Heft 
(1.1.2019) 03
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Blell: Die Schaffung von Bereichsdidaktiken sehe ich als Sparmodell an. Im bundesdeutschen Rah­men handelt es sich im Falle einer alle Philolo­gien übergreifenden Didaktik um ein Novum. Es gibt in den alten Bundesländern an einigen Unis zwar Bereichsdidaktiken. Sie beziehen sich aber auf verwandte Philologien und müssen nicht alle Sprachen abdecken. Wenn eine übergreifende Bereichsdidaktik sein muss, wie sie bei uns an der Fakultät bereits existiert, dann müsste gesi­chert sein, dass es zu der übergreifenden Profes­sur wenigstens jeweils einen Mitarbeiter pro Fach zur Abdeckung von Lehre und Forschung gibt. Will man es positiv sehen, kann eine Bereichsdidaktik natürlich dazu beitragen, inte­grative Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu entwickeln.

Jahnke: Ich bin kein Anhänger der Idee der Be­reichsdidaktik. Die Didaktik muss aus dem Fach herauskommen. Die Mathematik ist ein sehr betreuungsintensives Fach und gehört zu den wenigen Kernfächern in der Schule, die nicht ab­gewählt werden können. Wenn schon kein Aus­bau der Didaktik an der Uni möglich ist, sollten im Fach wenigstens solche Studienpläne für Lehramtsstudierende erarbeitet werden, die ihre spätere Profession reflektieren. Das geschieht durch den zehnprozentigen Didaktikanteil nicht. Die Studienpläne sind derzeit jenseits der Didak­tik nicht professionsorientiert. Das könnte sich ändern, wenn sich der Lehrkörper darauf einließe.

Mikelskis: Die Fachdidaktiken sind in mehrfa­cher Weise heimatlos. Sie sind formal den Fächern zugeordnet, andererseits ist es ihre Auf­gabe, Lernprozesse zu erforschen und darüber zu lehren. Um das integrieren zu können, bedarf es einer Ausstattung, die das Selbstbewusstsein der Didaktik im Fach stärkt. In der Physik ist die­se Integration an der Uni gut gelungen. Hier ist die Didaktik anerkannt und nicht randständig. Wenn man davon ausgeht, dass es 20 Schulfä­cher gibt und nicht jedes Fach mit einer Didak­tik-Professur vertreten werden kann, dann wird man wohl zu so etwas wie einer Bereichsdidak­tik kommen müssen. Ehe gar nichts getan wird, halte ich ein Nachdenken darüber für wichtig, wie die naturwissenschaftlichen Didaktiken in Forschung und Lehre verbunden werden kön­nen. Denkbar wäre ein fakultätsübergreifendes Zentrum für Lehrerbildung und Lernforschung mit weitreichenden Kompetenzen.

Jahnke: Ich bin auch der Überzeugung, dass die Lehrerbildung einen Ort braucht, nicht nur für die Fachdidaktiken, sondern auch für die Studie­renden. Wir müssen ihnen eine Heimat geben, die auf ihr späteres Berufsziel orientiert.

Portal 3-4/02

Ist mit der Etablierung

von Bereichsdidaktiken an der Universität

nicht glücklich: Prof. Dr. Gabriele Blell.

Prof. Dr. Thomas Jahnke wünscht sich größere di­daktische Anteile in der Mathematikausbildung.

Sieht eine Diskrepanz

zwischen den steigenden Zahlen von Lehramtsstu­dierenden in der Mathe­matisch-Naturwissen­schaftlichen Fakultät und der Stellung der Fachdi­daktiken: Prof. Dr. Helmut Mikelskis.

Foto: Fritze

Foto: Fritze

Foto: Fritze

Blell: Ich stimme dem voll zu, auch aus fachdi­daktischer Sicht in Bezug auf Forschung. Es ist zum Beispiel vernünftig und erfolgversprechen­der, gemeinsame Anträge von Fachdidaktikern bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein­zureichen. Auch dafür wäre ein Zentrum sehr hilfreich.

Was die fachdidaktische Forschung betrifft, emp­fahl der Wissenschaftsrat, die Fachdidaktiken in Verbindung mit der Lehrerbildungsforschung und der Forschung im Bereich der Weiterbil­dung auszubauen. Was wird an der Uni in die­sem Bereich mit Bezug auf die Schule getan?

Jahnke: Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Pisa-Studie hat auf jeden Fall bewirkt, dass die Unterrichtsforschung an Bedeutung gewinnt. Mein Bereich macht zum Beispiel Untersuchun­gen von Klassenarbeiten der Sekundarstufe I. Die Ergebnisse bereden wir mit den Lehrern.

Blell: Wir haben beispielsweise ein Forschungs­projekt gemeinsam mit der Geschichtsdidaktik zum Fremdverstehen initiiert. Dabei geht es aus geschichtlicher und fremdsprachendidaktischer Sicht um empirische Untersuchungen zum Fremdverstehen, also um das Verstehen von Menschen anderer Kulturen und Sprachen. Ein anderes gemeinsames Projekt mit der Geschich­te, der Informatik, der Mathematik und der Poli­tischen Bildung soll zukünftig einen gemeinsa­men Zusatzstudiengang/Modul zum bilingua­len Lehren und Lernen vorbereiten.

Mikelskis: Man kann kurzfristig keine Allheil­mittel erwarten, aber die Lehrer sollten in ihrer Kompetenz in Aus- und Weiterbildung gestärkt werden. Es gibt das praxisorientierte For­schungsprojektSinus, an dem wir mitarbeiten. Wir beschäftigen uns mit der Aufgabenkultur, also unter anderem mit der Frage, welche Auf­gaben gestellt werden sollen, wie man Problem­lösen fördern kann. Wir verfolgen auch über ein Schuljahr an einer Schule, wie Modellbilden oder metakognitive Fähigkeiten des Lernens ent­wickelt werden. Auch die neuen Herausforde­rungen durch Multimedia sind nur mit for­schungsverbundener Lehre an den Hochschu­len und reflektiertem Lernen in der Schule zu meistern.

Blell: Wir brauchen Lehrer, die den Unterricht wissenschaftlich reflektieren können. Das ist die Voraussetzung für sie, mehr als nur reines Handwerk zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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