Heft 
(2021) 28
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4,5 Jahren. Es muss daher über den 25- jährigen Un­tersuchungszeitraum hinweg in gewissem Umfang eine stete Zuwanderung erfolgt sein. Insofern stellt sich die Frage, aus welchen Regionen die Kiebitze stammen, die im Spreewald Jahr für Jahr zur Brut schreiten. Vor dem Hintergrund der eher mäßig ausgeprägten Brutplatztreue( IMBODEN 1974, s. auch CIMIOTTI 2020) ist ferner ein regelmäßiger Austausch innerhalb der lokalen Population zu erwarten. Aus welchen Regionen kämen Immigranten infrage?

Im Frühjahr über Ostdeutschland hinweg zie­hende Kiebitze streben vor allem nach Nordost- und Osteuropa , wie Ringfundanalysen ergeben haben ( IMBODEN 1974, VIKSNE& MIHELSONS 1985, HEINICKE& KÖPPEN 2013, BAIRLEIN et al. 2014). Dabei werden in ers­ter Linie Polen , Belarus , das Baltikum , Finnland ( inkl. Karelien ) und große Teile Westrusslands sowie die Ukraine berührt. Belarus und das Baltikum bilden ein zusammenhängendes Schwerpunktvorkommen, das vermutlich von globaler Bedeutung für den Kiebitz ist ( GREGORY 2020). Fernansiedlungen von in Osteuropa erbrüteten Jungvögeln, die später in Deutschland zur Brut geschritten sind, liegen nicht vor. Jedoch gibt es in umgekehrter Richtung zahlreiche Funde, die sogar bis nach Westsibirien reichen( IMBODEN 1974, VIKSNE & MIHELSONS 1985). Diese Diskrepanz hängt mögli­cherweise mit der geringen Zahl von in Osteuropa markierten Kiebitzen zusammen. In Russland , der Ukraine und Kasachstan führt die Beringung von Kie­bitzen eher ein Schattendasein( 1990-2020 nur 890 Beringungen); in Belarus wurden in diesem Zeitraum immerhin 4.748 Kiebitze beringt( nach Daten der russischen Arbeitsgruppe Watvögel"; P. TOMKOVICH, schriftl.). Dass aus dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion nur vergleichsweise wenige Funde vor­liegen, dürfte auch mit einer anderen Tatsache eng zusammenhängen: Russische Vogeljäger stellen tradi­tionell vor allem verschiedenen Schnepfenarten nach, Kiebitze werden aber praktisch nicht bejagt( MISCHEN­KO 2020). In Westeuropa ist der massenhafte Abschuss ( Abschnitt 6.2.1) die Hauptquelle zahlreicher Ring­funde( WERNHAM et al. 2002).

Damit ist die Frage nach der Herkunft der im Spreewald auftauchenden Gäste jedoch nicht be­antwortet. Ich vertrete die Auffassung, dass sich alljährlich und in wechselndem Umfang Kiebitze nordöstlicher Herkunft hier niederlassen. Dies wäre im Rahmen des Dispersals und/ oder von Umsied­

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lungen kein ungewöhnliches Verhalten( IMBODEN 1974). Auf spontane Ansiedlungen deuten auch die jahresweise stark fluktuierenden Revierzahlen hin. Bei einer zunehmend älter( und weniger produktiv) werdenden Population würde man davon ausgehen, dass die Bestände kontinuierlich sinken. Vermutlich werden Kiebitze durch die attraktiven Habitatbedin­gungen zu einer Ansiedlung bewogen.

Rätselhaft ist der Verbleib der oft schon gegen Ende April wieder abgezogenen Brutvögel. Zugbe­obachtungen in dieser Phase gab es keine. Über den Umfang und das Ausmaß nächtlicher Zugbewegun­gen ist kaum etwas bekannt( GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1975, DIERSCHKE et al. 2011). Könnte das unverzüg­liche Abwandern einem anderen Umstand geschul­det sein? Beim Mornellregenpfeifer Charadrius morinellus wurde nachgewiesen, dass einige Weib­chen nach Vollendung des ersten Geleges den Brut­platz rasch verlassen und beträchtliche Distanzen zurücklegen können, um sich erneut zu verpaaren ( THOMPSON& WHITFIELD 1993, WERNHAM et al. 2002). Bei dieser Art sind jedoch monogame Verpaarungs­verhältnisse eher selten( KRAATZ& KRAATZ 2004).

Fernumsiedlungen innerhalb einer Brutsaison sind m. W. beim Kiebitz bisher noch nicht nachge­wiesen. Den im Spreewald erfolglos gebliebenen Kiebitzen hätte noch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, in derselben Saison anderswo einen wei­teren Brutversuch zu unternehmen. Nach Nordosten hin verschieben sich die Legebeginne erheblich. In der Region St. Petersburg ( Russland ) legen Kiebitze zwischen Ende April und Anfang Mai, von Mittelfinn­ land bis in den Norden Westrusslands erst zwischen Anfang und Mitte Mai( DEMENTIEV& GLADKOW 1969, SHRUBB 2007). Bei Moskau haben sich die ersten Le­gebeginne jedoch erheblich verfrüht: 1983-1985 4.­18.04.( ZUBAKIN et al. 1988); 2010-2020 7.03.- 6.04. ( A. MISCHENKO, schriftl.).

Ob die im Spreewald erfolglos gebliebenen Weib­chen aber nach einem oder zwei gescheiterten Gele­gen noch die Fitness besäßen, nach der Bewältigung einer längeren Zugstrecke weitere Eier zu produzieren, darf zumindest angezweifelt werden. Weibliche Kie­bitze können je Brutsaison( theoretisch) bis zu vier Nachgelege hervorbringen( GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1975). Jedoch ist dieser Wert unter den aktuellen Bedingungen in der Agrarlandschaft untypisch, und nicht alle Weibchen legen nach dem Verlust des Erst­