PLÄDOYERS FÜR EINEN„ALTEN ZOPF”
Stellungnahmen zu der Kritik am Beamtenstatus für Professoren
Als einen„alten Zopf aus dem Obrigkeitsstaat“ hatte der Dekan der Wirtschaftsund Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam, Prof. Dr. Werner Jann, den Beamtenstatus für Professoren in der August-Ausgabe der PUTZ bezeichnet. Bei einigen seiner Kollegen ist er damit auf harsche Kritik gestoßen. In den beiden folgenden Stellungnahmen werden Argumente für den Erhalt des „alten Zopfes“ dargestellt und erläutert.
Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die gegen eine Entbeamtung der Hochschullehrer sprechen. Dabei ist es beinahe eine Geschmacksfrage, ob man die rechtlichen oder die tatsächlichen Gründe als gewichtiger ansieht. Zu den tatsächlichen Gründen gehören insbesondere folgende:
Die angestellten Hochschullehrer würden ihre Arbeitsbedingungen und auch ihre Besoldung, die dann Arbeitsentgelt hieße, im Wege von Tarifverträgen aushandeln. Am verkrusteten Bundesangestelltentarifvertrag ist leicht abzulesen, wohin das führen würde. Tarifverträge sind in aller Regel auf soziale Sicherung ausgerichtet, Als Mittel, die Mobilität und die Flexibilität zu fördern, sind sie denkbar ungeeignet. Mit der Überantwortung an die Tarıfvertragsparteien würde sich der Staat des elementaren Rechtes entäußern, ein wesentliches Stück Wissenschaftspolitik im Gesetzes- und Verordnungswege selbst zu gestalten. Der zunehmend größer werdenden Gruppe der angestellten Hochschullehrer würde allmählich die Aufgabe zuwachsen, berufspolitische Forderungen zu stellen und sie— notfalls auch mit den Mitteln des Streiks — durchzusetzen. Im Mittel des Streikes kann nur eine Form des Niedergangs der deutschen Universität erblickt werden. Studierende im sogenannten Vorlesungsboykott sind schon eine Narretei; wenn aber Professoren auf den Barrikaden stehen, beginnt der Kulturstaat, sich zu verabschieden. Die Umstellung auf das finanziell weitaus unattraktivere Angestelltenverhältnis fiele jJustament mit einer für die Universität ohnehin kritischen Zeit zusammen. Aus demographischen Gründen werden bis zum Jahr 2010 überdurchschnittlich viele Professuren durch Erreichen der Altersgrenze vakant. In Zeiten einer derartigen Mangelsituation den Versuch zu unternehmen, die Einstellungsbedingungen konsequent zu verschlechtern, ist kontraproduktiv. Letztlich erweist sich auch das vermeintliche Königsargument als Rohrkrepierer: Angestellte sind keineswegs billiger als Beamte. Dies besagen alle einschlägigen Untersuchungen. Darüber hinaus ist die Verbeamtung der Hochschullehrer auch verfassungsrechtlich
geboten. Dabei mag es durchaus zweifelhaft sein, ob man sich der herrschenden Rechtslehre anschließen will, daß Art. 33, Abs. 4 des Grundgesetzes, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse Beamten vorbehalten bleiben muß, bereits eine Entbeamtung der Hochschullehrer verbietet. Denn es ergeben sich Zweifel, ob wirklich alle Tätigkeitsmerkmale des Hochschullehrerberufes hoheitlichen Charakter haben. Zumindest die Aufgaben in Forschung und Selbstverwaltung dürften nur mit Mühe unter den Begriff der hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung zu fassen sein. Die Kehrseite der wissenschaftlichen Lehre ist allerdings die Prüfung. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß mit der Vergabe von Prüfungsnoten über Lebenschancen einseitig und hoheitlich vom Hochschullehrer entschieden wird. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn aus der im Grundgesetz garantierten Freiheit von Forschung und Lehre ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur ein klassisches Grundrecht gegen staatliche Eingriffe herzuleiten, sondern auch eine Verfassungsgarantie, die Institution Wissenschaft innerhalb der staatlichen Gemeinschaft zu gewährleisten und zu schützen („Drittnütziges Grundrecht“). Daher sieht das Bundesverfassungsgericht es als Aufgabe des Staates an, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wissenschaft vor gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen schützen. Nur das Beamtenverhältnis verhindert Disziplinierungsmöglichkeiten, unliebsame Lehrmeinungen zu unterbinden, nicht politisch genehmigte Gutachten zu beeinflussen oder den Prüfungsmaßstab in Abschlußarbeiten zu korrigieren. Nur das Beamtenverhältnis schützt vor Einflußnahme von außen und von innen. Wie die Unabhängigkeit der Rechtspflege undenkbar ist ohne die persönliche Unabhängigkeit des Richters, so ist die Freiheit der Wissenschaft undenkbar ohne die persönliche Unabhängigkeit des Hochschullehrers.
