Heft 
(1.1.2019) 03
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PUTZ 3/99

Rektorwahl

Totenstille wäre das Schlimmste...

Prof. Dr. Julius H. Schoeps

PUTZ: Sie stellen sich zur Wahl für das Amt des Rektors der Universität Potsdam. Was be­wog Sie zu kandidieren?

Julius H. Schoeps: Sorgen, und zwar die Zukunft der Universität betreffend. Als einstiges Mitglied des Gründungssenats nehme ich verständlicherweise starken An­teil an den Entwicklungen, die inzwischen vom ursprünglichen Gründungskonzept der Univer­sität fortgeführt haben. Das al­lein sehe ich zwar noch nicht als d a s Problem an, meine aber, daß Gefahr in Verzug ist. Es ist notwendig, Weichen zu stellen.

PUTZ: Die finanzielle Situation des Landes wird die Universität zwingen, das Gründungskon­zept von 1993 nicht vollständig umsetzen zu können. Wie ge­denken Sie, die langfristige Ent­wicklung der Potsdamer Uni­versität zu steuern?

Julius H. Schoeps: In der Tat schafft die finanzielle Situation Probleme. Das ursprüngliche Aufbaukonzept ist nicht mehr zu halten. Das heißt aber nicht, daß auf jedwedes Konzept voll­ständig verzichtet werden muß. Notwendig scheint es mir zu sein, das Profil der Universität zu schärfen. Wir können ja ei­niges vorweisen. Insbesondere in den Naturwissenschaften ist bereits etwas angeschoben wor­den. Auch in den Geistes-, So­zial- und Rechtswissenschaften hat sich die Universität inzwi­schen einen Namen gemacht. Das ändert aber nichts daran, daß es unumgänglich ist, mit­telfristig Planungssicherheit zu schaffen. Zielvereinbarungen zwischen Universität und Mini­sterium existieren. Es fragt sich nur, ob sie ohne weiteres um­gesetzt werden können.

PUTZ: Das Ministerium für Wis­senschaft, Forschung und Kul­tur hat eine Novelle des Bran­denburgischen Hochschulge­setzes vorgelegt, das in den nächsten Wochen vom Landtag gebilligt werden soll. Wissen­

schaftsminister Steffen Reiche hat in der PUTZ-Ausgabe vom Januar geäußert, daß mit die­sem Gesetz eine Erhöhung der Autonomie der Hochschulen verbunden sei. Welche grund­sätzlichen Auswirkungen sehen Sie mit den veränderten Lei­tungsstrukturen?

Foto: Fritze

Lebensdaten

Geburt 1. Juni 1942 in Djursholm/ Schweden

1948 Rückkehr mit den Eltern aus dem Exil

1963 Abitur

Studium der Geschichte, Geistes­geschichte, Politik- und Theater­wissenschaft in Erlangen und Berlin 1969 Promotion

1973 Habilitation

1974-1991 Professor für Politi­sche Wissenschaft und Direktor des Salomon Ludwig Steinheim­Instituts für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität/ Gesamthochschule Duisburg

ab 1991 Ordentlicher Professor für Neuere Geschichte und Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam

1993 bis 1997 nebenamtlich Gründungsdirektor des Jüdischen Museums der Stadt Wien Gastprofessuren in New York, Oxford, Seattle, Tel Aviv und Budapest

seit 1984 Vorsitzender der Gesell­schaft für Geistesgeschichte Mitglied des P.E.N.- Zentrums West und Ost

zahlreiche Publikationen

Julius H. Schoeps: Das neue Hochschulgesetz ist kein Bran­denburger Alleingang, sondern entspricht in der Tendenz den Entwicklungen in den anderen Bundesländern. Das neue Ge­setz und die damit entstehen­den neuen Leitungsstrukturen können helfen, die Universitä­

ten und Hochschulen des Lan­des effektiver zu führen als bis­her. Andererseits wird die Auto­nomie meines Erachtens jedoch durch die neue Hochschulge­setzgebung nicht erhöht, son­dern eingeschränkt. Ob das sinnvoll ist, darüber kann man streiten. Ich meine, daß die Par­tizipation und das Funktionie­ren des Kollegialprinzips die notwendigen Voraussetzungen sind, damit in einer Hochschu­le geistige Auseinandersetzung stattfindet. Totenstille wäre das Schlimmste, was einer Universi­tät widerfahren kann.

