KUCHEN BACKEN ODER STUDIENBEDINGUNGEN VERBESSERN?
Einige Anmerkungen in der Auseinandersetzung um die Arbeit des StuRa
Aufgeschreckt durch Äußerungen des Studierendenrates(StuRa) im März 1997 in bezug auf die Castor-Atommülltransporte verklagten fünf Studierende der Uni Potsdam den StuRa wegen allgemeinpolitischer, d.h.„nichthochschulpolitischer“ Äußerungen und Unterstützung von Potsdamer Studierenden, die gegen die Atommülltransporte demonstrierten. Mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung wollten sie vorerst dem StuRa weitere Äußerungen zu Castortransporten gerichtlich untersagen lassen. Dem StuRa wurde diese Klageschrift vom Verwaltungsgericht mit einmonatiger Verspätung zugestellt.
In der Folgezeit gesellten sich zu der ursprünglichen Klage unzählbare weitere Schriften an das Verwaltungsgericht, in denen dem StuRa sogar die zulässige inneruniversitäre Auseinandersetzung um das politische Mandat von Studierendenvertretungen vorgehalten wurde. Ein Artikel in der Unikunde 2/97, in dem aufgezeigt wurde, daß Hochschul- und„Allgemein“-Politik nicht voneinander zu trennen sind, wurde als Indiz dafür gesehen, daß sich der StuRa über die Interessen der Studierenden hinwegsetzen würde(es geht bis zum Vorwurf der Verletzung der Menschenwürde) und Politik für politische Gruppierungen betreibt.
Die Kläger stützen sich in ihren Klageschriften auf die Argumentation der herrschenden Lehre und Rechtsprechung des Bundesverfassungs- bzw. Bundesverwaltungsgerichts. Diese untersagt Studierendenvertretungen gemäß dem Hochschulrahmengesetz(HRG) bzw. den Hochschulgesetzen der Länder, sich zu„nichthochschulpolitischen“ Fragen zu äußern. Die Aussage, sich auf Hochschulpolitik zu beschränken, bedeutet, sich nur um das zu kümmern, was „unmittelbar die Hochschule oder die Studierenden in ihrer Eigenschaft als Studierende betrifft“(BVerfG-Urteil). Fraglich ist allerdings, inwiefern eine Studierendenvertretung dieser Verpflichtung nachkommen
kann, wenn sie die Interessen der Studieren-|
den wirkungsvoll durchsetzen möchte.
Beispiel BAföG-Kürzung: Das BAföG wurde eingefroren, was bei ständig steigenden Kosten einer Kürzung gleichkommt. Nach Willen der Richter müssen die Studierendenvertretungen sich zu der dahinterstekkenden Systematik-— dem allgemeinen Sozialabbau—- einer Meinungsäußerung enthalten. Folglich ist die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften im Rahmen eines Bündnisses oder der Aufruf zu einer Demo gegen Sozialabbau nicht zulässig. Gehen allerdings Studierende auf die Straße, wie im Sommersemester 1997 in Potsdam, und
direkt betreffen, so entschied das Verwaltungsgericht.
stellen Forderungen nach ausreichender Finanzierung der Hochschulen und Bildung, müssen sie sich von der brandenburgischen Landesregierung vorwerfen lassen, nur ihre Einzelinteressen auf Kosten anderer sozialer Gruppen zu vertreten. Beispiel Ausländergesetzgebung: Bundesinnenminister Kanther machte vor einiger Zeit in den Medien einen Vorschlag zur Änderung der Gesetzeslage für ausländische Studierende. Diese sollen nur noch in Deutschland studieren dürfen, wenn sie nachweisen können, daß sie eine finanzielle Unterstützung ihres Studiums aus ihrem Heimatland mitbringen. Außerdem müssen sie ihr Studium in zehn Jahren abgeschlossen haben, inclusive Zweitstudium, das in vielen Bereichen notwendig ist— wie z.B. als Facharzt— und der Promotion. Auch hier ist eine Auseinandersetzung der Studierendenvertretung mit dem Innenminister aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht zulässig. Absurderweise beklagen sich führende Vertreter aus Wirtschaft und Politik über die Unattraktivität des„Hochschulstandorts Deutschland“ für ausländische Studierende.
Eine penible Handhabung des Gesetzes, eine Anmahnung oder Verfolgung jedes Verstoßes würde also zu einer massiven Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Studierendenvertretungen führen, die eigentlich nicht im Sinne der von ihnen vertretenen Studierenden sein kann. Tatsächlich kann die Einschränkung leicht Züge eines politischen Repressionsinstrumentes tragen. Wenn es politisch gewollt ist, wird es angewendet, dann trifft die volle Härte des Gesetzes.(Zum Beispiel ein AStA äußert sich zu Brandanschlägen wie in Mölln und Solingen — völlig okay, paßt in die politische Landschaft. Ein AStA verurteilt die rassistische Politik von Bundestag und-regierung— Rechtsaufsichtsmaßnahmen durch Rektor
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Äußerungen und Aktivitäten des StuRa müssen sich auf Themen beschränken, die die Studierenden
Foto: Fritze
und Ministerium sowie Klagen drohen). Die Wahrnehmung des politischen Mandates kann— so der StuRa— sowohl positive als auch negative Ergebnisse zeitigen. Negative Auswirkungen ließen sich jedoch durch die jährlichen Wahlen relativ schnell beseitigen, schneller als Landes- oder Bundesregierungen, die sich auch„anmaßen, für uns zu sprechen“. Die letzten Wahlen zum Studierendenrat an der Uni Potsdam haben allerdings gezeigt, daß der beklagte StuRa von der Mehrheit der Studierenden in seiner bisherigen Arbeit bestätigt wurde. Der StuRa ist der Meinung, daß durch die bestehende Gesetzeslage und die bisherige RechtspreChung die Handlungsmöglichkeiten und die Bündnisfähigkeit von Studierendenvertretungen in einem Maße eingeschränkt werden, die die Einflußmöglichkeiten bis zur Bedeutungslosigkeit reduzieren. Dies sei im Sinne einer starken Interessenvertretung nicht sinnvoll. Deshalb müsse die gesetzliChe Einschränkung weg. Sollte der einstweiligen Anordnung der studentischen Kläger an der Uni Potsdam vom Verwaltungsgericht stattgegeben werden, würde die juristische Folge sich steigernde Strafgelder für die Studierendenschaft und Strafanzeigen gegen die agierenden Personen sein. Praktisch würde dem StuRa nicht viel mehr übrig bleiben, als sich mit dem Aushängen von Mensaplänen zu beschäftigen und kulturelle Veranstaltungen zu organisieren. Dann allerdings, so der StuRa, bleibt die Frage, wozu sich noch jährlich politische Hochschulgruppen mit bestimmten Programmatiken und Aussagen zu den Wahlen der studentischen Selbstverwaltung stellen sollten. Man könnte ja gleich ein pures Verwaltungsgremium mit bezahlten Stellen einrichten, das seine Hauptaufgabe in dem Aufhängen von Mensaplänen sieht. Annett Mängel, Sandra Brunner
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PUTZ 7/97