Heft 
(1.1.2019) 01
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Wirtschaftsaufschwung Ostdeutschlands sichern

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland auf über vier Millionen war für den Präsidenten des Europäischen In­stitutes für internationale Wirtschaftsbezie­hungen an der Universität Potsdam (EIIW) und Professor für Wirtschaftspolitik mit dem Schwerpunkt Internationale Wirt­schaftsbeziehungen in der Wirtschafts­und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Paul J.J. Welfens, Anlaß, auf einer kürzlich stattgefundenen Tägung des EIIW Forderungen hinsichtlich der wirtschaftli­chen Entwicklung in Ostdeutschland zu äußern. Vor dem Hintergrund der allge­mein gültigen Bedeutung des Themas sei­en sie nachfolgend in Auszügen abge­druckt:

Ostdeutschland hat den Sprung in die Marktwirtschaft geschafft, aber der Aufhol­prozeß bei Produktivität, Vollbeschäfti­gungsgrad und Internationalisierung ist akut gefährdet. Eine Neubestimmung der Politikprioritäten ist - zumal angesichts von Widersprüchen zwischen Erwartungen der Bevölkerung und der Realität - dringlich. Eine verstärkte Internationalisierung der Wirtschaft der neuen Bundesländer könnte zusammen mit einer Lohnpause und einem Beschäftigungs- und Forschungspakt Auf­schwung Ost" den Aufholprozeß sichern helfen.

Im siebenten Jahr der Wiedervereinigung ist der ökonomische bzw. produktivitäts­mäßige Aufholprozeß in Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland zu immerhin mehr als einem Drittel realisiert. Denn von etwa 28% der westdeutschen Arbeitspro­duktivität in 1990 ausgehend, konnte man bis Ende 1995 die Marke von 55% errei­chen. Die neuen Bundesländer trugen aller­dings nur etwa 2% zu den gesamtdeutschen Exporten bei, während ein Normalanteil - gemessen am Bevölkerungsanteil - zehn­mal so hoch wäre. Der Anteil Ostdeutsch­lands an den gesamtdeutschen Direkt­investitionsbeständen beträgt weniger als 1/20, so daß die jahrzehntelang von den Weltmärkten abgeschottete ostdeutsche Wirtschaft auch unter mangelnder Präsenz von multinationalen Unternehmen leidet. Solche Unternehmen schaffen Arbeitsplät­ze, tragen zum Tbchnologietransfer bei und unterstützen die Einbindung in die interna­tionale Arbeitsteilung. Der Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland beruht we­sentlich auf der Integration in die internatio­nale Arbeitsteilung durch Außenhandel und Direktinvestitionen (Investitionszufluß von ausländischen Unternehmen). Wenn die neuen Bundesländer im Lebensstandard mit Westdeutschland gleichziehen sollen,

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dann müssen sie auch ähnlich stark interna­tionalisiert sein. Die Integration ausländi­scher Arbeitnehmer und Manager wird da­bei ein selbstverständlicher Bestandteil der Internationalisierung sein müssen.

Eine Expansion bestehender und neuer Unternehmen wird nur möglich sein, wenn einerseits Produktpalette und Herstellungs­verfahren der Unternehmer weiter moder­nisiert werden und wenn gleichzeitig die übernormativen Lohnstückkosten durch Lohnzurückhaltung gesenkt werden. Ande­rerseits sind hohe öffentliche und private Modernisierungsinvestitionen in Ost­deutschland unerläßlich, damit in- und aus­ländische Investoren hinreichend stark in­vestieren und eine leistungsfähige industri­elle Basis entsteht. Ostdeutschland ist im Vergleich zu Westdeutschland unterindu­strialisiert, was angesichts der engen Ver­bindung von Dienstleistungsexpansion und industrieller Basis bzw. Forschungsintensi­tät höchst problematisch ist. Die gegenüber Westdeutschland schmale Forschungsba­sis Ostdeutschlands kann nicht allein da­durch aufgebaut werden, daß von den je­weiligen Bundesländern die hochschulbe- zogene Forschungslandschaft finanziell stark gefährdet wird. Vielmehr ist ergän­zend die Stärkung der F&E -Aktivitäten in­ländischer Unternehmen sowie ein Zuzug von multinationalen technologieorientierten Unternehmen durch investorfreundliche re­gionale und kommunale Standortpolitik not­wendig.