Prof. Dr. Eckart Klein, Professor für Staats-, Völker- und Europarecht an der Universität Potsdam:
Folgende Punkte sind zu dem Interview mit Prof. Dr. Werner Jann anzumerken:
Das Berufsbeamtentum, wie es sich in Deutschland entwickelt hat, hat zwar seine Wurzeln im sich bildenden Staat des 17. und 18. Jahrhunderts, der gewiß ein„Obrigkeitsstaat“ war. Aber nicht alles, was in dieser Zeit wurzelt, ist ein„alter Zopf“— das ist die simple Sicht, die 1968 und in den Folgejahren en voqgue war, aber deshalb nicht richtig ist. Personen, die dem in der Demokratie letzt
lich vom Parlament definierten Gemeinwohl unabhängig dienen, sind heute notwendiger denn je. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ermöglichen einen solChen Dienst. Daß die politischen Parteien— eigentlich alle, manche allerdings mehr als andere— den Staat zur Beute genommen haben, hat freilich das Beamtentum nicht ungeschoren gelassen. Für Abhilfe kann aber nicht dessen Abschaffung sorgen, sondern nur die Reform des Parteienstaates. Es ist falsch zu behaupten, daß der Beamtenstatus von Professoren eine Reaktion auf externe Konkurrenzangebote verhindert. Die Reaktionsmöglichkeit ist zwar durch den Gesetzgeber eingeschränkt worden, besteht aber durchaus weiter. Verhindert werden Berufungs- und Bleibeverhandlungen nur durch die zuständigen Ministerien.
Völlig unklar ist, weshalb die Abschaffung des Beamtenstatus für Professoren den Universitäten eine flexiblere Personalplanung und einen flexibleren Personaleinsatz ermöglichen würde. Die Universität Potsdam leidet derzeit vielmehr an nicht oder nur schwer kündbaren Angestellten. Im übrigen ist für viele Fakultäten der ständige Wechsel von Professoren eine Belastung. Noch mehr Wechsel wären schwer tragbar. Man mag die Ansicht akzeptieren, daß die Funktion der Universitätsprofessoren nicht unbedingt ihren Beamtenstatus erfordert. In der Tat gibt es Universitätsprofessoren, die Angestellte sind. Eine andere Frage ist, ob es gute Gründe gibt, die für eine Änderung der Regelsituation sprechen. Jann hat jedenfalls keine geliefert. Weder die Animosität gegen die Tradition noch der angebliche Flexibilitätsgewinn noch die finanzielle Staatsentlastung sind tragfähige Argumente. Letztlich ist es nicht die Frage des Beamtenstatus von Professoren, die Jann und mich trennen(obgleich hier unterschiedliche Meinungen bestehen). Mich bedrückt viel mehr, daß Herr Kollege Jann eine Meinung vertritt, in der die Universität als bloßes Managementobjekt („Planung“,„Einsatz“) erscheint. Was für ein schrecklicher Irrtum, damit den„lebendigen Geist“ der Universität wiedererwecken zu wollen(oder will man das etwa gar nicht?)! Der einzige Weg(zurück) zum Erfolg sind strenge Anforderungen und hohe Maßstäbe (Qualifikationen), die an Studenten, Mitarbeiter und Professoren anzulegen sind, und die Freiheit von Forschung und Lehre. Alles andere— zum Beispiel die Problematisierung des beamtenrechtlichen Status der Lehrenden— führt von der Kernproblematik ab und gibt den politischen Kräften den Weg frei in AlibiFluchtlandschaften, in denen sie Aktivität („Reformen“) vorspiegeln können, ohne dabei auch nur entfernt die Hauptprobleme der Universität anzupacken.
PUTZ 7/97
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