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Blell: Die Schaffung von Bereichsdidaktiken sehe ich als Sparmodell an. Im bundesdeutschen Rahmen handelt es sich im Falle einer alle Philologien übergreifenden Didaktik um ein Novum. Es gibt in den alten Bundesländern an einigen Unis zwar Bereichsdidaktiken. Sie beziehen sich aber auf verwandte Philologien und müssen nicht alle Sprachen abdecken. Wenn eine übergreifende Bereichsdidaktik sein muss, wie sie bei uns an der Fakultät bereits existiert, dann müsste gesichert sein, dass es zu der übergreifenden Professur wenigstens jeweils einen Mitarbeiter pro Fach zur Abdeckung von Lehre und Forschung gibt. Will man es positiv sehen, kann eine Bereichsdidaktik natürlich dazu beitragen, integrative Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu entwickeln.
Jahnke: Ich bin kein Anhänger der Idee der Bereichsdidaktik. Die Didaktik muss aus dem Fach herauskommen. Die Mathematik ist ein sehr betreuungsintensives Fach und gehört zu den wenigen Kernfächern in der Schule, die nicht abgewählt werden können. Wenn schon kein Ausbau der Didaktik an der Uni möglich ist, sollten im Fach wenigstens solche Studienpläne für Lehramtsstudierende erarbeitet werden, die ihre spätere Profession reflektieren. Das geschieht durch den zehnprozentigen Didaktikanteil nicht. Die Studienpläne sind derzeit jenseits der Didaktik nicht professionsorientiert. Das könnte sich ändern, wenn sich der Lehrkörper darauf einließe.
Mikelskis: Die Fachdidaktiken sind in mehrfacher Weise heimatlos. Sie sind formal den Fächern zugeordnet, andererseits ist es ihre Aufgabe, Lernprozesse zu erforschen und darüber zu lehren. Um das integrieren zu können, bedarf es einer Ausstattung, die das Selbstbewusstsein der Didaktik im Fach stärkt. In der Physik ist diese Integration an der Uni gut gelungen. Hier ist die Didaktik anerkannt und nicht randständig. Wenn man davon ausgeht, dass es 20 Schulfächer gibt und nicht jedes Fach mit einer Didaktik-Professur vertreten werden kann, dann wird man wohl zu so etwas wie einer Bereichsdidaktik kommen müssen. Ehe gar nichts getan wird, halte ich ein Nachdenken darüber für wichtig, wie die naturwissenschaftlichen Didaktiken in Forschung und Lehre verbunden werden können. Denkbar wäre ein fakultätsübergreifendes Zentrum für Lehrerbildung und Lernforschung mit weitreichenden Kompetenzen.
Jahnke: Ich bin auch der Überzeugung, dass die Lehrerbildung einen Ort braucht, nicht nur für die Fachdidaktiken, sondern auch für die Studierenden. Wir müssen ihnen eine Heimat geben, die auf ihr späteres Berufsziel orientiert.
Portal 3-4/02
Ist mit der Etablierung
von Bereichsdidaktiken an der Universität
nicht glücklich: Prof. Dr. Gabriele Blell.
Prof. Dr. Thomas Jahnke wünscht sich größere didaktische Anteile in der Mathematikausbildung.
Sieht eine Diskrepanz
zwischen den steigenden Zahlen von Lehramtsstudierenden in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät und der Stellung der Fachdidaktiken: Prof. Dr. Helmut Mikelskis.
Foto: Fritze
Foto: Fritze
Foto: Fritze
Blell: Ich stimme dem voll zu, auch aus fachdidaktischer Sicht in Bezug auf Forschung. Es ist zum Beispiel vernünftig und erfolgversprechender, gemeinsame Anträge von Fachdidaktikern bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einzureichen. Auch dafür wäre ein Zentrum sehr hilfreich.
Was die fachdidaktische Forschung betrifft, empfahl der Wissenschaftsrat, die Fachdidaktiken in Verbindung mit der Lehrerbildungsforschung und der Forschung im Bereich der Weiterbildung auszubauen. Was wird an der Uni in diesem Bereich mit Bezug auf die Schule getan?
Jahnke: Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Pisa-Studie hat auf jeden Fall bewirkt, dass die Unterrichtsforschung an Bedeutung gewinnt. Mein Bereich macht zum Beispiel Untersuchungen von Klassenarbeiten der Sekundarstufe I. Die Ergebnisse bereden wir mit den Lehrern.
Blell: Wir haben beispielsweise ein Forschungsprojekt gemeinsam mit der Geschichtsdidaktik zum Fremdverstehen initiiert. Dabei geht es aus geschichtlicher und fremdsprachendidaktischer Sicht um empirische Untersuchungen zum Fremdverstehen, also um das Verstehen von Menschen anderer Kulturen und Sprachen. Ein anderes gemeinsames Projekt mit der Geschichte, der Informatik, der Mathematik und der Politischen Bildung soll zukünftig einen gemeinsamen Zusatzstudiengang/Modul zum bilingualen Lehren und Lernen vorbereiten.
Mikelskis: Man kann kurzfristig keine Allheilmittel erwarten, aber die Lehrer sollten in ihrer Kompetenz in Aus- und Weiterbildung gestärkt werden. Es gibt das praxisorientierte Forschungsprojekt„Sinus“, an dem wir mitarbeiten. Wir beschäftigen uns mit der Aufgabenkultur, also unter anderem mit der Frage, welche Aufgaben gestellt werden sollen, wie man Problemlösen fördern kann. Wir verfolgen auch über ein Schuljahr an einer Schule, wie Modellbilden oder metakognitive Fähigkeiten des Lernens entwickelt werden. Auch die neuen Herausforderungen durch Multimedia sind nur mit forschungsverbundener Lehre an den Hochschulen und reflektiertem Lernen in der Schule zu meistern.
Blell: Wir brauchen Lehrer, die den Unterricht wissenschaftlich reflektieren können. Das ist die Voraussetzung für sie, mehr als nur reines Handwerk zu machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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