Heft 
(1.1.2019) 04
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VERWEIGERTE TOLERANZ

Julius H. Schoeps über die mißglückte Emanzipation der Juden

In gleichem Maße jedoch, in dem der deutsche Wille an Schärfe und Gestalt ge­winnt, schrieb 1930 Ernst Jünger,wird für den Juden auch der leiseste Wahn, in Deutschland Deutscher sein zu können, unvollziehbarer werden, und er wird sich vor seiner letzten Alternative sehen: in Deutschland entweder Jude zu sein oder nicht zu sein. Jüngers kultureller Antisemi­tismus ist verglichen mit völkisch-rassisti­schen Varianten harmlos, markiert aber das endgültige Scheitern des Versuchs der Ju­den, sich im deutschen Nationalstaat als gleichberechtigte Bürger zu integrieren. Ein deutsches Phänomen war die Ausgren­zung der Juden nicht. Die Besonderheit der deutschen Spielart lag allerdings in der Zivilisationskritik. Der Jude galt als Sohn des mit dem deutschen Wesen völlig unver­einbaren Liberalismus. DieLiquidierung des liberalen Systems, sprich der Demo­kratie, hieß für Jünger und die konservativ­revolutionären Denkerkreise der Weimarer Republik in letzter Konsequenz auch, das udentum zu zerschlagen eine Wechsel­wirkung, die sich historisch mit folgen­schwerer Konsequenz bewahrheitete.

In seinem neuen BuchDeutsch-jüdische Symbiose oder Die mißglückte Emanzipa­ion analysiert Julius H. Schoeps die Vorbo­en dieser Entwicklung.Konservativ war,

TIPS FÜR FORSCHER

EinenFinanzratgeber für ambitionierte Wissenschaftler hat das rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerium kürzlich veröffent­licht. ImForschungshandbuch97 werden die Programme von den 500 wissenschafts­fördenden Institutionen und Stiftungen, die überregional tätig sind, vorgestellt. For­schern, Hochschullehrern und vor allem dem wissenschaftlichen Nachwuchs soll damit die Suche nach Fördergeldern für Forschungsprojekte erleichtert werden. Ein­Kchtungen wie die Deutsche Forschungsge­meinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst oder die Volkswagen-Stif­tung werden ausführlich vorgestellt. Dane­ben sind Programme von Bundes- und Lan­desministerien sowie der Europäischen Union enthalten. Den Kern des 350 Seiten starken Nachschlagewerkes bildet jedoch das KapitelSpezifische Förderinstitutionen.

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DasForschungshandbuch97 kann bei Dr. Peter Großkreutz, Ministerium für Bil­dung, Wissenschaft und Weiterbildung Rheinland-Pfalz, Postfach 32 20, 55022 Mainz oder per Fax unter 06131/162 800 für den Preis von 23,50 DM zuzüglich Ver­Sandkosten bestellt werden.

wer sich gegen die Juden aussprach, und als liberal galt, wer sich für die Juden und deren Forderungen einsetzte, schreibt der Historiker und Direktor des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums. Die Schlußfolgerung ist so simpel wie ihre inne­re Logik plausibel. Von der Französischen Revolution ausgehend über die Revolution von 1848 bis zu den antiliberalen Ressenti­ments im deutschen Nationalstaat analy­siert Schoeps anhand von Debatten, Schrift­tum und Personalia den Parcours der jüdi­schen Emanzipation. Die jüdische Majorität begriff, daßihre politische, rechtliche, soziale und kulturel­e Eingliederung in die deutsche Gesell­schaft aufs engste verknüpft war mit dem Erreichen(...) demokratischer Verhältnis­se, Die Hoffnung lag in Deutschland in der 1848er Revolution. Ihr Scheitern be­deutete einen herben Rückschlag. Zwar brachte derEmanzipationsprozeß schritt­weise rechtliche Gleichstellung, aber nicht

