Heft 
(1.1.2019) 15
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EINE ORDNUNG FÜR DEN UNTERGRUND?

Auf jeden Fall eine Grundordnung für die Universität!

Das Konzil der Universität ist mit dem 3. November 1994 in seine zweite Amtspe­riode gegangen. Seine Aufgabe ist unter anderemdie Erörterung und Beschluß­fassung der langfristigen Entwicklungsempfehlungen der Hochschule (BBHG § 83, 1, 4). In der Praxis hat sich dies bisher auf die Arbeit an einem Entwurf zurend­gültigen Grundordnung verengt, nachdem das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur am 5. Juli 1993 der Universität mit Erlaß einervorläufigen Grundordnung die notwendige, aber keineswegs hinreichende Grundlage für das Zusammenspiel der verschiedenen Gruppen an der Universität, von Verwaltung und akademischer Selbstverwaltung und schließlich von universitärer Autonomie und staatlicher Administration geschaffen hatte. Auf seiner konstituierenden Sitzung am 27. Januar 1994 hatte das 1. Konzil eineGrundordnungskommission gewählt, der für die Gruppe der Studenten Nordmann, für die nichtwissenschaftlichen Mit­arbeiter Dr. Roswitha Schwerdtfeger und für den Mittelbau Baumann angehörten. Anstelle des ursprünglich gewählten, aber verhinderten Vorsitzenden übernahm Prof. Dr. Joachim Gessinger, Direktor des Institutes für Germanistik, auf Beschluß des Konzilsvorstandes die Leitung der Kommission. Er läßt die bereits geleistete und noch zu leistende Arbeit Revue passieren:

Die Arbeit der Kommission soll mit der neu­en Grundordnung einen Rahmen schaffen, der genügend explizit ist, um eine Orientie­rung für kurz- und mittelfristige Sach- und Strukturentscheidungen und die Entschei­dungsverfahren selbst zu geben, um die Rechte und Pflichten der Universitätsmit­glieder hinreichend präzise zu bestimmen und den inneruniversitären Interessenaus­gleich wie das Verhältnis von Staat und Uni­versität im Sinne der Rechtssicherheit zu for­malisieren, der genügend weit ist, um künf­tige Entscheidungen nicht zu behindern und sich mit Veränderungen der wissenschafts­politischen Landschaft auseinandersetzen zu können. Kurz: er soll jenen Handlungsspiel­raum abstecken, der notwendig ist, um schleichender Sklerose und periodisch auftre­tenden krisenhaften Brüchen, wie sie in den letzten 30 Jahren an (west)deutschen Univer­sitäten zu beobachten waren, durch fortwäh­rende Ausentwicklung des wissenschaftli­chen Potentials dieser Universität entgegen­zuwirken. Nicht zuletzt muß die neue Grund­ordnung so konsensfähig sein, daß sich in ihr das Selbstverständnis der Universitätsmit­glieder insgesamt artikuliert.

Dieses nicht ganz einfache Vorhaben, das Zeit für die Ausarbeitung, die öffentliche Dis­kussion möglicher Alternativen und die po­litische Durchsetzung braucht, ist zusätzlich dadurch erschwert, daß die Universität aus der Gründungsphase heraus gegenwärtig den notwendigen Prozeß der inneren Struk­turierung und Konsolidierung durchläuft, ein Prozeß, der - gerade weil die Diskussion über die Grundordnung bisher nicht stattgefunden und diese Universität noch keine wirkliche, autochthone 'Verfassung hat - ziemlich na­turwüchsig und teilweise unter der Oberflä­che abläuft:

Die Universitätsverwaltung gibt häufig in starkem Maße Entscheidungen vor oder ent­scheidet selbst auch dort, wo sie Vorgaben

der Selbstverwaltungsgremien zu exekutie­ren hätte. Dies nicht aus böser Absicht, son­dern u.a. auch deshalb, weil die Universität von der Ministerialbürokratie unter immen­sen Zeitdruck gesetzt wird, was zu kurzat­migem Pragmatismus zwingt, sorgfältige und weitsichtige Argumentation verhindert und jede universitätsöffentliche Partizipation an Entscheidungsprozessen aushebelt.

