Heft 
(1.1.2019) 04
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PERSONENKULT UM STALIN HATTE AUCH IN POTSDAM BODEN

Ulrich Bernhardt zur Geschichte der Deutschen Akademie für Staats- und RechtswissenschaftWalter Ulbricht

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam ging mittelbar aus der Deutschen Aka­demie-für Staats- und RechtswissenschaftWalter Ulbricht(DASR) hervor, die ihrer­seits wiederum aus der Deutschen Verwaltungsakademie(DVA) entstanden war. Im Gefüge der rechtswissenschaftlichen Bildungseinrichtungen hatte die SED dem Stand­ort Babelsberg eine exponierte Stellung zugedacht: So setzte die für Rechtsfragen zu­ständige Abteilung im Zentralkomitee(ZK) der SED seit Mitte der fünfziger Jahre al­les daran, die rechtswissenschaftliche Forschung an der Akademie in Babelsberg zu monopolisieren und auf diesem Weg Einfluß auf die Arbeit der übrigen juristischen Fakultäten zu gewinnen. Eine im Februar 1997 im Peter Lang Verlag erschienene Dis­sertation von Ulrich Bernhardt überDie Deutsche Akademie für Staats- und Rechts­wissenschaft Walter Ulbricht 1948 1971 untersucht nun das schwierige Verhältnis zwischen Hochschule und Partei. Ein darin enthaltenes Kapitel ist dem Personenkult um Stalin gewidmet. PUTZ veröffentlicht einen Auszug der Arbeit:

Die letzten Schriften des Generalissimus über Sprachwissenschaft und die Proble­me der Ökonomie im Sozialismus sowie seine Äußerungen in Interviews galten für die Arbeit der DVA wie für die gesamte DDR-Wissenschaft als verbindlich. An der staats- und rechtswissenschaftlichen Fakul­tät der DVA fand Anfang Dezember 1951 eine theoretische Konferenz statt, die das letzte Werk Stalins für die einzelnen Fach­gebiete der Akademie fruchtbar machen sollte. Staats- und Rechtswissenschaft, Staat und Verwaltung wurden im Lichte von Stalins ArbeitDer Marxismus und die Fra­gen der Sprachwissenschaft ausgewertet. Stalin hatte darin dem Recht eine aktive Rolle beim Aufbau des marxistischen Staa­tes zugewiesen. Wichtig war deshalb, daß sich die Auswertung auch in der Arbeit der Institute niederschlug. Akademieintern ver­folgte der Rektor, inwieweit die Ergebnisse der Konferenz in der Arbeit der Fakultäten berücksichtigt wurden. Folgsam teilte die rechtswissenschaftliche Fakultät'dem ZK der SED konkrete Resultate als Folge der Konferenz mit, indem sie die stalinistischen Postulate bemühte:

Bisher fand eine Teilung der Vorlesung über den bürgerlichen Staat statt, indem erst der Staat in der vormonopolistischen Epoche und dann der Staat im Imperialismus behan­delt wurde. Aufgrund der Auswertung der Arbeit Stalins-hat sich diese Teilung als falsch erwiesen und wird nicht mehr durch­geführt(...) Im Institut für Verwaltungsrecht wurde daraufhin die ganze Vorlesungs­systematik umgestellt. Es erfolgte die kon­krete Herausarbeitung des Gegenstandes des Verwaltungsrechts, insbesondere der Prinzipien der Verwaltung in der antifaschi­stisch-demokratischen Ordnung.

Auch an der außenpolitischen Fakultät strengten sich die Mitarbeiter an, ein ge­schäftiges Bild abzugeben. Die Vorlesung Begriff und Wesen des Völkerrechts wur­denach den Hinweisen Stalins neu aufge­baut, die VorlesungsreiheGeschichte der

Diplomatie wurdeüberprüft bzw. korri­giert. Zugleich wurde ein wissenschaftli­cher Mitarbeiter der Fakultät zur Kontrolle derPrawda,Iswestija,Literaturzeitung undNachrichten der Akademie der Wissen­schaften der UdSSR auf Beiträge, die zu Stalins Arbeit Bezug nahmen, abgestellt. Merkmale des stalinistischen Systems wa­ren aber-auch dieBeschwörung der Freund­schaftmit dem sowjetischen Volk und die pseudoreligiöse Verehrung der Person Sta­lins. Dieser Personenkult trieb auch an der Akademie zuweilen groteske Blüten. Zum 73. Geburtstag desgenialsten Wissen­schaftlers und Staatsmannes unserer Zeit am 21. Dezember 1952 rief dasKomitee für die Durchführung des Monats der deutsch­sowjetischen Freundschaft unter dem Vor­sitz des Rektors Kleyer alle Kolleginnen und Kollegen auf, durch die Ausschmückung der Wohnhäuser und Dienstgebäude zur festlichen Gestaltung des Tages beizutra­gen:Entfaltet Eure Inıtiative, damit unse­re Akademie zu Ehren Stalins am 21. De­zember in einem noch nie gekannten Fest­kleid erstrahlt....

