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(1.1.2019) 07
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PLÄDOYERS FÜR EINENALTEN ZOPF

Stellungnahmen zu der Kritik am Beamtenstatus für Professoren

Als einenalten Zopf aus dem Obrigkeits­staat hatte der Dekan der Wirtschafts­und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam, Prof. Dr. Werner Jann, den Beamtenstatus für Professoren in der August-Ausgabe der PUTZ be­zeichnet. Bei einigen seiner Kollegen ist er damit auf harsche Kritik gestoßen. In den beiden folgenden Stellungnahmen werden Argumente für den Erhalt des alten Zopfes dargestellt und erläutert.

Dr. Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die ge­gen eine Entbeamtung der Hochschulleh­rer sprechen. Dabei ist es beinahe eine Geschmacksfrage, ob man die rechtlichen oder die tatsächlichen Gründe als gewich­tiger ansieht. Zu den tatsächlichen Gründen gehören insbesondere folgende:

Die angestellten Hochschullehrer würden ihre Arbeitsbedingungen und auch ihre Be­soldung, die dann Arbeitsentgelt hieße, im Wege von Tarifverträgen aushandeln. Am verkrusteten Bundesangestelltentarifvertrag ist leicht abzulesen, wohin das führen würde. Tarifverträge sind in aller Regel auf soziale Sicherung ausgerichtet, Als Mittel, die Mobi­lität und die Flexibilität zu fördern, sind sie denkbar ungeeignet. Mit der Überantwortung an die Tarıfvertragsparteien würde sich der Staat des elementaren Rechtes entäußern, ein wesentliches Stück Wissenschaftspolitik im Gesetzes- und Verordnungswege selbst zu gestalten. Der zunehmend größer werdenden Gruppe der angestellten Hochschullehrer würde allmählich die Aufgabe zuwachsen, berufspolitische Forderungen zu stellen und sie notfalls auch mit den Mitteln des Streiks durchzusetzen. Im Mittel des Streikes kann nur eine Form des Niedergangs der deut­schen Universität erblickt werden. Studieren­de im sogenannten Vorlesungsboykott sind schon eine Narretei; wenn aber Professoren auf den Barrikaden stehen, beginnt der Kultur­staat, sich zu verabschieden. Die Umstellung auf das finanziell weitaus unattraktivere Ange­stelltenverhältnis fiele jJustament mit einer für die Universität ohnehin kritischen Zeit zusam­men. Aus demographischen Gründen wer­den bis zum Jahr 2010 überdurchschnittlich viele Professuren durch Erreichen der Alters­grenze vakant. In Zeiten einer derartigen Mangelsituation den Versuch zu unterneh­men, die Einstellungsbedingungen konse­quent zu verschlechtern, ist kontraproduktiv. Letztlich erweist sich auch das vermeintliche Königsargument als Rohrkrepierer: Angestell­te sind keineswegs billiger als Beamte. Dies besagen alle einschlägigen Untersuchungen. Darüber hinaus ist die Verbeamtung der Hochschullehrer auch verfassungsrechtlich

geboten. Dabei mag es durchaus zweifelhaft sein, ob man sich der herrschenden Rechts­lehre anschließen will, daß Art. 33, Abs. 4 des Grundgesetzes, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse Beamten vor­behalten bleiben muß, bereits eine Ent­beamtung der Hochschullehrer verbietet. Denn es ergeben sich Zweifel, ob wirklich alle Tätigkeitsmerkmale des Hochschul­lehrerberufes hoheitlichen Charakter haben. Zumindest die Aufgaben in Forschung und Selbstverwaltung dürften nur mit Mühe un­ter den Begriff der hoheitlichen Aufgaben­wahrnehmung zu fassen sein. Die Kehrseite der wissenschaftlichen Lehre ist allerdings die Prüfung. Es kann keinem Zweifel unter­liegen, daß mit der Vergabe von Prüfungs­noten über Lebenschancen einseitig und hoheitlich vom Hochschullehrer entschieden wird. Letztlich kann diese Frage aber dahin­stehen. Denn aus der im Grundgesetz ga­rantierten Freiheit von Forschung und Lehre ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur ein klassisches Grundrecht gegen staatliche Eingriffe herzuleiten, sondern auch eine Verfassungsgarantie, die Institution Wissen­schaft innerhalb der staatlichen Gemein­schaft zu gewährleisten und zu schützen (Drittnütziges Grundrecht). Daher sieht das Bundesverfassungsgericht es als Aufga­be des Staates an, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wissenschaft vor gesell­schaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen schützen. Nur das Beamtenverhältnis verhindert Disziplinierungsmöglichkeiten, unliebsame Lehrmeinungen zu unterbinden, nicht poli­tisch genehmigte Gutachten zu beeinflussen oder den Prüfungsmaßstab in Abschlußar­beiten zu korrigieren. Nur das Beamtenver­hältnis schützt vor Einflußnahme von außen und von innen. Wie die Unabhängigkeit der Rechtspflege undenkbar ist ohne die persön­liche Unabhängigkeit des Richters, so ist die Freiheit der Wissenschaft undenkbar ohne die persönliche Unabhängigkeit des Hoch­schullehrers.

