern dieses Projektverbundes bil­det die GruppeDünne organische Schichten", die sich um eine Mitge­staltung von Technologi­en des 21. Jahrhunderts bemüht. Sie tut dies im Bereich der Nanotechno­logie, der Molekularelek­tronik, der molekularen Sensorik, der ultradünnen Schichten, der Optoelek­tronik und der Mikro­systemtechnik.

Hinter diesen Begriffen verbirgt sich vor allem ei­nes; Um beispielsweise in der Umweltanalytik emp­

findlicher und genauer reagierende Substan­zen einsetzen zu können, bedarf man kom­plexer Strukturen, deren Wechselwirkung mit Umwelteinflüssen bekannt und berechenbar ist. Im Interesse einer möglichst definierten Funktionalität bewegt man sich dabei, so Professor Brehmer, auf molekularem Niveau und somit in sehr kleinen Dimensionen (ist doch ein Molekül lediglich ein Verbund von mehreren Atomen). In der Potsdamer WIP- Gruppe nun versucht man, noch kleinere, schnellere und komplexere Strukturen im Nanometer-Bereich zu entwickeln (1 Nano­meter = 1 Milliardstel Meter). Mit Erfolg, wie Professor Brehmer unter Verweis auf mehre­re, auch von der Praxis derzeit getestete Pro­totypen betont.

Voraussetzung dafür war und ist die Herstel­lung komplexer Substanzen, deren Oberflä­che in jeweils gewünschter Weise auf Um­welteinflüsse reagiert und diese somit an­zeigt. Dabei bedarf man, so Brehmer, orga­nischer Moleküle und dünner (Oberflächen-) Schichten, die bereits in sich strukturiert sind. Dies ist auch erforderlich, da der Mensch solch kleine Strukturen technisch nicht mehr herstellen kann. Die Potsdamer Wissenschaftler greifen deshalb auf Moleküle zurück , denen bestimmte Strukturen aufge­prägt werden. Sie stellen dadurch neue Sub­stanzen her, die beispielsweise in der Lage sind, Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius zu überstehen.

Dies geschieht u.a. mit modifizierten Oxa- diazolen, einem kompliziert ringförmig ange­ordnetem Molekül, das aus Kohlenstoff, Was­serstoff, Stickstoff und Sauerstoff besteht. Oder mit discotischen Molekülen, die scheib­chenförmig angeordnet sind und flüssigkris­talline Eigenschaften haben. Solche Moleküle müssen nach Auskunft von Koordinator Lud­wig Brehmer zunächst immo­bilisiert, d.h. fixiert wer­den. Zu die­

Beispielsweise so sieht die Oberfläche einer stark vergrößerten, exakt angeordneten dünnen Schicht aus, die von der WIP-GruppeDünne or­ganische Schichten auf eine passende Unterlage aufgebracht wurde. Deutlich sichtbar sind die einzelnen Moleküle. Mit Hilfe der Eigenschaften solcher hochgeordneten Strukturen konnten die Potsdamer Wissenschaft­ler z.B. im Bereich der Umweltanalytik bereits hochempfindliche Sensoren herstellen. AFM-Bild: Stiller, Zetsche

Er koordiniert insgesamt sechs Gruppen des W1P- ProjektverbundesFunktionale Schichten und Grenzflächen: der Direktor des Institutes für Fest­körperphysik, Professor Dr. Ludwig Brehmer.

Foto: Rüffert

sem Zweck werden sie auf Trägermateriali­en aufgebracht. Das Ergebnis ist eine dün­ne Schicht, die beispielsweise auf Silicium als Unterlage fixiert wird. Nach ihrem Aufbrin- gen auf eine solche Unterlage kann man die dünne Schicht mit den Molekülen sogar se­hen und sie handhaben.

Die Nutzungsmöglichkeiten solcher Moleküle sind nun vielfältig: Sie liegen auch in der Mikrosensorik und dienen beispielsweise dem Nachweis bestimmter umweltrelevan­ter, toxischer Stoffe oder Strahlung. Sie kön­nen aber ebenfalls in der Molekularelektronik angewandt werden, wobei man sich der elektrischen und optischen Eigenschaften der dünnen Schichten bedient, um beispiels­weise die Luftfeuchtigkeit in Schiffsladeräu­men zu messen. Ein weiteres Einsatzfeld stellt die Präparation von Pyro-Sensoren dar, die infrarote Strahlung messen und dadurch z.B. das Vorhandensein toxischer Gase (wie Stickoxide oder Schwermetalle in Lösung) nachweisen können. Gemeinsam mit Indus- trieauftraggebem hat die WIP-GruppeDün­ne organische Schichten" übrigens auch für diesen Bereich bereits neue Strukturen ent­wickelt, die zur Zeit noch erprobt werden. Doch unabhängig von solchen ganz prakti­schen Anwendungsgebieten liegt die eigent­liche Aufgabe sowohl dieser WIP-Gruppe als auch der anderen, im Institut für Festkörper­physik angesiedelten WIP-Gruppen, wie be­reits dargestellt, in der Grundlagenforschung: Sie alle wollen molekulare Strukturen herstel­len und diese anhand deren Eigenschaften und Wechselwirkungen mit anderen Sub­stanzen als molekulare elektronische Baustei­ne untersuchen. Und durch die Qualität ih­rer Arbeit wiederum hoffen die beteiligten WIPianer", sich einen Platz in der Wissen­schaftslandschaft der Bundesrepublik er­obern zu können - sei es nun an der Univer­sität oder dem in Vorbereitung befindlichen An-InstitutMikrosensorik". Hg.

PUZ 15/94

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