die gesellschaftliche Anerkennung. Die geistige Gemengelage von konfessioneller Staatsidee und nationalen Elementen war der unheilvolle konservative Sud, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts publizistisch gekocht wurde und den völkischen Antise­mitismus nährte. Daß sich trotzdem die meisten Juden alsDeutsche jüdischer Konfession(Riesser) empfanden und glaubten, integraler Bestandteil der deut­schen Nation zu sein, gehört zum fatalen Selbstbetrug, dem viele jüdische Mitbür­ger noch nach 1933 erlagen. Was Schoeps vordergründig nur zu reflektieren scheint und auf das jüdische Schicksal projiziert, ist darauf nicht verkürzbar. Vielmehr ist das Buch angesichts neuer chauvinisti­scher Töne, stereotyper Vorurteile und Integrationsverweigerungen eine aktuelle Anfrage an die Toleranz unserer heutigen Gesellschaft. Ansgar Oswald

Julius H. Schoeps: Deutsch-jüdische Sym­biose oder Die mißglückte Emanzipation, Philo-Verlag, Berlin 1997, 420 Seiten, ge­bunden, 64,-DM.

BABELSBERG FÜR TOURISTEN Monographie taugt lediglich als Reiseführer

Waschechte Babelsberger sind keine Pots­damer, obwohl das Gemeinwesen rund um das berühmte Filmgelände seit Jahrzehnten von der brandenburgischen Landeshaupt­stadt aus regiert wird. Aber den Babelsberg­er stört das nicht wenn er gen Sanssouci fährt, tut er so, als ginge es in eine andere Stadt. Dieser fast schon separatistische Lo­kalpatriotismus, von dem auch Zugezogene nach kurzer Zeit ergriffen werden, ist er­staunlich. Schließlich existierte Babelsberg nur ein Jahr als eigenständiges Gemeinwe­sen. Am 1. April 1938 wurden der Rundling Neuendorf, die böhmische Webersiedlung Nowawes, das Dörfchen Klein-Clienicke und die im vorigen Jahrhundert gegründete Villenkolonie Neubabelsberg von den Natio­nalsozialisten zur Stadt Babelsberg zusam­mengefügt. Genau ein Jahr später fand die Eingemeindung nach Potsdam statt.

Eine historische Gesamtdarstellung der bis dato nur lückenhaft aufgearbeiteten Ge­schichte der vier Gründungskerne Babels­bergs fehlte bisher in der breit gefächerten Potsdam-Literatur. Diese Lücke wollte das Kleinmachnower Autorenehepaar Christa und Johannes Jankowiak mit dem jüngst erschienenen BuchBabelsberg Ein Orts­teil Potsdams schließen. Leider ist der Ver­such gründlich mißlungen.

Auch wenn das Werk nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit erhebt, fällt zunächst das Fehlen der Quellenverweise unangenehm auf. Einer, der sich darüber öffentlich besonders beklagt hat, ist der Denkmalpfleger Jörg Limberg. Er warf den

Autoren geistigen Diebstahl an seinen ver­öffentlichten Forschungsergebnissen zur Villenkolonie Neubabelsberg vor. Die Jan­kowilaks haben schlichtweg aus Sekundär­quellen abgeschrieben, so Limberg.

Eine genaue Lektüre des Buches erhärtet diesen Verdacht und führt angesichts der groben sachlichen Fehler zusätzlich zu der Erkenntnis, daß die Autoren auch noch schlecht abgeschrieben haben. So gehörte das Ufa-Filmgelände bis 1938 nicht zu Neu­babelsberg, wie in dem Buch behauptet wird, sondern immer schon zur konkurrie­renden Nachbargemeinde Nowawes, auch wenn die UFA den wohlklingenderen Na­menNeubabelsberg für ihre Standort­bestimmung verwendete. Eine Tatsache, die die Nowa­weser Stadtväter damals

Blickfang Babelsberg: S-Bahnhof

und altes Rathaus. Foto: Fritze

PUTZ 4/97

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