Prof. Dr. Eckart Klein, Professor für Staats-, Völker- und Europarecht an der Universität Potsdam:

Folgende Punkte sind zu dem Interview mit Prof. Dr. Werner Jann anzumerken:

Das Berufsbeamtentum, wie es sich in Deutschland entwickelt hat, hat zwar seine Wurzeln im sich bildenden Staat des 17. und 18. Jahrhunderts, der gewiß einObrigkeits­staat war. Aber nicht alles, was in dieser Zeit wurzelt, ist einalter Zopf das ist die sim­ple Sicht, die 1968 und in den Folgejahren en voqgue war, aber deshalb nicht richtig ist. Personen, die dem in der Demokratie letzt­

lich vom Parlament definierten Gemeinwohl unabhängig dienen, sind heute notwendiger denn je. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ermöglichen einen sol­Chen Dienst. Daß die politischen Parteien eigentlich alle, manche allerdings mehr als andere den Staat zur Beute genommen haben, hat freilich das Beamtentum nicht ungeschoren gelassen. Für Abhilfe kann aber nicht dessen Abschaffung sorgen, son­dern nur die Reform des Parteienstaates. Es ist falsch zu behaupten, daß der Beamten­status von Professoren eine Reaktion auf ex­terne Konkurrenzangebote verhindert. Die Reaktionsmöglichkeit ist zwar durch den Gesetzgeber eingeschränkt worden, besteht aber durchaus weiter. Verhindert werden Berufungs- und Bleibeverhandlungen nur durch die zuständigen Ministerien.

Völlig unklar ist, weshalb die Abschaffung des Beamtenstatus für Professoren den Universitäten eine flexiblere Personalpla­nung und einen flexibleren Personaleinsatz ermöglichen würde. Die Universität Pots­dam leidet derzeit vielmehr an nicht oder nur schwer kündbaren Angestellten. Im übrigen ist für viele Fakultäten der ständige Wechsel von Professoren eine Belastung. Noch mehr Wechsel wären schwer tragbar. Man mag die Ansicht akzeptieren, daß die Funktion der Universitätsprofessoren nicht unbedingt ihren Beamtenstatus erfordert. In der Tat gibt es Universitätsprofessoren, die Angestellte sind. Eine andere Frage ist, ob es gute Gründe gibt, die für eine Änderung der Regelsituation sprechen. Jann hat jedenfalls keine geliefert. Weder die Animosität gegen die Tradition noch der angebliche Flexibili­tätsgewinn noch die finanzielle Staatsent­lastung sind tragfähige Argumente. Letztlich ist es nicht die Frage des Beamtenstatus von Professoren, die Jann und mich trennen(ob­gleich hier unterschiedliche Meinungen be­stehen). Mich bedrückt viel mehr, daß Herr Kollege Jann eine Meinung vertritt, in der die Universität als bloßes Managementobjekt (Planung,Einsatz) erscheint. Was für ein schrecklicher Irrtum, damit denlebendigen Geist der Universität wiedererwecken zu wollen(oder will man das etwa gar nicht?)! Der einzige Weg(zurück) zum Erfolg sind strenge Anforderungen und hohe Maßstäbe (Qualifikationen), die an Studenten, Mitarbei­ter und Professoren anzulegen sind, und die Freiheit von Forschung und Lehre. Alles ande­re zum Beispiel die Problematisierung des beamtenrechtlichen Status der Lehrenden führt von der Kernproblematik ab und gibt den politischen Kräften den Weg frei in Alibi­Fluchtlandschaften, in denen sie Aktivität (Reformen) vorspiegeln können, ohne dabei auch nur entfernt die Hauptprobleme der Uni­versität anzupacken.

PUTZ 7/97

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