Sinnvoll wäre eine vierjährige Aussetzung der Lohnparitätsvereinbarungen, wenn im Gegenzug durch ein auf Ostdeutschland beschränktes Bundes-Sonderforschungs- programm Innovationsimpulse für das Schließen der Ost-West-Produktivitätssche­re vermittelt würden. Damit nicht der fal­sche Eindruck entsteht, daß Westdeutsche den ostdeutschen Arbeitnehmern eine fai­re Lohnangleichung nicht gönnen wollen, könnte von allen Politikern ein vorbildlicher eigener Gehaltsanpassungsverzicht (abge­sehen von der Inflationsrate) für vier Jahre erklärt werden.

Der Etat des Bundesministeriums für Bil­dung, Wissenschaft, Forschung und Tech­nologie wäre zwecks Forschungsförderung in Ostdeutschland um mindestens 1/3 für etwa zehn Jahre zu erhöhen - alternativ wäre die Errichtung einer von der Kreditan­stalt für Wiederaufbau gestützten Sonder­organisationInnovationsoffensive Ost­deutschland . Viele ostdeutsche Arbeitneh­mer werden eine subjektive Gerechtigkeits­lücke bzw. Entlohnungsdifferenz gegen­über Westdeutschland durchaus akzeptie­ren, wenn diese temporär und ein Garant ist für mittelfristig wesentlich höheres Wachs­tum und sinkende Arbeitslosenquoten dank verbesserter Forschungs- und Entwick­lungsergebnisse. Paul J.J. Welfens

Lateinunterricht

vermittelt

Schlüsselqualifikationen

Im Rahmen des Brandenburgischen Sprachentages, der kürzlich an der Uni­versität Potsdam stattfand, hatte auch der Deutsche Altphilologenverband zu einer Aussprache über Probleme des Latein­unterrichts im Land Brandenburg einge­laden. Während das Interesse am Fach Latein wächst, verhindern zahlreiche ad­ministrative Regelungen eine deutliche Ausbreitung des Unterrichtsangebotes.

So darf Latein nach wie vor nicht als

1. Fremdsprache unterrichtet werden, als

2. Fremdsprache (ab Klasse 7) scheitert es vielfach am Fehlen einer (dafür notwendi­gen) zweiten Fachkraft. Als 3. Fremdspra­che (ab Klasse 9) schließlich ist Latein (wie auch andere Sprachen) durch die Organi­sation der Oberstufe bedroht, die Fächer wie Technik sprachlichen Fähigkeiten ge­genüber bevorzugt. Eine Priorität für die Fortführung der 3. Fremdsprache und klei­nere Mindestkursgrößen könnten hier Ab­hilfe schaffen.

Scharfe Kritik richtete sich gegen die Hal­tung des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, trotz der hohen Zahl fehlender Lateinlehrer das Fach nicht zum Mangelfach zu erklären. Als Folge erhalten diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die durch ein Erweiterungsstudium Latein entsprechende Qualifikationen erwerben, keine Reduktion ihrer Lehrverpflichtung, während das Studi­um anderer Fächer mit bis zu fünf Wochen­stunden Reduktion unterstützt wird. Ent­täuscht zeigten sich die Tteilnehmer gerade deswegen über das Ausbleiben von Vertre­tern des Ministeriums. Schließlich vermitte­le der Lateinunterricht, so waren sich die Anwesenden einig, gerade in einer sich schnell verändernden Welt und einem wach­senden Europa Schlüsselqualifikationen. Von der historischen Rolle des Lateinischen ganz abgesehen, erwachsen aus dem Um­gang mit einer zeitlich entfernten und über­nationalen Kultur und Sprache Perspektiven gesellschaftlicher Entwicklungen und kultu­reller Toleranz, die heutigen Schulunterricht zur Ausbildung für morgen und nicht von gestern werden lassen.

Im Anschluß an die Aussprache stellten Vertreter der Klassischen Philologie an der Universität Potsdam, mit der eine enge Zu­sammenarbeit vereinbart wurde, dieAnti­ke im Internet und computergestützte Lernprogramme vor. Auch hier wurdeme­diale Kompetenz, die durch den Umgang mit fremdartigen Unterrichtsgegenständen gefördert wird, als eine Schlüsselqualifi­kation schulischer Bildung bestimmt.

Jörg Rüpke

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