PUTZ: Derzeit sind an der Uni­

versität Potsdam etwa 12000|

Studierende immatrikuliert. Dieser Zahl steht die vom Land Brandenburg finanzierte An­zahl von 5334 Studienplätzen gegenüber. Wird es angesichts der auseinanderklaffenden Zahl von Studierenden gegenüber ausfinanzierten Studienplätzen weiterhin möglich sein, günsti­ge Studienbedingungen anzu­bieten, die das Studieren in der Regelstudienzeit garantieren?

Julius H. Schoeps: Die Zahl der Studenten ist sehr viel schneller gewachsen, als wir seinerzeit im Gründungssenat angenommen haben. Keiner konnte jedoch voraussehen, daß die Finanzla­ge des Landes Brandenburg sich derart verschlechtern wür­de, daß nicht einmal den stu­dierwilligen Landeskindern die notwendigen Studienplätze an­geboten werden können. Es bedarf deshalb einiger Aufklä­rungsarbeit. Ich hoffe sehr, daß es gelingt, die Politiker des Landes zu überzeugen, daß In­vestitionen in Bildung und Wis­senschaft nicht pure Verschwen­dung, sondern Investitionen in die Zukunft des Landes sind.

PUTZ: In ihrem Gründungskon­zept setzte sich die Universität Potsdam das Ziel, Studiengän­ge zu entwickeln, die sich durch Interdisziplinarität, In­ternationalität und ein spezi­fisch fachliches Profil auszeich­

nen und damit auch im Umfeld Berlins attraktiv sind. Auf eine Reihe solcher innovativen Stu­diengänge kann die Universität inzwischen stolz verweisen. Welche weiteren Entwicklungs­möglichkeiten sehen Sie hier für die Universität Potsdam?

Julius H. Schoeps: Der Studien­gangJüdische Studien zum Beispiel hat sich zu einem Selbstläufer an der Universität Potsdam gemausert. Rund 130 Studenten haben sich in diesem interdisziplinären, von zehn Lehrstühlen der Universität ge­tragenen Studiengang einge­schrieben. Dieser Studiengang, an dem auch eine ganze Reihe ausländischer Studenten Gefal­len gefunden haben, ist ein Be­leg dafür, daß es sehr wohl mög­lich ist, ohne größere finanziel­le Aufwendungen neuartige und attraktive Studiengänge zu ent­wickeln. Ich bin davon über­zeugt, es ist möglich, aus den bestehenden Strukturen und vorhandenen Ressourcen heraus weitere interdisziplinäre Studi­engänge zu entwickeln. Daran sollte künftig gearbeitet werden.

PUTZ: Die Universität Potsdam zeichnet sich durch vielfältige inner- und außeruniversitäre Forschungskooperationen aus. Eine wichtige Rolle spielen da­bei die Interdisziplinären Zen­tren und die Zusammenarbeit mit außeruniversitären For­schungseinrichtungen. Welche Reserven sehen Sie im Bereich der Forschung?

Julius H. Schoeps: Die Potsdamer Universität hat zweifellos Mo­dellcharakter, was die Zusam­menarbeit mit den Zentren und den außeruniversitären For­schungseinrichtungen angeht. Es gibt kaum eine Universität in Deutschland, wo den Studieren­den und den Dozenten bzw. Forschern solche Möglichkeiten wie in Potsdam geboten werden. Das gilt es, weiter auszubauen.

Die Gespräche führte PUTZ­Redakteurin Janny Glaesmer.

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