EINE ORDNUNG FÜR DEN UNTERGRUND?
Auf jeden Fall eine Grundordnung für die Universität!
Das Konzil der Universität ist mit dem 3. November 1994 in seine zweite Amtsperiode gegangen. Seine Aufgabe ist unter anderem „die Erörterung und Beschlußfassung der langfristigen Entwicklungsempfehlungen der Hochschule“ (BBHG § 83, 1, 4). In der Praxis hat sich dies bisher auf die Arbeit an einem Entwurf zur „endgültigen“ Grundordnung verengt, nachdem das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur am 5. Juli 1993 der Universität mit Erlaß einer „vorläufigen“ Grundordnung die notwendige, aber keineswegs hinreichende Grundlage für das Zusammenspiel der verschiedenen Gruppen an der Universität, von Verwaltung und akademischer Selbstverwaltung und schließlich von universitärer Autonomie und staatlicher Administration geschaffen hatte. Auf seiner konstituierenden Sitzung am 27. Januar 1994 hatte das 1. Konzil eine „Grundordnungskommission“ gewählt, der für die Gruppe der Studenten Nordmann, für die nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Roswitha Schwerdtfeger und für den Mittelbau Baumann angehörten. Anstelle des ursprünglich gewählten, aber verhinderten Vorsitzenden übernahm Prof. Dr. Joachim Gessinger, Direktor des Institutes für Germanistik, auf Beschluß des Konzilsvorstandes die Leitung der Kommission. Er läßt die bereits geleistete und noch zu leistende Arbeit Revue passieren:
„Die Arbeit der Kommission soll mit der neuen Grundordnung einen Rahmen schaffen, der genügend explizit ist, um eine Orientierung für kurz- und mittelfristige Sach- und Strukturentscheidungen und die Entscheidungsverfahren selbst zu geben, um die Rechte und Pflichten der Universitätsmitglieder hinreichend präzise zu bestimmen und den inneruniversitären Interessenausgleich wie das Verhältnis von Staat und Universität im Sinne der Rechtssicherheit zu formalisieren, der genügend weit ist, um künftige Entscheidungen nicht zu behindern und sich mit Veränderungen der wissenschaftspolitischen Landschaft auseinandersetzen zu können. Kurz: er soll jenen Handlungsspielraum abstecken, der notwendig ist, um schleichender Sklerose und periodisch auftretenden krisenhaften Brüchen, wie sie in den letzten 30 Jahren an (west)deutschen Universitäten zu beobachten waren, durch fortwährende Ausentwicklung des wissenschaftlichen Potentials dieser Universität entgegenzuwirken. Nicht zuletzt muß die neue Grundordnung so konsensfähig sein, daß sich in ihr das Selbstverständnis der Universitätsmitglieder insgesamt artikuliert.
Dieses nicht ganz einfache Vorhaben, das Zeit für die Ausarbeitung, die öffentliche Diskussion möglicher Alternativen und die politische Durchsetzung braucht, ist zusätzlich dadurch erschwert, daß die Universität aus der Gründungsphase heraus gegenwärtig den notwendigen Prozeß der inneren Strukturierung und Konsolidierung durchläuft, ein Prozeß, der - gerade weil die Diskussion über die Grundordnung bisher nicht stattgefunden und diese Universität noch keine wirkliche, autochthone 'Verfassung’ hat - ziemlich naturwüchsig und teilweise unter der Oberfläche abläuft:
Die Universitätsverwaltung gibt häufig in starkem Maße Entscheidungen vor oder entscheidet selbst auch dort, wo sie Vorgaben
der Selbstverwaltungsgremien zu exekutieren hätte. Dies nicht aus böser Absicht, sondern u.a. auch deshalb, weil die Universität von der Ministerialbürokratie unter immensen Zeitdruck gesetzt wird, was zu kurzatmigem Pragmatismus zwingt, sorgfältige und weitsichtige Argumentation verhindert und jede universitätsöffentliche Partizipation an Entscheidungsprozessen aushebelt.
