SANS SOUCI‘97
Erster Sommersprachkurs an der Uni
Unter dem Motto„Historischer Umbruch in Deutschland- Auswirkungen in Kultur und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“ stand der 1. Internationale Sommersprachkurs„Sans Souci’97" an der Universität Potsdam. Er fand vom 1. bis 22. August 1997 statt. 48 Teilnehmer aus 19 Ländern, unter ihnen Abiturienten, Studierende und Hochschullehrer verschiedener Fachrichtungen, kamen an die Alma mater. Das umfangreiche vom Institut für Germanistik und vom Akademischen Auslandsamt organisierte Programm beinhaltete drei Schwerpunktkurse: Literatur und Kultur in der Region Berlin/Brandenburg, Sprache und Medien in der Region Berlin/Brandenburg sowie Geschichte und Kunstgeschichte in der Region Berlin/Brandenburg. Lehrkräfte der Hochschule mit langjährigen Erfahrungen in der Deutschausbildung ausländischer Studierender unterrichteten die Teilnehmer. Die Kurse wurden durch verschiedene thematisch gebündelte Veranstaltungen in der Sprachausbildung, durch Vorlesungen, Seminare, Übungen und Begegnungen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie durch Exkursionen begleitet. Im folgenden schildern drei ausländische Teilnehmer ihre Eindrücke von diesem Sommerkurs. B.E.
Mai Vodinh, Studentin aus Frankreich: „ICh habe an diesem Sommerkurs teilgenommen, weil ich die deutsche Kultur besser kennenlernen wollte. Potsdam habe ich gewählt, weil ich Interesse an Berlin, der ehemaligen und der zukünftigen Hauptstadt Deutschlands, habe. Ich wollte auch mit anderen Studenten zusammen sein, um Sehenswürdigkeiten zu besichtigen und einfach nur, um zu sprechen. Und ich fand das wirklich toll, in einer sehr gemütlichen und internationalen Gruppe zu sein.
In den Vorlesungen über den Wandel und die Veränderungen in Deutschland habe ich viel gelernt über die deutsche Denkweise und über die heutige Situation in Deutschland, die sich noch verändert und entwickelt. Es gab auch wirklich interessante Vorlesungen über die deutsche Sprache. Aber da muß ich sagen, daß ich nicht ganz einverstanden bin mit der ‚deutschen Orthographiereform. Ich glaube, daß sie nur viele Probleme, politische wie juristische, gemacht hat. Und als Resultat hat man nur wenige Änderungen, die aber Streit in Deutschland geschaffen haben. Das gilt auch für die Mundarten und Dialekte. Einige kämpfen, um sie zu behalten. Aber warum? Ich glaube nicht, daß es so notwen
Nicht nur in den Seminaren und Vorlesungen herrschte gute Laune beim Sommersprachkurs Sans
Souci’97. Auch beim Grillen kamen die ausländischen Teilnehmer ins Gespräch.
dig ist, daß jedes Dorf seine eigene Sprachart hat. Es hat nur zur Konsequenz, daß neue Einwohner Schwierigkeiten haben, um sich zu integrieren, weil man dann nicht nur deutsch, sondern auch den Dialekt lernen muß. Sonst bleibt man draußen. Für ein Land ist es sicherlich wichtig, daß man seine SpraChe behält, um seine Kultur zu behalten, aber nicht für jedes Dorf! Aber das war nur ein Detail. Global bin ich wirklich zufrieden mit dem Sommerkurs: den Kursen, den Exkursionen, den Besichtigungen, den Sportveranstaltungen oder dem Singeabend. Ich werde gern nächstes Jahr wiederkommen!“
Jana Horodyskä, Studentin aus Tschechien: „Eigentlich habe ich einen ganz normalen, vielleicht auch manchmal ein bißchen langweiligen Kurs, wie in jeder Schule, erwartet. Meine Erwartungen wurden aber gar nicht erfüllt. Unsere Betreuer haben für uns ein reichhaltiges Programm vorbereitet. Alle Teilnehmer sind hier bestimmt auf ihre Kosten gekommen. Durch die Vorlesungen konnte man nicht nur Deutsch lernen, sondern auch viel Landestypisches von Brandenburg erfahren. In vielen Schulen gibt es Lehrer, die nur froh sind, wenn der Unterricht zu Ende ist und sie endlich nach Hause gehen können. In diesem Kurs war das ganz etwas anderes. Die Lehrer waren froh, wenn wir noch Fragen gestellt haben und wenn wir unser Interesse gezeigt haben. Die Begegnungen mit verschiedenen Persönlichkeiten waren auch besonders interessant, etwas, was man nicht jeden Tag erlebt. Ufid die Freizeitgestaltungen haben uns auch sehr gut gefallen. Für jede Veranstaltung war ein Experte eingeladen, z.B. für Singen ein Musiker oder für Sport eine Sportlehrerin. In jedem Schloß, jedem Park, jeder Kirche hat uns schon ein Führer erwartet, und er hat uns alles Interessante erzählt. Das finde ich sehr schön. Diesen Kurs kann ich wirklich allen Ausländern empfehlen. Nur etwas war nicht
Foto: Fritze
schön— der Kurs war zu kurz, und wir hatten keine Lust, wieder nach Hause zu fahren!“
Halden Frederik Stein, Hochschullehrer aus Norwegen:
„Der Sommerkurs‘Sans Souci’ verteidigt seinen Namen. Was den Empfang, die Organisation, die Pünktlichkeit, die Genauigkeit betrifft, ist alles‘sorgenfrei’ nach preußischer Tradition abgelaufen. Davon können wir alle etwas lernen. So nahe an Berlin und doch Preußen ohne Schnauze. Was mehr ist, wir wurden sehr freundlich aufgenommen. Zum Wichtigsten: die Kursinhalte und die Vermittlungsmethoden. Das Hauptkonzept oder Hauptziel des Kurses war zweiteilig: Erstens: im Rahmen einer internationalen Begegnung, durch eine Reihe von Vorlesungen Wendeprobleme aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen:
zweitens: durch Seminarveranstaltungen verschiedene Aspekte der deutschen Sprache, literarische, sprachwissenschaftliche, didaktische, wortschatzmäßige, zu behandeln. Ich finde, die Veranstalter und die einbezogenen Lehrkräfte haben einen interessanten und vielseitigen Kurs durchgeführt. Verschiedene Stellungnahmen zum komplizierten Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten sind zu Wort gekommen. Als Nicht-Kommunist finde ich es gar nicht schwierig, den Satz zu akzeptieren:‘Nicht alles im Osten war Schlecht, und nicht alles im Westen ist gut’. In jedem politischen System gibt es selbstverständlich beides, Gutes und Böses. Deutschland ist ein vielseitiges, reiches, schönes Land. Als naiver Ausländer würde man glauben, der Deutsche könnte als Individualist sein schönes, demokratisches, wiedervereinigtes Land genießen und zufrieden sein. Es gibt aber viele, die das nicht tun wollen oder können. Wir haben durch diesen Kurs ein gewisses Verständnis dafür bekommen, warum es die'Mauer in den Köpfen’ gibt, um es mit diesem Klischee auszudrücken“.
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PUTZ 7/97