Heft 
(1.1.2019) 03
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Jiddische Lieder und Klesmermusik

Das Tonarchiv David Kohans in der Potsdamer Religionswissenschaft

Schon seit einiger Zeit wird im Rahmen der jüdi­schen Studien an der Universität Potsdam die Erforschung jiddischer und jüdischer Musik intensiv betrieben. Karl-Erich Grözinger, Profes­sur für Religionswissenschaft, ist es nun gelungen, David Kohans einzigartiges Tonbandarchiv jiddi­scher Musik an die Universität zu holen, wo es in einem von der Thyssen-Stiftung geförderten Pro­Jjekt innerhalb der nächsten vier Jahre archiviert, katalogisiert und digitalisiert wird.

avid Kohan wurde 1920 in Warschau D geboren. Er kämpfte während der Scho­

ah mit Partisanen, bevor er 1947 nach Berlin kam. Hier wurde er schnell zu einer nicht weg zu denkenden Figur im sich neu bildenden jüdischen Kulturleben. Gegen alle Widerstände druckte er schon im noch in Ruinen liegenden Berlin jiddische Bücher, und bereits in den 6o­er Jahren bot er im Rahmen der Jüdischen Volkshochschule Jiddischkurse an. Die Erhal­tung und Erforschung jiddischer Sprache und Musik sollte zu einer Lebensaufgabe werden, die er gleichermaßen als Lehrer, Herausgeber jiddi­scher Literatur und Journalist verfolgte. Vor allem seine musikalischen Forschungen sind außergewöhnlich: Selbst als Vorbeter und Sän­ger tätig, sammelte Kohan von 1945 an bald ein halbes Jahrhundert jiddische Musik und doku­mentierte diese auf 325 Tonbändern und Audio­

Wer Klesmermusik gern einmal live erleben möchte, hat dazu demnächst Gelegenheit. Aaron Eckstaedt tritt ab Mai dieses Jahres mit seinem Programmnischt kejn konzert-klesmer, lieder,

_ geschichten auf. Er wird dabei nicht nur jiddi­sche Lieder singen, sondern auf dem Akkordeon auch Klesmer-Musik spielen. Auf jiddisch erzählt er darüber hinaus Geschichten und Anekdoten aus der alten Welt, plaudert mit jüdischem Witz über das Leben und die Liebe, Tradition und Reli­gion. Start einer Serie von Auftritten ist am 14. Mai, 20.00 Uhr, im Berliner Bellevue Kunst&Kultur, Flensburger Str. 11. Potsdamer können ihn am 16. Mai, 20.00 Uhr, im Wasch­haus, Schiffbauergasse 1 erleben. Weitere Termi­ne finden Interessierte im Internet unter der

Adresse: http://www. westparkmusic.com.

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cassetten. Dazu unternahm er ausgedehnte Rei­sen nach Polen, Rumänien und Russland, wo er Feldaufnahmen machte und dort vorhandene Tonquellen kopierte. Seine Forschungen präsen­tierte er in zahlreichen Rundfunksendungen und jiddischen Zeitungen.

Nach David Kohans Tod wurde die Samm­lung durch Mittel des Berliner Senats und der Universität Bamberg angekauft und anschlie­ßend von dem Musikethnologen Prof. M. P. Bau­mann(Bamberg) der Universität Potsdam über­

Eine typische Klesmerkapelle in Osteuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

lassen. Die Bestände werden nun zunächst archi­viert, katalogisiert und auf digitale Tonträger überspielt, bevor sie wissenschaftlich kommen­tiert und in eine Multimediadatei eingearbeitet werden. Hiermit ist dann die Suche nach Infor­mationen wie Liedtitel, Textanfängen, Melodien, Namen vory Komponisten, Textern, Musikern und Aufführungsorten möglich. Hervorzuheben ist vor allem die Bandbreite und Vollständigkeit der Sammlung Kohans. Sie bildet nicht nur den Kern einer in Potsdam aufzubauenden Fonothek jiddischer Musik, sondern dient auch als Ver­gleichsmaterial für ein Projekt mit historischen Aufnahmen von jiddischen Liedern, Klesmer­musik und Purimspielen aus den Sammlungen Moishe Beregowskis und Sofia Magids aus Kiew und St. Petersburg, an dem Dr. Aaron Eckstaedt und Dr. des. Elvira Grözinger bereits gemeinsam arbeiten.

Mit diesem nun schon zweiten musikali­schen Projekt an der Professur für Religionswis­senschaft ist nun ein entscheidender Schritt in die Richtung getan, die Beschäftigung mit jüdi­scher Musik in das interdisziplinäre Konzept der jüdischen Studien zu integrieren.

Red.

Foto: Repro

Forschung

www.uni-potsdam.de/portal /apro2/forschung

Billiard mit lonen

Potsdamer Uni-Chemiker entwickeln Messverfahren weiter

Die Bildung geladener Teilchen(Ionen) in Luft wur­de bereits in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wissenschaftlich untersucht. Im Jahr 1905 war es der Franzose Paul Langevin, der für die Gasphase grundlegende modellhafte Vorstellungen zur Mobilität von Ionen in elektrischen Feldern ent­wickelte. Obwohl das der Tonenmobilitätsspektrome­trie(IMS) zugrunde liegende Messprinzip einfach ist, dauerte das Heranreifen analytischer Anwen­dungen der IMS zu kommerziellen Geräten bis in unsere Zeit.

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Detection

Abb.: zg.

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Desorption lonization

Wanderungen von Ionen.

In der Umweltanalytik, einem traditionellen Arbeitsgebiet des Forscherteams um Prof. Dr. Hans-Gerd Löhmannsröben im Institut für Che­mie der Universität Potsdam, wird IMS für Mes­sungen von leichtflüchtigen Verbindungen wie halogenierten Kohlenwasserstoffen bis hin zu schwerflüchtigen Verbindungen wie polycycli­schen aromatischen Verbindungen eingesetzt. * Bei der Laser-gestützten IMS, die in Potsdam weiterentwickelt wird, bewirkt ein Laser, dass Analytmoleküle mittels Lichtblitzen möglichst selektiv verdampft und gezielt zu einem positiv geladenen Molekülion ionisiert werden(Photo­ionisation). Neben den bereits erwähnten umweltrelevanten Stoffen lassen sich beispielsweise chemische Kampfstoffe, Sprengstoffe, Drogen und Pflan­zenschutzmittel empfindlich nachweisen. IMS kommt bei Kontrollmessungen an Schadstoffen am Arbeitsplatz zum Einsatz, Es gibt Anwen­dungen zur Prozesskontrolle, zum Beispiel Abgasmessungen im Verbundforschungsprojekt MILAN(miniaturisiertes Laser-IMS für die Ana­1lytik), an dem die Universität Potsdam gemein­sam mit Partnern aus der Industrie arbeitet. Im Vergleich zu massenspektroskopischen Techni­ken kommt IMS ohne apparativ aufwändige und störanfällige Hochvakuumtechnik aus. Die IMS­Geräte lassen sich daher mit geringem Gewicht und sehr robust herstellen. Messungen in Sekundenschnelle und im Feld werden möglich. IMS wird aber auch zunehmend mit anderen Messverfahren kombiniert. Dr. Matthias Lemke/Institut für Chemie

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