Die Geburtstagsfeier begann um 9.00 Uhr morgens mit einem Festakt im Festsaal des Kulturhauses der Eisenbahner und endete mitTanz in allen Sälen ab 21.30 Uhr. Zwi­schen den Festansprachen sorgte das Kultur­ensemble der DVA durch Darbietungen wie Du hast die Welt befreit,Die Flamme lo­dert oderMächtig steigt aus Schächten und Fabriken(Stalinlied) für die festliche Untermalung. Höhepunkte der Feier stellten die Wahl eines Ehrenpräsidiums und ein nächtlicher Fackelzug dar. An dem Fackel­zug nahmen ungefähr 2000 Personen teil, die sich aus den Studierenden, den Angehöri­gen des Lehrkörpers und den Belegschafts­angehörigen einschließlich deren Frauen und Familienangehörigen sowie den Ange­hörigen der Hochschule der Justiz zusam­mensetzten. An der Spitze des Zuges wurde ein Stalin-Portrait getragen. Dahinter eine Losung mit dem Text:Lang lebe der große

Stalin, der Führer und weise Lehrer aller Werktätigen der Welt.

Bereits zehn Wochen nach dem Festakt muß­ten die Studenten Stalins Krankheit zur Kenntnis nehmen.In aufrichtiger Sorge und ihrenbesten Freund telegrafierten die Studenten der Seminargruppe IX der DASR an den Ministerrat der UdSSR:Ihm als dem Führer der Friedenskräfte der Welt gelten unsere tiefsten und herzlichsten Wünsche für seine baldige Genesung, damit der Welt ihr größter Sohn noch lange erhalten bleibe. Unsere Freundschaft zum großen Sowjet­volke ist unerschütterlich. Als Stalin am 6. März starb, kondolierte die DASR ‚Walter Ulbricht denteuren Genossen vom ZK der KPdSU noch am selben Tag:

Das sowjetische Volk, die Kommunistische Partei der Sowjetunion, die internationale Arbeiterklasse und ihre Parteien sowie die ganze fortschrittliche friedliebende Menschheit haben in Stalin ihren großen Führer im Kampf um Frieden, nationale Unabhängigkeit, Demokratie und Sozialis­mus verloren, dessen ganzes Denken und Leben der Befreiung der Werktätigen in al­Jer Welt gewidmet war(...) In tiefer Trauer um unseren geliebten Genossen Stalin ge­loben wir, die Freundschaft zum mächtigen Sowjetvolk der Partei Lenins und Stalins zu festigen, unseren Kampf um Frieden, Ein­heit, Demokratie und Sozialismus zu ver­stärken, unsere Verteidigungsbereitschaft und Wachsamkeit zu erhöhen und uns noch enger um unsere Sozialistische Einheitspar­tei zusammenzuschließen. Es lebe der un­sterbliche Name und das unsterbliche Werk des Genossen Stalin!"

Zwei Monate später, zum achten Jahrestag der deutschen Kapitulation, bekräftigten Par­teileitung und Senat, daß sie die Erinnerung an Stalin an der Akademie wachhalten woll­ten:Heilig ist uns das Vermächtnis unseres unvergeßlichen Josef Wissarionowitsch Sta­lin, des besten Freundes des deutschen Volkes, die Freundschaft zu den Völkern der Sowjetunion zu festigen und zu vertiefen. Wir sind bereit, die Sowjetunion bis zu un­serem letzten Blutstropfen zu verteidigen, wenn die Imperialisten es wagen Sollten, sie zu überfallen. Daß es der Akademieleitung ernst war mit der kämpferischen Vermächt­nispflege, bewies sie mit der Veranstaltung zu Stalins Todestag im folgenden Jahr. Der erste Sekretär der Betriebsparteiorganisa­tion hielt eine Ansprache, Die Organisatio­nen sowie die Akademieleitung legten Krän­ze nieder. Die FDJ stellte in der Zeit von 17 bis 18 Uhr(Zwei Mann, die alle 30 Minuten abgelöst werden) eine Sonderwache in FDJ-Kleidung und mit Gewehr ausgestattet.

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PUTZ 4/97