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VERWEIGERTE TOLERANZ
Julius H. Schoeps über die mißglückte Emanzipation der Juden
„In gleichem Maße jedoch, in dem der deutsche Wille an Schärfe und Gestalt gewinnt“, schrieb 1930 Ernst Jünger,„wird für den Juden auch der leiseste Wahn, in Deutschland Deutscher sein zu können, unvollziehbarer werden, und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen: in Deutschland entweder Jude zu sein oder nicht zu sein.“ Jüngers kultureller Antisemitismus ist verglichen mit völkisch-rassistischen Varianten harmlos, markiert aber das endgültige Scheitern des Versuchs der Juden, sich im deutschen Nationalstaat als gleichberechtigte Bürger zu integrieren. Ein deutsches Phänomen war die Ausgrenzung der Juden nicht. Die Besonderheit der deutschen Spielart lag allerdings in der Zivilisationskritik. Der Jude galt als Sohn des mit dem deutschen Wesen völlig unvereinbaren Liberalismus. Die„Liquidierung des liberalen Systems“, sprich der Demokratie, hieß für Jünger und die konservativrevolutionären Denkerkreise der Weimarer Republik in letzter Konsequenz auch, das udentum zu zerschlagen— eine Wechselwirkung, die sich historisch mit folgenschwerer Konsequenz bewahrheitete.
In seinem neuen Buch„Deutsch-jüdische Symbiose oder Die mißglückte Emanzipaion“ analysiert Julius H. Schoeps die Vorboen dieser Entwicklung.„Konservativ war,
TIPS FÜR FORSCHER
Einen„Finanzratgeber“ für ambitionierte Wissenschaftler hat das rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerium kürzlich veröffentlicht. Im„Forschungshandbuch’97“ werden die Programme von den 500 wissenschaftsfördenden Institutionen und Stiftungen, die überregional tätig sind, vorgestellt. Forschern, Hochschullehrern und vor allem dem wissenschaftlichen Nachwuchs soll damit die Suche nach Fördergeldern für Forschungsprojekte erleichtert werden. EinKchtungen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst oder die Volkswagen-Stiftung werden ausführlich vorgestellt. Daneben sind Programme von Bundes- und Landesministerien sowie der Europäischen Union enthalten. Den Kern des 350 Seiten starken Nachschlagewerkes bildet jedoch das Kapitel„Spezifische Förderinstitutionen“.
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Das„Forschungshandbuch’97“ kann bei Dr. Peter Großkreutz, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz, Postfach 32 20, 55022 Mainz oder per Fax unter 06131/162 800 für den Preis von 23,50 DM zuzüglich VerSandkosten bestellt werden.
wer sich gegen die Juden aussprach, und als liberal galt, wer sich für die Juden und deren Forderungen einsetzte“, schreibt der Historiker und Direktor des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums. Die Schlußfolgerung ist so simpel wie ihre innere Logik plausibel. Von der Französischen Revolution ausgehend über die Revolution von 1848 bis zu den antiliberalen Ressentiments im deutschen Nationalstaat analysiert Schoeps anhand von Debatten, Schrifttum und Personalia den Parcours der jüdischen Emanzipation. Die jüdische Majorität begriff, daß„ihre politische, rechtliche, soziale und kulturele Eingliederung in die deutsche Gesellschaft aufs engste verknüpft war mit dem Erreichen(...) demokratischer Verhältnisse“, Die Hoffnung lag in Deutschland in der 1848er Revolution. Ihr Scheitern bedeutete einen herben Rückschlag. Zwar brachte der„Emanzipationsprozeß schrittweise rechtliche Gleichstellung, aber nicht
die gesellschaftliche Anerkennung“. Die geistige Gemengelage von konfessioneller Staatsidee und nationalen Elementen war der unheilvolle konservative Sud, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts publizistisch gekocht wurde und den völkischen Antisemitismus nährte. Daß sich trotzdem die meisten Juden als„Deutsche jüdischer Konfession“(Riesser) empfanden und glaubten, integraler Bestandteil der deutschen Nation zu sein, gehört zum fatalen Selbstbetrug, dem viele jüdische Mitbürger noch nach 1933 erlagen. Was Schoeps vordergründig nur zu reflektieren scheint und auf das jüdische Schicksal projiziert, ist darauf nicht verkürzbar. Vielmehr ist das Buch angesichts neuer chauvinistischer Töne, stereotyper Vorurteile und Integrationsverweigerungen eine aktuelle Anfrage an die Toleranz unserer heutigen Gesellschaft. Ansgar Oswald
Julius H. Schoeps: Deutsch-jüdische Symbiose oder Die mißglückte Emanzipation, Philo-Verlag, Berlin 1997, 420 Seiten, gebunden, 64,-DM.
BABELSBERG FÜR TOURISTEN Monographie taugt lediglich als Reiseführer
Waschechte Babelsberger sind keine Potsdamer, obwohl das Gemeinwesen rund um das berühmte Filmgelände seit Jahrzehnten von der brandenburgischen Landeshauptstadt aus regiert wird. Aber den Babelsberger stört das nicht— wenn er gen Sanssouci fährt, tut er so, als ginge es in eine andere Stadt. Dieser fast schon separatistische Lokalpatriotismus, von dem auch Zugezogene nach kurzer Zeit ergriffen werden, ist erstaunlich. Schließlich existierte Babelsberg nur ein Jahr als eigenständiges Gemeinwesen. Am 1. April 1938 wurden der Rundling Neuendorf, die böhmische Webersiedlung Nowawes, das Dörfchen Klein-Clienicke und die im vorigen Jahrhundert gegründete Villenkolonie Neubabelsberg von den Nationalsozialisten zur Stadt Babelsberg zusammengefügt. Genau ein Jahr später fand die Eingemeindung nach Potsdam statt.
Eine historische Gesamtdarstellung der bis dato nur lückenhaft aufgearbeiteten Geschichte der vier Gründungskerne Babelsbergs fehlte bisher in der breit gefächerten Potsdam-Literatur. Diese Lücke wollte das Kleinmachnower Autorenehepaar Christa und Johannes Jankowiak mit dem jüngst erschienenen Buch„Babelsberg— Ein Ortsteil Potsdams“ schließen. Leider ist der Versuch gründlich mißlungen.
Auch wenn das Werk nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit erhebt, fällt zunächst das Fehlen der Quellenverweise unangenehm auf. Einer, der sich darüber öffentlich besonders beklagt hat, ist der Denkmalpfleger Jörg Limberg. Er warf den
Autoren geistigen Diebstahl an seinen veröffentlichten Forschungsergebnissen zur Villenkolonie Neubabelsberg vor. Die Jankowilaks haben schlichtweg aus Sekundärquellen abgeschrieben, so Limberg.
Eine genaue Lektüre des Buches erhärtet diesen Verdacht und führt angesichts der groben sachlichen Fehler zusätzlich zu der Erkenntnis, daß die Autoren auch noch schlecht abgeschrieben haben. So gehörte das Ufa-Filmgelände bis 1938 nicht zu Neubabelsberg, wie in dem Buch behauptet wird, sondern immer schon zur konkurrierenden Nachbargemeinde Nowawes, auch wenn die UFA den wohlklingenderen Namen„Neubabelsberg“ für ihre Standortbestimmung verwendete. Eine Tatsache, die die Nowaweser Stadtväter damals
Blickfang Babelsberg: S-Bahnhof
und altes Rathaus. Foto: Fritze
PUTZ 4/97
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