WISSENSCHAFT AKTUELL
IN DER UMWELTANALYTIK GANZ VORN
Die WIP-Gruppe „Dünne organische Schichten" stellt neue Materialien her
Mit der Herstellung neuer Materialien, die sonst nirgendwo auf der Welt existieren, aber beispielsweise zum Nachweis bestimmter umweltrelevanter, toxischer Stoffe oder Strahlung genutzt werden können, ist an der Universität die Gruppe „Dünne organische Schichten“ im Rahmen des Wissenschaftler- Integrations-Programms (WIP) beschäftigt. Als Leiter dieser WIP-Gruppe und Koordinator für fünf weitere fungiert Professor Dr. Ludwig Brehmer, der Direktor des Institutes für Festkörperphysik. Er ist es auch, der die Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte Polymerforschung der Fraunhofer- Gesellschaft und verschiedenen Industrieauftraggebern koordiniert. Als anwendungsorientierte Ergebnisse können die Mitwirkenden bereits auf einige Labormuster (wie z.B. einen Feuchtigkeitssensor) verweisen, die sich derzeit in einer Erprobungsphase in der Praxis befinden und für die Patente angemeldet wurden.
Doch über solch ganz konkrete Nützlichkeitsaspekte hinaus liegt die eigentliche Aufgabe der WIP-Gruppe „Dünne organische Schichten" in der Grundlagenforschung. Die elf Forscher kommen allesamt von Instituten der früheren Akademie der Wissenschaften; sie sind im Rahmen des WIP-Programms zumindest bis Ende 1996 fest an der Universität Potsdam angestellt und sollen sich durch ihre Arbeit in die Forschungslandschaft der vereinten Bundesrepublik integrieren. Dabei stehen sie nicht alleine: Am Institut für Festkörperphysik existiert ein ganzer Projekt verbünd von .WIP-Gruppen, der sich dem Wissenschaftsfeld „Funktionale Schichten und Grenzflächen“ widmet und gegenwärtig sechs Projekte abgeschlossen hat sowie 28 bestätigte Projekte bearbeitet Den Kern dieses Projektverbundes bildet die Gruppe „Dünne organische Schichten", die sich um eine Mitgestaltung von Technologien des 21. Jahrhunderts bemüht. Sie tut dies im Bereich der Nanotechnologie, der Molekularelektronik, der molekularen Sensorik, der ultradünnen Schichten, der Optoelektronik und der Mikrosystemtechnik.
Hinter diesen Begriffen verbirgt sich vor allem eines; Um beispielsweise in der Umweltanalytik emp
findlicher und genauer reagierende Substanzen einsetzen zu können, bedarf man komplexer Strukturen, deren Wechselwirkung mit Umwelteinflüssen bekannt und berechenbar ist. Im Interesse einer möglichst definierten Funktionalität bewegt man sich dabei, so Professor Brehmer, auf molekularem Niveau und somit in sehr kleinen Dimensionen (ist doch ein Molekül lediglich ein Verbund von mehreren Atomen). In der Potsdamer WIP- Gruppe nun versucht man, noch kleinere, schnellere und komplexere Strukturen im Nanometer-Bereich zu entwickeln (1 Nanometer = 1 Milliardstel Meter). Mit Erfolg, wie Professor Brehmer unter Verweis auf mehrere, auch von der Praxis derzeit getestete Prototypen betont.
Voraussetzung dafür war und ist die Herstellung komplexer Substanzen, deren Oberfläche in jeweils gewünschter Weise auf Umwelteinflüsse reagiert und diese somit anzeigt. Dabei bedarf man, so Brehmer, organischer Moleküle und dünner (Oberflächen-) Schichten, die bereits in sich strukturiert sind. Dies ist auch erforderlich, da der Mensch solch kleine Strukturen technisch nicht mehr herstellen kann. Die Potsdamer Wissenschaftler greifen deshalb auf Moleküle zurück , denen bestimmte Strukturen aufgeprägt werden. Sie stellen dadurch neue Substanzen her, die beispielsweise in der Lage sind, Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius zu überstehen.
Dies geschieht u.a. mit modifizierten Oxa- diazolen, einem kompliziert ringförmig angeordnetem Molekül, das aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff besteht. Oder mit discotischen Molekülen, die scheibchenförmig angeordnet sind und flüssigkristalline Eigenschaften haben. Solche Moleküle müssen nach Auskunft von Koordinator Ludwig Brehmer zunächst immobilisiert, d.h. fixiert werden. Zu die
Beispielsweise so sieht die Oberfläche einer stark vergrößerten, exakt angeordneten dünnen Schicht aus, die von der WIP-Gruppe „Dünne organische Schichten“ auf eine passende Unterlage aufgebracht wurde. Deutlich sichtbar sind die einzelnen Moleküle. Mit Hilfe der Eigenschaften solcher hochgeordneten Strukturen konnten die Potsdamer Wissenschaftler z.B. im Bereich der Umweltanalytik bereits hochempfindliche Sensoren herstellen. AFM-Bild: Stiller, Zetsche
Er koordiniert insgesamt sechs Gruppen des W1P- Projektverbundes „Funktionale Schichten und Grenzflächen: der Direktor des Institutes für Festkörperphysik, Professor Dr. Ludwig Brehmer.
Foto: Rüffert
sem Zweck werden sie auf Trägermaterialien aufgebracht. Das Ergebnis ist eine dünne Schicht, die beispielsweise auf Silicium als Unterlage fixiert wird. Nach ihrem Aufbrin- gen auf eine solche Unterlage kann man die dünne Schicht mit den Molekülen sogar sehen und sie handhaben.
Die Nutzungsmöglichkeiten solcher Moleküle sind nun vielfältig: Sie liegen auch in der Mikrosensorik und dienen beispielsweise dem Nachweis bestimmter umweltrelevanter, toxischer Stoffe oder Strahlung. Sie können aber ebenfalls in der Molekularelektronik angewandt werden, wobei man sich der elektrischen und optischen Eigenschaften der dünnen Schichten bedient, um beispielsweise die Luftfeuchtigkeit in Schiffsladeräumen zu messen. Ein weiteres Einsatzfeld stellt die Präparation von Pyro-Sensoren dar, die infrarote Strahlung messen und dadurch z.B. das Vorhandensein toxischer Gase (wie Stickoxide oder Schwermetalle in Lösung) nachweisen können. Gemeinsam mit Indus- trieauftraggebem hat die WIP-Gruppe „Dünne organische Schichten" übrigens auch für diesen Bereich bereits neue Strukturen entwickelt, die zur Zeit noch erprobt werden. Doch unabhängig von solchen ganz praktischen Anwendungsgebieten liegt die eigentliche Aufgabe sowohl dieser WIP-Gruppe als auch der anderen, im Institut für Festkörperphysik angesiedelten WIP-Gruppen, wie bereits dargestellt, in der Grundlagenforschung: Sie alle wollen molekulare Strukturen herstellen und diese anhand deren Eigenschaften und Wechselwirkungen mit anderen Substanzen als molekulare elektronische Bausteine untersuchen. Und durch die Qualität ihrer Arbeit wiederum hoffen die beteiligten „WIPianer", sich einen Platz in der Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik erobern zu können - sei es nun an der Universität oder dem in Vorbereitung befindlichen An-Institut „Mikrosensorik". Hg.
PUZ 15/94
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