Von manchen Ministerialen (nicht unbedingt des Wissenschaftsministeriums) wird die Universität eher als nachgeordnete Behörde behandelt. Auch hier unterstelle ich keine böse Absicht, sondern Mangel an admini­strativer Professionalität in Sachen Hoch­schulplanung, -finan- zierung und -recht, ein Defizit, das auch durch guten Willen und Kooperativität nicht geheilt werden kann. So hat es zwi­schen den zuständi­gen akademischen Gremien der Univer­sität, der Universi­tätsverwaltung, den beteiligten Ministerien (Wissenschaft, Bil­dung, Finanzen, Verkehr etc.) und der Pots­damer Stadtverwaltung keine gemeinsame Beratung über die mittelfristige Ausbau­planung der Universität Potsdam, geschwei­ge denn über die Hochschulplanung des Lan­des insgesamt, gegeben. Stattdessen bele­gen Berechnungen von zweifelhafter Seriosi­tät und Provenienz die Szene, die nicht nur jede Rationalität und Transparenz von Planungsprozessen, sondern die rechtzeitige Klärung mittelfristig wichtiger Rahmenbedin­gungen verhindern, nämlich u.a. die Gewich­tung der drei Hochschulstandorte in Bran­denburg und der zukünftige Stellenwert der Universität Potsdam nach der geplanten Länderfusion Brandenburg-Berlin. Die für die

Zukunft der Hochschule notwendige Profil­bildung z.B. über Akzentsetzungen in der Lehre ('innovative Studiengänge') und For­schung (Vernetzung mit außeruniversitärer Forschung, Innovationskollegs) wird durch dererlei Rechenwerke behindert, durch admi­nistrative Vorgaben wie jene, freie Mitar­beiterstellen nur als 2/3 BAT/Ost-Stellen ausschreiben zu können, geradezu verhin­dert.

Entscheidungen sind häufig an Partikular­interessen orientiert, weil der Universität der Gesamtrahmen fehlt, der für einen Interes­senausgleich zwischen den notwendigerwei­se unterschiedlichen Teilen sorgen könnte. Partikularinteressen können personen-, fach- oder statusbezogen sein oder aus for­schungspolitischen Trends Kapital schlagen und wirken sich auf die Verteilung der per­sonellen und finanziellen Ressourcen der Universität aus. Da gerade hier oft nach dem Windhundprinzip verfahren wurde (wer zu­erst kommt, bekommt am meisten) und die Mittel knapper werden, droht der weitere Ausbau der Universität zunehmend aus dem Lot zu geraten: Bisher weniger ausgebaute Bereiche könnten Torso bleiben, saturierte, gut ausgestattete Bereiche können mit ent­sprechenden Erfolgen in Forschung und Leh­re weitere Mittel beanspruchen, vor allem auch leichter Drittmittel einwerben.

Das wenig innovative Brandenburgische Universitätsgesetz bedarf schon einer Lesart gegen den Strich, die Universität eines hohen Maßes an inter- und transdisziplinären Struk­turen und an weitsichtiger Kooperativität, um strukturelle Verzerrungen auf Dauer zu ver­meiden. In der ge­genwärtigen Aus­bau- und Konsolidie­rungsphase der Uni­versität werden Wei­chen für die zukünfti­ge Entwicklung ge­stellt. Dies betrifft vor allem die qualitative Struktur des akade­mischen Mittelbaus und die Festlegung der Prioritäten für auszuschreibende Profes­suren in den nächsten Jahren.

So werden seit Beginn dieses Jahres die lau­fenden Mittel für Sachausgaben in Lehre und Forschung nicht mehr, wie zuvor, den Fä­chern, sondern den einzelnen Professoren direkt zugewiesen - und dies nach Maßga­be der Berufungszusagen. Kollegialorgane wie z.B. Fakultätsräte oder Fakultätspla­nungskommissionen, in denen auch Mittel­bau und Studenten vertreten sind, wären der Ort, wo Mittelbedarf begründet und ausge­handelt werden sollte. Statt ihrer bekommt die von einigen Hochschullehrern gewünsch­te und vom Senat konzedierte, im Branden- burgischen Hochschulgesetz (BBHG) aller­dings vergessene und daher keinen Rechts-

Die Universitätsverwaltung ist in der Regel immer noch besser informiert als die inzwischen eingerichteten und arbeitsfähi­gen akademischen Selbstver­waltungsorgane.

PUZ 15/94

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