BIERMANN IM AUDIMAX
Als Liedermacher hatte sich Wolf Biermann nach der Wende lange Zeit rar gemacht. Statt mit der Klampfe durch das vereinigte Deutschland zu tingeln, warf er sich lieber mit polemischer Prosa in das politische Getümmel und versuchte sich als Übersetzer jiddischer Verse. Kurz nach seinem 60. Geburtstag und dem 20. Jahrestag seiner Ausbürgerung aus der DDR kündigte er Anfang des Jahres sein ComeBack als„poet chanteur“ an:„Mein allerbestes Instrument war und bleibt die Gitarre, mein Terrain die Bühne.“ Mit seiner neuen CD„Süßes Leben— saures Leben“ im Gepäck begab er sich mehrere Wochen auf Tournee durch die neuen Bundesländer. Letzte Station war am 23. April Potsdam. 350 Besucher wollten Biermann im nicht ganz ausverkauften Audimax sehen. Wie gewohnt erlebten sie nicht nur den Liederdichter, Sänger und Gitarristen, sondern auch den Erzähler, Pädagogen, Philosophen und natürlich auch den Spötter Biermann. Selbst der Veranstaltungsort Potsdam blieb nicht ungeschoren:„Ich weiß, ich bin hier im PDSKaff. Hier kann man sich damit schmücken, eın Spitzel bei der Stasi gewesen zu sein.“ Vier Stunden lang gab Biermann neue und alte Lieder inklusive ausführlicher„Gebrauchsanweisung“ zum Besten. Für'den manchmal etwas Jangatmigen, aber keineswegs langweiligen Gesangs- und Erzähl-Marathon bedankte sich das Publikum mit Ausdauer und Applaus.
mef/ Foto: Fritze
| Stühle der Macht
Neue Arbeiten auf Papier, Collagen und skulpturale Objekte unter dem Titel: „Stühle der Macht“ zeigen Christine und Werner Jaschinsky bis 28. August 1997 in der Brandenburgıi
er schen LandeszentraJe für politische Bildung, Potsdam, HeinrichMann-Allee 107(Zufahrt Friedhofgasse), Haus 17. Die Ausstellung ist montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr, dienstags bis 18 Uhr sowie zu den Veranstaltungen zu besichtigen. Der Eintritt ist frei. B.E./Ilustration: Christine Jaschinsky
LUST AN KUNST
Angehörige der Universität Potsdam vorzustellen, die künstlerisch arbeiten, teils professionell, teils„nebenberuflich“, ist das Anliegen der Reihe„Lust an Kunst“. Jene interessierten und engagierten Mitarbeiter und Studierenden sind aus eigenem Antrieb und nicht zuletzt zum eigenen Vergnügen kulturell-künstlerisch tätig. Deutlich werden sollen auch die Motive für die Arbeit.
Zum Wintersemester 1995 wurde Kristian Commichau, 1959 geboren, als Professor für Chor- und Ensembleleitung an das Institut für Musik und Musikpädagogik der Universität Potsdam berufen. In kurzer Zeit baute er den aus 90 Sängerinnen und Sängern bestehenden Universitätschor auf und konzertierte Anfang 1996 mit Carl Orffs populärem Werk„Carmina Burana” im ausverkauften Auditorium maximum.
Der Chorleiter wuchs in Kiel auf und erhielt dort seine ersten chorleiterischen Impulse. Von 1982 bis 1988 studierte er Schulmusik an der Hochschule der Künste Berlin mit dem Schwerpunkt Gesang. In seiner wissenschaftlichen Hausarbeit behandelte Commichau die Aufführungspraxis barokker Musik, wobei ihn besonders interessierte, wie sogenannte Alte Musik mit dem Wissen um spieltechnische Quellen heute realisiert werden kann. Commichau: ‚Wenn in der Gegenwart das Bachsche Weihnachtsoratorium aufgeführt wird, sollte bewußt sein, daß die modernen Instrumente eine Fehlbesetzung sind, diese haben mit dem Instrumentarium des 18. Jahrhunderts wenig gemein.“ 1987 gründete Commichau die„vocal-concertisten“, ein Kammerchor mit Chorsängern aus Berlin und Norddeutschland. Der Chor ist selten gesungener A-capella-Musik bzw. Aufführungen von Chormusik in ungewöhnlichem„Klangkleid“ verpflichtet, entsprechende Einspielungen liegen vor. Von 1992 bis 1995 leitete er den„Knabenchor Uetersen“ und war als Studienrat für Musik am dortigen Gymnasium tätig. Ein Stipendium des Deutschen Musikrates ermöglichte ihm die Teilnahme an Dirigierseminaren im Inland, aber auch in Belgien und Venedig.
Zu Commichaus künstlerischen Intentionen gehört, den Chor und das Orchester der Universität als Klangkörper in der Kulturszene Potsdams zu etablieren. In seiner Lehrtätigkeit an der Alma mater hat Commichau die Dreiteilung von Chorarbeit, Orchesteraufbau bzw.-profilierung und spezifiziertem Dirigierunterricht zu bewältigen. Für den Dirigierunterricht wurde ein Studiochor ins Leben gerufen, Chorstudenten haben die Möglichkeit, selber vor einem Chor ihre Werke einzustudieren. Der Chor der Universität wird nach seinem ersten Projekt,„Car
Kristian Commichau Foto: Fritze
mina Burana“, das Oratorium„Belsazar“ von Georg Friedrich Händel erarbeiten. Hierbei wird besonders auf Commichaus Spezialgebiet zur Aufführungspraxis von barocker Musik nach historischen Spielpraktiken wert gelegt. Das Orchester der Hochschule wurde im April 1997 gegründet. Zum Mendelssohn-Jahr 1997 erarbeitet es die Sinfonie Nr. 5, die Reformationssinfonie. Zusätzlich Studieren die Mitglieder des Universitätsorchesters, bestehend aus Laien wie Profis, das Klavierkonzert in c-Moll von Mozart und die Ouvertüre„Geschöpfe des Prometheus“ von Beethoven ein. Fr./Co.
„Max und Moritz” spielen
Wieder einmal wartete das 1994 gegründete KinderMusikTheater e.V.(KiMuThe) mit einem neuen Stück auf. Ende 1996 hatte„Max und Moritz“ Premiere, zwölf Aufführungen folgten, weitere Anfang Mai. Diese musikalische Lausbubengeschichte ist eine Komposition für Orchester mit Sprecher, Darstellern und Sängerdarstellern, die der Komponist Gisbert Näther eigens für das KiMuThe schrieb. Die beteiligten 15 Studenten der Fachrichtung Musikerziehung an der Universität Potsdam und zwölf Kinder freuten sich,„einem musikalischen Werk zum Start verholfen zu. haben, das Kindern wie Erwachsenen die Bildergeschichten Wilhelm Buschs in neuer Form lebendig werden läßt“, Es handelte sich um eine Uraufführung des Stükkes, an der außer dem KiMuThe das Deutsche Filmorchester Babelsberg und der Potsdamer „Treffpunkt Freizeit“, wo auch gespielt wurde, beteiligt waren. Die kontinuierliche und erfolgreiche Arbeit des KiMuThe wurde übrigens mit der Silbermedaille der„Wilhelm Busch Gesellschaft“ Berlin gewürdigt. B.E./Abb.: zg.
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PUTZ 4/97