Heft 
(1.1.2019) 03
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Forschung

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Societas Bunsensis vivat

Die traditionsreiche Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie

tagt an der Potsdamer Universität

Die 1894 gegründete Bunsen-Gesellschaft für Phy­sikalische Chemie mit ihren mehr als 1500 Mit­gliedern hat auch in den neuen Bundesländern wieder Fuß gefasst. Vom 9. bis 11. Mai führt sie an der Universität Potsdam ihre 101. Hauptver­sammlung durch. Ihr Namenspatron ist der Che­miker Robert Wilhelm Bunsen(1811-1899), welt­bekannt durch den nach ihm benannten Bunsen­brenner und als der eigentliche Begründer physi­kalisch-chemischer Arbeitsrichtungen in Deutsch­land.

1894, zum Zeitpunkt der Gründung der

Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft, der Vorgängerin der heutigen Bunsen-Gesellschaft, existierten bereits drei verwandte wissenschaftli­

che Vereinigungen: die Deutsche Physikalische*

Gesellschaft(seit 1845), die Deutsche Chemische Gesellschaft(seit 1867) und der Verein Deut­scher Chemiker(seit 1887). Wozu also noch eine Fortsetzung?

Der Chemiker, der kein Physiker ist, ist gar nichts, meinte Robert Bunsen und reflektierte mit diesen Worten damalige Entwicklungen in der chemischen Wissenschaft und Technologie. Gemeint sind Prozesse an Katalysatoren, Unter­suchungen zur Energetik und Geschwindigkeit chemischer Reaktionen und nicht zuletzt die großtechnische Gewinnung von Chlor und Metallen aus Salzen mit Hilfe von Strom aus Sie­mensschen Dynamomaschinen. Der Erste Vor­

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Bunsen hatte sein Labor an der Universität Heidelberg großzügig eingerichtet.

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Die renommierte Wissenschaftlervereinigung ist nach

Robert Wilhelm Bunsen benannt, der im 19. Jahr­hundert lebte und für den Einzug der Physik in chemische Arbeitsrichtungen plädierte.

Fotos: Repro

sitzende der Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft 1894 war übrigens kein Geringerer als Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald (1853-1932). Ehrenmitglieder der ab 1902 unter den NamenDeutsche Bunsen-Gesellschaft für (angewandte) physikalische Chemie firmieren­den Wissenschaftlervereinigung waren unter anderen Svante Arrhenius, Carl Bosch, Robert Bunsen, Fritz Haber, Otto Hahn, Walther Nernst und Max Planck. Die Themen der bisherigen 100 Hauptversammlungen wirken wie ein Leitfaden der Geschichte der physikalischen Chemie: Neue Entwicklungen der Spektralanalyse(Hei­delberg, 1912),Arten chemischer Bindung und Bau der Atome(München, 1928), Kinetik che­mischer(Frankfurt/M.,1941), Ultrarot- und Rahmen-Spektroskopie(Mar­burg, 1950),Grundlagen chromatographischer Trennverfahren(Innsbruck, 1965) oderPhysi­kalisch-chemische Aspekte dünner Schichten (Bochum, 1991).

Politisch-historisch gesehenlavierte sich die Bunsen-Gesellschaft mit Erfolgen und Rück­schlägen, mit Opposition und Anpassung durch das bewegte 20. Jahrhundert. Sie setzte sich für ausgewogene Chemie-Studiengänge an den

Reaktionen

Hochschulen ein. Auf den Hauptversammlun­gen im ersten und zweiten Weltkrieg dominier­ten volkswirtschaftsbezogene Themen. In der Weimarer Republik belang es der Gesellschaft mit Hilfe der chemischen Großindustrie, die dürftige Ausstattung der physikalisch-chemi­schen Forschungslaboratorien entscheidend zu verbessern und den Mangel an physikalisch und mathematisch gebildeten Chemikern weitge­hend zu beheben.

Von 1933 bis 1945 wurde auch die Bunsen­Gesellschaft durch Satzungsänderungen und Mitgliedschaft im NS-Bund Deutscher Technik gleichgeschaltet. Den Vorsitz hatte zeitweise der hier bekannte Chemiker Peter-Adolf Thießen, der spätere Direktor des Instituts für physikali­sche Chemie der Akademie der Wissenschaft der DDR.

Nach dem Kriege, 1947, konstituierte sich die Bunsen-Gesellschaft mit der Satzung von 1930 neu und agierte später vorwiegend in den alten Bundesländern. In Potsdam wird es um moder­ne spektroskopische Methoden zur Erforschung von Molekülstrukturen in chemischen Verbin­dungen gehen. Uni-Physikochemiker werden sich mit Postern beteiligen.

Wenn dann von Magnetkernresonanz-, Elektronenspinresonanz- und Laserspektrome­trie die Rede sein wird, wäre es angebracht, sich auch einmal an den ersten einfachen Lichtspek­tralapparat zu erinnern, den 1859 Bunsen und Kirchhoff entwickelten.

ak

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