Von manchen Ministerialen (nicht unbedingt des Wissenschaftsministeriums) wird die Universität eher als nachgeordnete Behörde behandelt. Auch hier unterstelle ich keine böse Absicht, sondern Mangel an administrativer Professionalität in Sachen Hochschulplanung, -finan- zierung und -recht, ein Defizit, das auch durch guten Willen und Kooperativität nicht geheilt werden kann. So hat es zwischen den zuständigen akademischen Gremien der Universität, der Universitätsverwaltung, den beteiligten Ministerien (Wissenschaft, Bildung, Finanzen, Verkehr etc.) und der Potsdamer Stadtverwaltung keine gemeinsame Beratung über die mittelfristige Ausbauplanung der Universität Potsdam, geschweige denn über die Hochschulplanung des Landes insgesamt, gegeben. Stattdessen belegen Berechnungen von zweifelhafter Seriosität und Provenienz die Szene, die nicht nur jede Rationalität und Transparenz von Planungsprozessen, sondern die rechtzeitige Klärung mittelfristig wichtiger Rahmenbedingungen verhindern, nämlich u.a. die Gewichtung der drei Hochschulstandorte in Brandenburg und der zukünftige Stellenwert der Universität Potsdam nach der geplanten Länderfusion Brandenburg-Berlin. Die für die
Zukunft der Hochschule notwendige Profilbildung z.B. über Akzentsetzungen in der Lehre ('innovative Studiengänge') und Forschung (Vernetzung mit außeruniversitärer Forschung, Innovationskollegs) wird durch dererlei Rechenwerke behindert, durch administrative Vorgaben wie jene, freie Mitarbeiterstellen nur als 2/3 BAT/Ost-Stellen ausschreiben zu können, geradezu verhindert.
Entscheidungen sind häufig an Partikularinteressen orientiert, weil der Universität der Gesamtrahmen fehlt, der für einen Interessenausgleich zwischen den notwendigerweise unterschiedlichen Teilen sorgen könnte. Partikularinteressen können personen-, fach- oder statusbezogen sein oder aus forschungspolitischen Trends Kapital schlagen und wirken sich auf die Verteilung der personellen und finanziellen Ressourcen der Universität aus. Da gerade hier oft nach dem Windhundprinzip verfahren wurde (wer zuerst kommt, bekommt am meisten) und die Mittel knapper werden, droht der weitere Ausbau der Universität zunehmend aus dem Lot zu geraten: Bisher weniger ausgebaute Bereiche könnten Torso bleiben, saturierte, gut ausgestattete Bereiche können mit entsprechenden Erfolgen in Forschung und Lehre weitere Mittel beanspruchen, vor allem auch leichter Drittmittel einwerben.
Das wenig innovative Brandenburgische Universitätsgesetz bedarf schon einer Lesart gegen den Strich, die Universität eines hohen Maßes an inter- und transdisziplinären Strukturen und an weitsichtiger Kooperativität, um strukturelle Verzerrungen auf Dauer zu vermeiden. In der gegenwärtigen Ausbau- und Konsolidierungsphase der Universität werden Weichen für die zukünftige Entwicklung gestellt. Dies betrifft vor allem die qualitative Struktur des akademischen Mittelbaus und die Festlegung der Prioritäten für auszuschreibende Professuren in den nächsten Jahren.
So werden seit Beginn dieses Jahres die laufenden Mittel für Sachausgaben in Lehre und Forschung nicht mehr, wie zuvor, den Fächern, sondern den einzelnen Professoren direkt zugewiesen - und dies nach Maßgabe der Berufungszusagen. Kollegialorgane wie z.B. Fakultätsräte oder Fakultätsplanungskommissionen, in denen auch Mittelbau und Studenten vertreten sind, wären der Ort, wo Mittelbedarf begründet und ausgehandelt werden sollte. Statt ihrer bekommt die von einigen Hochschullehrern gewünschte und vom Senat konzedierte, im Branden- burgischen Hochschulgesetz (BBHG) allerdings vergessene und daher keinen Rechts-
Die Universitätsverwaltung ist in der Regel immer noch besser informiert als die inzwischen eingerichteten und arbeitsfähigen akademischen Selbstverwaltungsorgane.
PUZ 15/94
Seite 33